«Promis unter Palmen»: Versagen auf ganz hoher Ebene

Schon im vergangenen Jahr schlug die Reality-Show hohe Wellen. Sat.1-Chef Kaspar Pflüger muss kollektives Wegschauen verantworten. Ein Kommentar von Fabian Riedner und Veit-Luca Roth.

Am Montagabend war es soweit: Die zweite Staffel von «Promis unter Palmen» ging auf Sendung. Die Produktion von Endemol Shine Germany wurde vor knapp zwei Monaten im herrlichen Thailand gedreht und sollte erneut die Einschaltquoten von Sat.1 steigen lassen. Schon im vergangenen Jahr holte Sat.1 mitten in der Pandemie fantastische Werte. Doch Mobbing gegen Kandidatin Claudia Obert, die dazu noch massiven Alkoholkonsum an den Tag legte, ließ die Produktionsfirma nichts unternehmen. Nachdem Bastian Yotta nach der Show im Internet Frauen verunglimpfte, lud man ihn aus der Wiedersehens-Episode aus. Und man wolle nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.

«Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare» trieb es im vergangenen Sommer noch weiter auf die Spitze. Georgina Fleurs damaliger Verlobter Kubilay Özdemir trank trotz Alkoholproblems vor laufender Kamera Alkohol, sodass es fast zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam. Özdemir spuckte einem anderen Teilnehmer ins Gesicht. Für RTL ging die Sache glimpflich aus: 2,51 Millionen Zuschauer verfolgten die Auftaktsendung am 9. September, Fleur und Özdemir zogen danach freiwillig aus.

Während Seapoint den beiden Reality-Stars den Auszug nahe legte, passierte bei «Promis unter Palmen» nichts. Ein angetrunkener Marcus Prinz von Anhalt beleidigte Dragqueen Katy Bähm auf übelste Weise aufgrund dessen sexueller Neigung. Am nächsten Morgen wirkte die Entschuldigung wie von einem Kleinkind, das von seinen Eltern dazu ermutigt wurde. Auch Patricia Blanco wurde schon früh in der Sendung wegen ihrer Erscheinung grob beleidigt. Eine Entschuldigung darüber blieb aus, vielmehr lachte der vorbestrafte Adoptiv-Prinz ihr nach seinem Spruch noch dreist ins Gesicht. Während die Aussagen gegen Bähm in einem stark alkoholisierten Zustand fielen, der keineswegs als Entschuldigung dienen darf, verdeutlichen die noch einigermaßen nüchtern formulierten Beleidigungen gegen Blanco den Charakter des verurteilten Menschenhändlers. Er wollte nichts als Krawall stiften und dabei ist ihm jedes Mittel recht gewesen. Dass Sat.1 ihm diese Bühne gibt, gibt das Format her. Dass dieses Bühnenschauspiel dann allerdings noch den Weg in die Öffentlichkeit findet, ist nicht zu entschuldigen. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um die erste Ausgabe der zweiten Staffel. Ein Herausschneiden hätte keinerlei dramaturgische Folgen gehabt, da ohnehin noch nichts geschehen war. Vielmehr wäre ein öffentliches Kommunizieren des Vorfalls ein klares Zeichen gegen Homophobie und für Offenheit in der Gesellschaft gewesen. Die Distanzierung des Senders während der Sendung bei Twitter erscheint allenfalls so halbherzig wie die Entschuldigung von Marcus Prinz von Anhalt.

Am Dienstag nahm man «Promis unter Palmen» zur Überarbeitung vom hauseigenen Streamingdienst Joyn. Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form diese Folge jemals den Weg ins Netz finden wird. Bei RTL gab es mit Michael Wendler als «DSDS»-Juror einen ähnlichen Fall. Der Sender distanzierte sich ebenfalls von einem seiner Protagonisten, nachdem dieser zum Verschwörungstheoretiker geworden war. Die Zensur in den Folgen verlief unglücklich, da sie ein Stück weit Aufmerksamkeit auf das Fehlen Wendlers lenkte. Von einem Statement zu Sendungsbeginn fehlte dennoch jede Spur. Sat.1 hat nun die Chance dies besser zu machen, schließlich ist von Anhalt bei «Promis unter Palmen» ausgeschieden und wird somit nicht zensiert werden müssen. Ein Statement für Offenheit und Vielfalt wäre dennoch wünschenswert. Doch die jüngere Vergangenheit zeigt, dass dies nicht die Paradedisziplin von Sat.1 ist.

Wir erinnern uns an Januar 2020 als Sat.1 ganz zufällig zwei Tage vor dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz damit begann, Trailer für das neue Sterne-System von «Big Brother» zu zeigen („Entscheide du, wer einen Stern verdient“). Entweder arbeiten im Hause Sat.1 Menschen, die das Pech haben, in sämtliche Fettnäpfchen zu treten, oder der Skandal war gewollt. Bei einer Produktion von «Promis unter Palmen» sind rund 100 Mitarbeiter involviert und wirklich niemand lässt Sat.1-Chef Kaspar Pflüger über die entsprechende Stelle schauen? Kollektives wegschauen bei Sat.1? Hauptsache die Quote fetzt? Die Verantwortlichen bei Sat.1 können keinem etwas vormachen: Es war ihnen klar, dass die Fachpresse die Staffelpremiere schauen und darüber schreiben wird. Entsprechend wird mit der Überarbeitung des Formats auch nur suggeriert: Schaut die Folgen live an, wir könnten die ja überarbeiten müssen.

Wenigstens hat der Sender nun einen neuen Slogan:

Sat.1: Besser wird’s nicht mehr.

Ach ja: Am Dienstag habe man bei Sat.1 festgestellt, nicht mehr mit von Anhalt zusammenarbeiten zu wollen.
14.04.2021 09:43 Uhr  •  Fabian Riedner, Veit-Luca Roth Kurz-URL: qmde.de/126164