93. Academy Awards: Soderberghs Wandlung

Der legendäre Filmproduzent Steven Soderbergh hat die Oscars verändert. Jedoch sanken die amerikanischen Quoten weiter. Man muss aber nicht den Kopf in den Sand stecken, findet Fabian Riedner.

Mit der Verleihung der 93. Academy Awards wurde das Filmjahr 2020 endgültig abgeschlossen. Die Fernsehzuschauer bekamen eine deutlich reduzierte Show zu sehen. Statt im riesigen Dolby Theatre zu feiern, versammelten sich die Nominierten des diesjährigen Preises in einer umgebauten Union Station. Steven Gätjen, der für ProSieben vor Ort war, bezeichnete die Stimmung als gespenstisch. Nur etwa 200 Prominente liefen über den roten Teppich, der gespenstig leer wirkte. Natürlich wurden auch die mehreren hundert Fans nicht zugelassen, die sonst für Stimmung sorgten. Bereits bei der Vorberichterstattung wurde klar, dass die Oscar-Verleihung komplett anders wird.

Die Verantwortlichen setzten sich mit dem ausführenden Produzent Steven Soderbergh zusammen, der erfolgreiche Filmemacher sollte mit seiner Crew eine schöne Veranstaltung herstellen. Die Eröffnung mit Regina King, die mit einem Oscar vom Union Station-Innenhof durch das spanische Kolonialstil-Gebäude mit Art-déco-Elementen lief, sah wirklich beeindruckend aus, hier kann das Dolby Theatre nicht mithalten. Allerdings fehlte zum dritten Mal ein Moderator, der die Gesamtleitung übernahm und Akzente setzte.

Die Reihenfolge der Preise wurden verändert, es fehlten Einspielfilme mit Ausnahme bei drei Kategorien und statt einer Band war «Tonight Show»-Musikdirektor Questlove als DJ vor Ort. Spätestens bei der Widmung der Verstorbenen zog das Tempo noch ein weiteres Mal an, es wurde zeitweise unmöglich die Namen der zahlreichen Filmschaffenden zu lesen. Das Zeitlimit bei den Dankesreden wurde in diesem Jahr aufgehoben, stattdessen sollten die Gewinner emotionale Geschichten erzählen.

Die Wandlung des Preises
Doch woher soll eine emotionale Bindung kommen? Schon die Nominierungen in diesem Jahr offenbarten, dass sich die Academy Awards immer weiter von einem Blockbuster- zum Autorenfilm-Preis entwickeln. Die Qualität der Filme ist weiterhin stark, aber mit «Titanic» fieberten mehr Menschen mit als mit einem Streifen namens «Nomadland», in dem Wanderarbeiter im Zentrum stehen. Der letzte große Blockbuster, der als „bester Film“ ausgezeichnet wurde, war 2010 der Film «The Hurt Locker». «Argo», «12 Years a Slave», «Birdman», «Parasite» und die zahlreichen anderen Spielfilme sind keine Gute-Laune-Filme, wie die frühere Auswahl zeigte. Würde «Forrest Gump» tatsächlich noch mal als bester Film ausgezeichnet werden? Die amerikanische Filmakademie muss sich entscheiden, wohin sie möchte. Beispielsweise fördern der Europäische Filmpreis und der Deutsche Filmpreis wundervolle Werke, aber Fernsehkracher sind das nicht gerade.

Das verkorkste Filmjahr
Die Schuld auf die von Steven Soderbergh völlig umgeplante Show zu schieben, ist allerdings ebenfalls nicht richtig. Durch die Corona-Pandemie wurden zahlreiche Kinostarts verschoben. Die Filmauswahl ist nicht gerade groß geworden. In der Hauptkategorie „Best Picture“ wurden in diesem Jahr gleich drei Produktionen von Netflix und Amazon nominiert. Würde man auf die Streamingdienste noch immer keine Rücksicht nehmen, wäre das Bild noch armseliger. Als einzig großer Blockbuster ging nur «Tenet» in die Kinos (Mit Ausnahme von «Wonder Woman 1984»), der mit den besten visuellen Effekten abgespeist wurde. Hoffentlich schlagen die Corona-Impfungen an, dass schon bald wieder mehrere Werke in den Lichtspielhäusern zu sehen sein werden.

Zuschauerwandel
Das Marktforschungsunternehmen Nielsen hat nur 9,85 Millionen Fernsehzuschauer ab zwei Jahren ermitteln können. Damit hat man rund 13,75 Millionen Zuschauer gegenüber dem Vorjahr verloren. Ein Grund der niedrigen Einschaltquoten ist die spätere Ausstrahlungszeit, da das Wetter in vielen Landesteilen im Februar deutlich kühler ist. Doch auch andere Award-Shows haben zahlreiche Zuschauer verloren. Hinzu kommt, dass die 93. Academy Awards ebenfalls nicht mit der Starquote punkten konnte, wie es sonst der Fall ist. Glamour ist für so ein Event eben wichtig. Dennoch sinken die Reichweiten in den Vereinigten Staaten von Amerika kontinuierlich. Das liegt auch zum großen Teil daran, dass mit den Streamingdiensten Peacock, Netflix, Amazon, Disney+, HBO Max und Discovery+ gleich mehrere Wettbewerber entstanden sind, die Aufmerksamkeit fressen. Jüngst teilte WarnerMedia mit, dass die Zuschauer bei HBO Max nach weniger als einem Jahr nach dem Start täglich zwei Stunden auf der Plattform verbringen. Kabel- oder Satellitenfernsehen war in den USA sehr teuer, die Streamingdienste sind vergleichsweise günstig. Ein Kunde, der sich von seinem HBO trennt und stattdessen HBO Max abonniert, benötigt keinen Kabelanschluss mehr und spart sich rund 100 US-Dollar pro Monat.

Fazit: Die Wandlung zum Autorenkino macht der amerikanischen Filmakademie zu schaffen. Allerdings gab es – erstmals seit vielen Jahren – keine Rassismusvorwürfe. People of Colour, Asiaten und zahlreiche Frauen standen im Mittelpunkt. Vielleicht ist das eine Chance, aus einem US-Preis einen internationalen Filmpreis zu wandeln.
27.04.2021 08:29 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/126433