«Liseys Story»: Stephen Kings Serien-Coup?

Mit Julianne Moore in der Hauptrolle hat AppleTV+ ein berühmtes Buch von Stephen King in Form einer Miniserie verfilmt. Der Großmeister hat auch noch gleich die Drehbücher geschrieben.

Stab

Darsteller: Julianne Moore, Clive Owen, Joan Allen, Dane DeHaan, Sung Kang, Jennifer Jason Leigh
Geschrieben von: Stephen King
Regie: Pablo Larraín
Seit dem gewaltsamen Tod des Schriftstellers Scott Landon (Clive Owen) ist mittlerweile ein Jahr vergangen. Trotzdem macht sich seine verwitwete Ehefrau Lisey (Julianne Moore), deren Geschichte mit dieser Miniserie erzählt werden soll, erst jetzt so langsam an das Zurechtrücken des konfusen Wusts aus unvollendeten Manuskriptseiten und verschnippelten Zeitschriftenkommentaren. Ein paar Akademiker machen ihr Druck, weil sie endlich an die literarischen Schätze dieses großen Autors ran wollen – doch das ist nicht der Hauptgrund, warum Lisey schon in den allerersten Szenen ihrer Geschichte so völlig durch den Wind wirkt.

Aber nicht nur die Titelfigur hat hier mit Dämonen zu kämpfen – klar, die literarische Vorlage stammt ja von Stephen King – sondern auch ihre Schwester, die sich beim Gedanken an einen unguten Partner mit den Scherben einer Teetasse die Hände blutig schneidet und anschließend stundenlang nicht mehr ansprechbar, ins Nichts starrend dasitzt, dass einem schon an dieser Stelle ein kalter Schauer über den Rücken huscht.

Doch die schlimmsten Dämonen scheinen in Liseys verstorbenem Ehemann Scott gewütet zu haben – und in einem ominösen Mann, dessen Leben Scotts Bücher nach eigenen Angaben von Grund auf verändert haben. Und so, wie dieser Mann aussieht und spricht, nämlich in finsteren, gruseligen Andeutungen, ist das eher als Satz zu verstehen, den kein Autor jemals hören möchte, erst recht nicht, wenn sein Werk hauptsächlich durch seine eindringliche Beschreibung menschlichen Grauens von sich reden machte.

Eine Story mit idealen Voraussetzungen für eine gelungene Serie: Frauen mit streng gehüteten, dunklen Geheimnissen, Männer mit mörderischer Raserei in der Seele, und dann sorgt noch der herbstliche Nebel für die perfekte Atmosphäre, während ein beängstigender Mann um das rot gestrichene amerikanische Bauernhaus herumläuft.

Doch leider driften sowohl die serielle Verfilmung als auch der ihr zugrunde liegende Stoff schnell in ganz andere Gefilde ab und irrlichtern von einer spannenden, eindrucksvollen psychologischen Dichte hin zu einem mystischen Einheitsbrei, wo Monster aus verschiedenen Welten einander jagen und zerfleischen. Das macht nicht nur die Geschichte ziemlich verworren, sondern verwässert gleichzeitig das, was sie im Kern eigentlich ausmachen gesollte, gerade wenn man wie Stephen King hier Figuren dieses Kalibers erfindet: Denn die Auseinandersetzung mit der manischen Besessenheit, um die es hier immer wieder gehen wird, und die griffig geschriebenen psychologischen Probleme der Charaktere hätten viel spannendere Betrachtungen offenbart.

Auch inszenatorisch bleibt die Miniserie von AppleTV+ leider unter ihren Möglichkeiten und konzentriert sich bald nicht mehr so sehr auf die gruselige „alltägliche“ Atmosphäre, in der das erste Drittel ihres Stoffes angelegt ist, sondern stellt bald ein ziemlich austauschbar wirkendes Sammelsurium aus außerweltlichen Motiven vor, die so auch in viel beliebigeren Formaten vorherrschen. Von Kreativen wie Julianne Moore und vor allem Stephen King hätte man sich leider viel mehr erhofft.

Die Miniserie «Liseys Story» ist bei AppleTV+ zu sehen.
03.06.2021 11:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/127220