«Katla»: Überzeugende Netflix-Science-Fiction aus Island

Mit «Katla» spendiert Netflix einem der kleinsten Länder auf dem Globus eine eigene Serie. Und die hat es in sich. Nicht zum ersten Mal bringt ein isländischer Vulkan die ganze Welt durcheinander.

Elf Jahre ist es mittlerweile her, dass ein isländischer Vulkan mit unaussprechlichem Namen ausbrach und wochenlang in weiten Teilen Europas und Nordamerikas den Flugverkehr lahmlegte. Seitdem ahnt man, was unter der dünn besiedelten und auf Ausländer immer irgendwie ursprünglich wirkenden Insel so brodelt. Der perfekte Stoff und Spielort für eine düstere Serie, dachte sich Netflix, und machte sich mit der achtteiligen ersten Staffel von «Katla» auf in das wohl entlegenste Land, das der Streaming-Gigant bisher mit einer Eigenproduktion bedachte.

Immerhin kann man den Vulkan, der hier ausbricht, leichter aussprechen als den Eyafjalla-wie-auch-immer. Der Katla liegt im Süden der Insel und gärt die letzten hundert Jahre eigentlich ohne große Gefahr vor sich hin. In der Welt dieser Serie spuckt er dagegen seit über einem Jahr Lava und Asche aus und begräbt seither weite Teile Islands unter einer schwarzen Schlacke. Die Gegend unmittelbar um den Vulkan ist Sperrgebiet, doch die meisten Anwohner haben sich mittlerweile mit der Naturgewalt arrangiert.

Bis plötzlich eine aschebedeckte Frau durch den wabernden Vulkandunst irrt, bevor sie von der Notfallsanitäterin Gríma (Guðrún Ýr Eyfjörð Jóhannesdóttir) aufgegriffen wird: Die Gefundene sagt, sie stamme aus Schweden und arbeite im örtlichen Hotel auf Island. Doch all das ist, wie Gríma und der Dorfpolizist bald herausfinden, über 20 Jahre her. Am Telefon stellt sich bald heraus: Die echte Hotelangestellte lebt seit langer Zeit wieder in Schweden und hat dort einen fast erwachsenen Sohn.

Und bald taucht schon die Nächste auf: Grímas Schwester, die sie und ihr Vater seit einem Jahr für tot gehalten haben, weil sie im Sperrgebiet verschollen war. Und auch die nächste aschebedeckte Figur macht sich schon bald auf den Weg, um am Ende der zweiten Folge endgültig die alles entscheidende Frage aufzuwerfen: Kommen in Island die Toten wieder?

Aber so einfach macht es sich die Serie dann doch nicht und legt die fantastische Begebenheit, die sie als Ausgangspunkt wählt, als Ansatz für eine geradezu philosophische Betrachtung zu den Themen Identität und Persönlichkeit, anstatt zielstrebig in Richtung Mystery abzudriften. Das sorgt angesichts der Vielzahl an Science-Fiction-Stoffen, mit denen Netflix in den vergangenen Jahren aufgewartet hat (jüngst auch aus deutscher Warte mit der eigentümlichen Serie «Tribes of Europa»), für frischen Wind und eine neue Farbe unter all den hochtechnologisierten Parallelwelten, die man ansonsten bei dem Streamer aus Los Gatos findet.

Und wer sich auf diese Vulkangeschichte einlässt, der lässt all diese halbgaren Spielformen nur umso entschiedener links liegen. Denn «Katla» verdeutlicht, wie zentral interessante Figuren in jeder Geschichte sind, auch in der Science-Fiction, wo es vordergründig oft nur um Ideen einer anderen Welt geht. Diesem isländischen Format gelingt es, nicht nur die Frage nach einem „Was wäre wenn?“ zu stellen, sondern seine Zuschauer auch emotional an sich zu binden, woran auch die durchgehend überzeugenden Darsteller einen entscheidenden Anteil haben. Denn auch wenn man gespannt auf die Auflösung wartet, ist sie doch nicht der absolute Dreh- und Angelpunkt – und dank eines Cliffhangers darf dieser Vulkan auch gerne noch ein wenig weiterbrodeln.

Die Serie «Katla» ist auf Netflix zu sehen.
20.06.2021 11:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/127552