Maren Eggert: ‚Einen Menschen zu besitzen, ist eine absurde Vorstellung‘

Die aus dem Kieler «Tatort» bekannte Eggert wurde mit dem Silbernen Bären für ihr Werk «Ich bin dein Mensch» ausgezeichnet. Mit Quotenmeter sprach Sie über Besitzansprüche und die Corona-Pandemie.

Über ein Vierteljahr musste Maren Eggert (47) warten, bis sie den Silbernen Bären endlich in den Händen halten durfte. Auf der Sommer-Berlinale wurde ihr endlich der Preis überreicht, der ihr bereits Anfang März für ihre Rolle in Maria Schraders Tragikomödie «Ich bin dein Mensch» versprochen wurde. Ein großer Augenblick für die Hamburgerin, die in Maria Schraders Tragikomödie «Ich bin ein Mensch» eine Kunsthistorikerin spielt, der man den Mann ihres Lebens aufschwatzt. Allerdings ist dieser Tom (Dan Stevens) ein Roboter, darauf programmiert, ihre alle Wünsche zu erfüllen. Ob das wirklich erstrebenswert ist, verriet uns die Schauspielerin, die vor allem als Polizeipsychologin aus den Kieler «Tatort»-Folgen bekannt geworden ist, im Gespräch.

Wie überrascht waren Sie als es im März hieß, dass der Silberne Bär für die beste schauspielerische Leistung an Maren Eggert geht?
Damit habe ich wirklich nicht gerechnet und bekam den Anruf als ich gerade beim Kochen war. Ich bin froh, dass ich überhaupt rangegangen bin, Eine Überraschung wie aus dem heiteren Himmel, weil ich das gar nicht mehr auf den Schirm hatte.

Gewöhnlich werden Preis ja auch in einem festlichen Rahmen gebettet…
Das war in diesem Jahr alles ein bisschen anders, nicht die üblichen Abläufe, weshalb man auch nicht in diesem üblichen Berlinale-Hype war. Die Bekanntgabe des Preises hat mich umgehauen.

Die Trophäe durften Sie aber nicht gleich in den Händen halten?
Nein, auf den Silbernen Bären musste ich bis Sonntagabend warten. Auch meine Kinder haben das mit dem Preis mitbekommen und waren wahnsinnig aufgeregt, ihn endlich mal anfassen zu dürfen (lacht).

Was halten Sie davon, dass es keine Unterscheidung mehr zwischen Frau und Mann gibt, sondern auf der Berlinale nur noch genderneutral eine schauspielerische Leistung ausgezeichnet wird?
Es war ja der Wunsch, etwas aufzubrechen, was irgendwie eingefahren ist und sich damit in einer öffentlichen Diskussion zu begegnen. Ich finde das erst mal einen legitimen Versuch, und mal schauen, wo uns das hinführt. Für mich macht das jetzt erst mal nicht wirklich einen Unterschied, denn ich habe mich einfach nur über diese wahnsinnige Auszeichnung gefreut.

Wenn jemand sagt: «Ich bin dein Mensch» – ist es nicht das, wonach sich jeder sehnt?
Ich finde schon. Das ist gleichbedeutend mit einem Platz im Leben, den man hat. Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich bin bot orientierungslos im Leben, weiß manchmal nicht wo oben und unten ist. Wenn man dann weiß, dort ist mein Mensch, mein Ort, meine Koordinaten, ist es schön, das zu haben.

Solange man es nicht mit Besitzanspruch, ein Mensch würde einem gehören, verwechselt…
Für mich ist es eine völlig absurde Vorstellung, einen anderen Menschen zu besitzen. Selbst die eigenen Kinder besitzt man nicht. Früher gab es das Patriarch, das einem Mann die Frau gehören würde – gruselig! Dafür bin ich auch zu freiheitsliebend.

Im Film ist es umgekehrt, wenn Ihnen der Roboter sagt, er ist nur für Sie da und tut alles, was Sie wollen. Wäre das manchmal nicht doch wünschenswert?
Da denke ich wie meine Figur Alma, die sich anfangs gar nicht vorstellen kann, sich auf einen Roboter einzulassen. Doch erst als Tom eigenwilliger wird, Ecken und Kanten entwickelt, sich auch mal von ihr abwendet, findet sie ihn attraktiver. Das ist ein menschlicher Mechanismus, dass man etwas erst interessant findet, was man es nicht haben kann.

Gehört dieses Spiel aus Zuneigung und Abwendung zur Liebe dazu?
Bei mir ist das auf jeden Fall so, dass es beim anderen etwas Geheimnisvolles geben muss, das man nicht gleich ergründen kann. Daraus entwickelt man eine Art Jagdinstinkt und damit lässt man sich auf den anderen ein. Sich zu verlieben heißt ja auch, dass ich denjenigen auch verstehen will.

Wie gut sind Sie mit Ihrer Familie bisher durch die Pandemie gekommen?
Mit zwei kleinen Kindern ist es natürlich herausfordernd gewesen. Wenn die Kita zu ist und man neben der eigenen Arbeit noch Homeschooling hat, wissen mittlerweile alle Eltern, was das heißt. Es war nicht einfach, aber verhältnismäßig haben wir das Zuhause gut gemanagt. Aber es war schon eine echte Krise, durch die wir alle kommen mussten.

Wie haben Sie sich als Lehrerin gemacht?
Mir hat das schon Spaß gemacht, wenn alles glatt lief, weil man dadurch einen Einblick bekommen hat wie Kinder heute lernen. Jetzt, wo wieder richtige Schule stattfindet, verstehe ich viel besser, was mein Sohn macht und worum es geht. Aber man möchte gegenüber seinem eigenen Kind nicht die Position des strengen Lehrers haben.

Wie erklären Sie Ihren Kindern, womit die Eltern ihr Geld verdienen?
Sie verstehen das noch nicht so ganz, wobei der Ältere schon weiß, was Filme sind und Theater bedeutet. Sie fragen eher, warum wir oft zweimal am Tag wegmüssen, Proben und abends Vorführung, wo doch andere Eltern abends nach der Arbeit zuhause bleiben.

Sie wohnen seit vielen Jahren in der Hauptstadt. Hat sich in Berlin für Sie viel verändert?
Erstmals habe ich Berlin während meines Studiums so um 1994 bewusst wahrgenommen. Ich besuchte damals öfters eine Freundin am Zionskirchplatz, die noch mit Kohleofen heizte und kein Telefon hatte. Da war Berlin noch nicht so teuer und es gab überall diese Clubs und Bars. Das war eine Zeit, in der ich noch viel ausgegangen bin. Inzwischen geht es in Berlin vielmehr ums Geld - wie in fast allen Städten.

Vielen Dank.
08.07.2021 10:58 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/127847