Die Kritiker: «Das Ende der Wahrheit»

Ein Anschlag mitten in München. Mit Maschinengewehren bewaffnet stürmen Männer in ein Café und richten unter den Gästen ein Massaker an. Die Behörden gehen von einem islamistischen Anschlag aus. BND-Agent Martin Behrens verfolgt jedoch eine andere Spur.

STAB

DARSTELLER: Ronald Zehrfeld, Alexander Fehling, Katharina Lorenz, Claudia Michelsen, Axel Prahl, Antje Traue, August Zirner, Alireza Bayram, Timo Fakhravar
REGIE und DREHBUCH: Philipp Leinemann
MUSIK: Sebastian Fillenberg
KAMERA: Christian Stangassinger
SCHNITT: Max Fey

98 Minuten
2019 erhielt der vom Kleinen Fernsehspiel des ZDF maßgeblich produzierte Thriller einen kleinen Kinostart, um dann seiner TV-Ausstrahlung zu harren. Und man fragt sich schon, was das ZDF von der TV-Premiere rund zwei Jahre abgehalten hat, denn Regisseur und Autor Philipp Leinemann hat mit «Das Ende der Wahrheit» einen geradlinigen, teilweise sogar recht krachenden Spionagethriller inszeniert, der sich hinter vergleichbaren skandinavischen oder britischen (übersichtlich budgetierten) Filmen nicht verstecken muss.

Ronald Zehrfeld ist Martin Behrens. Dieser Martin Behrens ist kein in blütenweißer Weste gewandte Held, der edel und tapfer die Sicherheit Deutschlands verteidigt. Behrens, der unter anderem fließend Urdu, Arabisch, Farsi spricht, benutzt schon einmal die Angst eines Flüchtlings aus einem mittelasiatischen Land, um ihn zum Verrat an der eigenen Familie zu bewegen, welcher ein Top-Terrorist angehört. Der junge Mann ist homosexuell und hat eine panische Furcht vor einer Abschiebung. Behrens verspricht ihm Asyl, um an die gewünschten Informationen zu gelangen. Kurz darauf starten die Amerikaner mit Behrens' Informationen einen Drohnenangriff auf das nun bekannte Haus des Terroristen – und der junge Mann, der seinen eigenen Cousin verraten hat, wird in seiner Heimat abgeschoben, damit niemand die Spuren zum BND und seine durchaus zwielichtigen Verhörmethoden nachvollziehen kann.

Jenseits seiner Arbeit unterhält Martin eine Affäre mit der Journalistin Aurice Köhler. Sie weiß, dass er nicht ganz das ist, was er vorgibt zu sein (ein einfacher Beamter beim BND). Aber sie haben sich arrangiert und sprechen nicht über die Arbeit. Bis zu dem Tag, an dem Aurice bei einer Tagung auftaucht und Martin direkt anspricht. Der ist außer sich, niemand darf von ihrer Beziehung wissen und in seiner Wut hört er ihr nicht richtig zu. Sie erzählt etwas von einer großen Sache, von Waffenlieferungen, die auch den BND betreffen, aber dann ist sie auch fort. Kurze Zeit später wird München von einem Terroranschlag heimgesucht und aufgrund des vermuteten Hintergrundes gehört Martin zu den ersten Agenten vor Ort, die sich (im Schatten des BKA) einen ersten Eindruck vom Geschehen verschaffen sollen. Da die meisten Toten aus mittelasiatischen Staaten stammen, ist deren Identität teils noch zu überprüfen. Allein eine deutsche Café-Besucherin ist einwandfrei identifiziert: Eine Journalistin namens Aurice Köhler.



Mit Tempo treibt Regisseur Leinemann die Story voran. Er hat keine Angst vor Klischees. Da gibt es natürlich den schmierigen Karrieristen beim BND, Patrick Lemke (Alexander Fehling), der Martin nicht zufällig vor die Nase gesetzt wird und dessen Job vor allem darin besteht, Martin zu nerven. Axel Prahl gibt den Abteilungsleiter Dr. Joachim Rauhweiler – mit hässlichem Oberlippenbart, der signalisiert, dass dieser Mann etwas zu verbergen hat. Und natürlich gibt es auch eine gute Chefin, Dr. Aline Schilling (Claudia Michelsen), die natürlich auch ihre Leichen im Keller liegen hat, der man jedoch abnimmt, dass sie am Ende einfach nur ihren Job macht und die ihre Hände schützend über Martin hält, dessen Beziehung zur Journalistin natürlich nicht lange ein Geheimnis bleibt: Was in diesem Fall eine Mitarbeit Martins an den geheimdienstlichen Ermittlungen verbietet. Ja, Leinemann nutzt allerlei bekannte Versatzstücke. Aber es funktioniert, da er auf ein hervorragendes Schauspielerensemble zurückgreifen kann und weil er seine Geschichte geradlinig durchzieht. Er hat gar kein Interesse an allzu großen Brüchen in der Erzählung, «Das Ende der Wahrheit» ist im besten Sinne des Wortes ein altmodischer Verschwörungsthriller; dass der Tod von Aurice kein Zufall ist, ist nicht nur den Zuschauern von Anfang an klar. Es mag makaber klingen, aber Martin muss nur die Kugeln zählen, die sie getötet haben, um zu erkennen, dass der Anschlag nur einem Zweck diente: Nämlich dem Zweck, von den tatsächlichen Hintergründen abzulenken. So haben die Attentäter Aurice die doppelte Anzahl von Kugeln verpasst. Sie sind absolut auf Nummer Sicher gegangen, dass sie nicht zufällig überlebt.

Martin Behrens ist kein James Bond. Er ist aber auch kein Beamter, der Dienst nach Vorschrift ausübt. Er ist ein Mann der Graubereiche, der dort agiert, wo man keine Fragen stellt und unbedingt ausführliche Berichte verfasst. Behrens ist der, der sich die Hände schmutzig macht. Er ist ein Mann der weiß, dass die Art, wie er arbeitet, ethisch und moralisch mehr als nur fragwürdig ist. Was ihn in dem Moment natürlich auch wieder angreifbar macht, wenn etwas geschieht, was nicht geschehen darf und ein Sündenbock gesucht wird. Ein Sündenbock für einen Anschlag etwa, den niemand vorhergesehen hat. Es braucht schließlich ein Gesicht, das man der Öffentlichkeit als Verantwortlichen präsentieren, um von eigenen Fehlern abzulenken.

Wenn denn Fehler gemacht wurden und nicht etwas ganz anderes hinter dem Anschlag steckt...

«Das Ende der Wahrheit» ist kein Meisterstück, aber bodenständige Thrillerkost. Sogar die Actionszenen, oft ein Manko in deutschen Produktionen dieser Art, brauchen sich hinter internationalen Produktionen nicht verstecken und bieten anständige Handwerksarbeit.

100 Minuten Verschwörungen, dreckige Geschäfte, miese Halunken und ein Mann im Kampf gegen den Rest der Welt: Mehr will «Das Ende der Wahrheit» nicht sein. Und genau das ist «Das Ende der Wahrheit».

«Das Ende der Wahrheit» ist am Montag, den 16. August 2021 im ZDF (20.15 Uhr) zu sehen.
14.08.2021 11:46 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/128771