«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings»: Mulan made by Marvel

Regisseur Destin Daniel Cretton drehte den Spielfilm mit Simu Liu und Awkwafina, der inhaltlich nicht wirklich überzeugen kann.

Nach «Black Widow», dem Abschiedsfilm dem Scarlett Johansson von ihrer gleichnamigen Superheldinnenrolle, folgt mit «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» nun die zweite Produktion der Phase Vier aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU), mit der eine völlig neue Figur eingeführt wird, die erstmals im Dezember 1973 als Comic erschien. Nachdem 2018 mit «Black Panther» der erste schwarze MCU-Comicheld in den Kinos für Furore sorgte, handelt es sich bei Chang-Chi um den ersten asiatischen Superman – nicht zuletzt, weil Disney schon seit längerem auf den asiatischen Absatzmarkt schielt, zuletzt aber mit der Realverfilmung des Zeichentrickfilmhits «Mulan» heftig in Kritik geraten ist, hauptsächlich weil der Film in der chinesischen Provinz Xinjiang gedreht wurde, wo etwa eine halbe Million Uiguren in sogenannten Umerziehungslagern deponiert sein sollen, und Disney im Abspann des Films den chinesischen Sicherheitsbehörden dankte. Einen solchen Fauxpas gibt es im Zusammenhang mit «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» nicht, denn der Film wurde größtenteils in den USA, Australien und Macau gedreht. Und trotzdem fühlt sich das Ganze an wie ‚Mulan made by Marvel‘.

Aus Shaun wird Shang-Chi
An der Uni in San Francisco wirkt Shaun (Simu Liu) wie ein ganz normaler Durchschnittstyp, der viel mit seiner Kommilitonin Katy (Awkwafina) abhängt. Doch plötzlich wird er während einer Fahrt im Bus von fremden Männern angegriffen. Katy staunt nicht schlecht, wie sich ihr Kumpel mit Händen und Füßen zu wehren weiß. Nach dem Attentat muss er Katy reinen Wein einschenken. Sein richtiger Name ist Shang-Chi und er ist der Sohn des gefürchteten Wenwu (Tony Leung), der seit 1000 Jahre mit der Macht zehn magischer Ringe ein Verbrechersyndikat führt. Vor zehn Jahren ist ihm die Flucht geglückt, weil ihn der Vater zum einen Auftragskiller ausbilden wollte. Doch nun scheint die Zeit gekommen zu sein, dass sich Shang-Chi seiner Vergangenheit stellt. Schnell findet er heraus, dass sein Vater hinter weiteren Attentaten steckt. Er will Shang-Chi nach Macau locken. Dem Sohn bleibt nichts anderes übrig, denn er fürchtet höchste Gefahr für seine Schwester Xialing (Meng’er Zhang). In Macau offenbart ihm sein Vater, dass er seine verstorbene Frau zurückholen will und löst damit eine gewaltige Katastrophe aus.

Nach Martial-Arts-Kämpfe auch noch chinesische Drachen
«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» fühlt sich anders als alle bisherigen Marvel-Comicverfilmungen an, was von Produzent Kevin Feige auch so gewollt ist. Denn nach den immer verheerenden Schlachten der «Avengers», die sich gewiss nicht mehr toppen ließen, muss nun eine neue Tonart her, die aber gar nicht so neu ist. Denn «Shang-Chi» ist in erster Linie ein Martial-Arts-Spektakel, in dem viel gekämpft wird. Man kann sich also immer wieder an den Choreographien erfreuen, die wie bei Marvel nicht anders zu erwarten, meisterhaft sind. Mit alten Bruce Lee-Filmen lässt sich das dennoch nicht wirklich vergleichen, denn Kollege Computer hilft hier schon sehr, damit die Protagonisten fast fliegend in die Höhe springen und sicher wieder zu Boden geleiten. Das erinnert an neuere Martial-Arts-Filme wie «Tiger & Dragon» oder «Hero», die zum Anfang des neuen Jahrtausends frischen Wind in die Kinos brachten. Regisseur Destin Daniel Cretton («Just Mercy») hat sich von etlichen Filmen dieser Art inspirieren lassen. Etwa die beeindruckende Kampfeinlage auf einem aus Bambusstöcken gebauten Hochhausgerüst, die es so ähnlich schon in der Jackie-Chan-Actionkomödie «Rush Hour 2» (2001) gab. Dann kommen auch noch Drachen, die in der chinesischen Mythologie fest verankert sind, zum Einsatz – quasi als visueller Höhepunkt, um dem Publikum auch noch was aus der Trickkiste fürs Auge zu bieten.



Familiendrama in einer Comicwelt
Das Ganze ist dann auch noch in eine tragische Familiengeschichte eingewickelt, um dem Film damit etwas Tiefgang geben zu wollen. Da kommen Themen wie Verlust, Verrat, Missgunst, Liebe und Aufopferung auf den Tisch, womit die im Grunde genommen simple Handlung oft unnötig ausgewälzt wird, ohne wirklich emotional ergriffen zu sein. Eine Figur, die sich in «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» wie ein Fremdkörper anfühlt, ist die de von Ben Kingsley gespielten Möchtegernmimen Trevor Slattery, die schon in «Iron Man 3» als falscher Mandarin auftauchte. Kingsley soll damit für humorvolle Auflockerung sorgen, auch wenn das nicht immer gelingt. Letztendlich wirkt das neue Marvel-Abenteuer damit etwas unausgegoren, auch wenn der in China geborene und in Kanada aufgewachsene Simu Liu als Hauptcharakter eine gute Figur macht und auf jeden Fall wiederkehren sollte. Eine imposante Erscheinung ist auch der Deutsche Florian Munteanu («Creed 2») als Razor Fist. Und doch vermisst man irgendwie Captain America, Thor, Hulk und Iron Man, die so viele Jahre im Kino tobten und bestes Entertainment boten.

Fazit: Bereits mit «Black Widow» ist das Marvel Cinematic Universe (MCU) 2021 in seine vierte Phase gegangen. Mit «Shang-Chi» wird der erste asiatische Superheld vorgestellt. Eindrucksvolle Martial-Arts-Kämpfe, Special-Effects-Orgien mit Drachen, dazwischen eine kraftlose Familienstory. Marvel fängt an zu schwächeln.

«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» ist im Kino zu sehen.
06.09.2021 10:13 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/129247