«Nobody» – Unterhaltsame Action alter Schule

Ein Auftragskiller mit „ganz besonderen Fähigkeiten“. Was aus Filmen wie «Taken» oder «John Wick» allzu bekannt erscheint, kann dank nostalgischer 80er Jahre Vibes trotzdem äußerst gut unterhalten.

Mit einem Budget von gerade einmal 16 Mio. USD und dem eher aus Serien bekannten Charakterdarsteller Bob Odenkirk («Breaking Bad», «Better Call Saul») in der Hauptrolle als gealterter CIA Auftragskiller dürfte «Nobody» auf dem Papier zunächst nicht gerade zuversichtlich gewirkt haben, wäre da unter der Liste der Produzenten nicht ein gewisser David Leitch («John Wick») aufgeführt worden. Dass der noch eher unbekannte Regisseur Ilja Naischuller für seinen Film «Nobody» tatkräftig mit dem ehemaligen Stuntman und Fachmann für knallharte Actionszenen David Leitch zusammengearbeitet hat, dürfte spätestens mit der ersten Prügelei deutlich werden, die genauso wie die darauffolgenden Schießereien ohne Zweifel seine Handschrift trägt.

«Nobody» erzählt dabei eine Geschichte die generischer kaum sein könnte und in leicht abgewandelter Form schon unzählige Male erzählt wurde. Ein gealterter, ehemaliger CIA-Auftragskiller lebt ein einfaches, zurückgezogenes Leben mit seiner Familie, bis durch recht konstruierte Umstände sein „Ruhemodus“ gestört wird und ein russisches Kartell in seine Schusslinie kommt. Prinzipiell könnte man der Geschichte das Bierdeckelprädikat verleihen und den Film in die schon x-mal gesehen Schublade einordnen, würde das, was Naischuller und Leitch hier auf die Leinwand zaubern, nicht so hervorragend funktionieren. Das bisherige Einspielergebnis des Films, welches das Budget bereits mehr als verdoppelt hat, trotz weltweit vielerorts geschlossener Kinos und gleichzeitiger VOD Verfügbarkeit, dürfte ein erster Indikator dafür sein, dass Nobody seinem großen Vorbild «John Wick» nacheifert, der seinerzeit ebenfalls mit geringem Budget zum Kassenschlager avancierte.

Für den Erfolg des Films sprechen insbesondere zwei Gründe. Einerseits orientiert sich Nobody nicht am eher modernen Actionfilm, sondern sucht seine Einflüsse in den 1980er Jahren, in denen harte und für ein erwachsenes Publikum konzipierte Actionblockbuster, mit etwa Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone in den Hauptrollen, die Kinokassen quasi durchgängig dominierten. Hierfür spricht schon die knackige Lauflänge von 90 Minuten, seinerzeit ein gewisser Standard, der heute gerne um ein Vielfaches überschritten wird. Nobody legt allerdings keinerlei Wert darauf besonders viel Hintergrundwissen zu vermitteln und den Zuschauer in langwierige Dialoge zu verstricken und setzt stattdessen nach einer ruhigen 10-15 minütigen Warmlaufphase auf 75 Minuten pure Action, die mit dezent gespickten humorigen One-Linern etwas aufgelockert wird. Selbst die Tatsache, dass sich nicht nur stilistisch, sondern mit den bösen Russen als Feindbild auch inhaltlich am 80er Jahre Vorbild bedient wird, kann den Unterhaltungswert eines Films, der es schafft, einen Actionliebhaber alter Schule für die gesamte Laufzeit mit einem leichten Dauergrinsen im Gesicht vor den Bildschirm zu fesseln, ohne, dass Ablenkungsgegenstände wie Smartphone oder Chipstüte in den Sinn kommen, nicht schmälern. Überraschungsgäste wie ein 82-jähriger Christopher Lloyd, der den Sohnemann mit Schrotflinte in der Hand kurzzeitig, aber tatkräftig unterstützt, können dieses Grinsen nur noch verstärken.

Modern ist hingegen die Vorgehensweise von Leitch, wie schon bei «John Wick» mit Keanu Reeves auf eher schlaksige, untypische Actionhelden zu setzen, im Kontrast zu den testosterongeladenen Pendanten der 80er Jahre und von Anfang bis Ende viel Wert auf eine durchdachte Choreografie samt hervorragender „unsichtbarer“ Stuntdoubles zu legen. Während seinerzeit die Gegner mit purer Muskelkraft und extra großen Schießeisen bezwungen wurden, gleicht das hiergezeigte abermals einer bis ins kleinste Detail durchdachten Ballettvorführung, jeder Schlag und jeder Schuss haben ein intendiertes Ziel. Der Realismusgrad mag durch die Tatsache, dass Gegner nicht mehr breitflächig mit großen Pumpguns, sondern mit mehr Finesse und Zielgenauigkeit ausgeschaltet werden zwar nicht steigen, denn es als Ein-Mann-Armee mit einem Russenkartell aufzunehmen war damals, genauso wie heute mehr übertriebene Männerfantasie als realistisches Szenario. Trotzdem bietet die von Leitch etablierte Vorgehensweise einen hohen Unterhaltungswert und ermöglicht es heute auch eher untypischen Charakteren als Actionstars zu brillieren, die im Falle von Bob Odenkirk trotz drehbuchbedingt eingeschränkter Möglichkeiten zusätzlich noch schauspielerisch überzeugen können.



Als für sich stehender Film hat «Nobody» viele Schwächen, insbesondere die Erzählebene betreffend, in seinem Genre als harter Actionblockbuster ist er allerdings fast durchgehend unterhaltend und dürfte bei Fans dieser Art des klassischen Actionfilms für fesselnde 90 Minuten auf der Couch und hoffentlich bald auch im Kinosessel sorgen.

«Nobody» ist seit 1. Juli 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.
02.05.2021 10:00 Uhr  •  Marc Schneider Kurz-URL: qmde.de/126562