Ein Gefangenentransport auf einer Landstraße im Nirgendwo. Draußen herrschen eisige Temperaturen. Und dann ist da ein Angreifer, der den Transport lahmlegt und klare Forderungen stellt. Wird ihm nicht ein bestimmter Häftling ausgeliefert, wird niemand diesen Transport lebend verlassen.
«Bajocero» ist ein feiner, kleiner Actionthriller aus Spanien, der über weite Strecken hinweg von der klaustrophobischen Enge lebt, in der sich die Hauptfiguren bewegen müssen. An sich wirkt dieser Ort sicher. Er hat Stahlwände, er verfügt über Notstrom und zumindest Martin hat auch eine Waffe. Aber diese Sicherheit ist trügerisch. Das beweist nicht nur der Flammentod eines Gefangenen. Es ist also durchaus möglich, von Außen in den Wagen einzudringen. Was, wenn der Angreifer Gas einsetzt? Und dann sind da natürlich die Sträflinge. Warum sollten sie dem Mann draußen nicht – auf ihre Weise – glauben, dass er sie abziehen lässt, wenn sie die Türen öffnen? Warum nicht den vorgeschlagenen Deal annehmen: Einen von ihnen ausliefern – für die eigene Freiheit? Andererseits gibt es aber auch einen Sträfling wie Ramis, der selbst an einem Ausbruchsplan getüftelt hat und eigentlich über das Geschehen entzückt sein müsste – der aber sehr wohl Bedenken gegenüber dem vermeintlichen Wohltäter hegt. Abgesehen davon, dass der Sträfling, nach dem es den Unbekannten verlangt, kein Interesse hat, die sichere Zelle zu verlassen.
Die Inszenierung erlaubt sich keinen Stillstand. Zwar erreicht «Bajocero» nie eine inszenatorische Dichte wie John Carpenters Meisterstück «Assault on Precinct 13» aus dem Jahr 1976, an dem sich Regisseur Lluís Quílez immer wieder orientiert; dafür aber gelingt es ihm erstaunlich gut, auf diesem kleinen Raum Tempo zu inszenieren. Mögen die Räder des Gefangentransportes stillstehen, gilt dies für die Handlung keinesfalls. Überhaupt spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle, denn zufällig hat der unbekannte Angreifer diesen Ort für seine Attacke nicht ausgewählt: Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt gelegen – steckt der Transport in einem Funkloch fest. Auf der einen Seite gibt dies dem Unbekannten Zeit, die Männer im Transport unter Druck zu setzen. Auf der anderen Seite steht er selbst unter Druck, denn sein Zeitfenster schmilzt dahin.
Ob, wie in diesem Fall, ein Netfli-Original – oder von Netflix für den internationalen Markt exklusiv eingekaufte Produktionen, die Liaison zwischen Netflix und dem spanischen Kino trägt ihre Früchte. Ob ein Horrorfilm wie «Voces», eine dystopische Extravaganz wie «Der Schacht», der Zeitreisethriller «Parallelwelten» und natürlich Serien wie «Haus des Geldes», «Élite» und der Überraschungshit «Deine letzte Stunde»: Es ist offensichtlich, dass man im Hause Netflix Gefallen an Produktionen von der Iberischen Halbinsel gefunden hat. «Bajocero» kann sich zwar nicht ganz in diese Liste einreihen, dafür ist er einen Tick zu klein und zum Ende hin auch vorhersehbar, an seinem Unterhaltungswert aber ändert diese Kritik nichts.