Serientäter: «The Walking Dead: World Beyond»

Iris und Hope sind in einer Welt voller Zombies aufgewachsen. Zehn Jahre sind seit dem Tag vergangen, an dem sich die Untoten über die Lebenden hergemacht haben. Zehn Jahre, in denen die Apokalypse zur Normalität geworden ist. Die dritte Serie aus dem «The Walking Dead»-Universum kann mit einer interessanten Prämisse aufwarten. Aber reicht das?

Stab

SHOWRUNNER: Scott M. Gimple, Matthew Negrete
REGIE: Magnus Martens, Michael Cudlitz und andere
PRODUZENTEN: Amy Barnes, Sinead Daly, Jonathan Starch
MUSIK: The Newton Brothers
KAMERA: Matt Garrett, Ross Riege
SCHNITT: Maria Gonzales, Shaheed Qaasim, Jim Towne, Sue Blainey
DARSTELLER: Aliyah Royale, Alexa Mansour, Hal Cumpston, Nicolas Cantu, Nico Tortorella, Annet Manhendru, Julia Ormond, Ted Sutherland
Wer nach Besprechungen zur dritten «The Walking Dead»-Serie Ausschau hält, findet nicht selten Schmähungen statt ausführliche Rezensionen. Der Kritiker von CNN etwa ließ sich zu der Aussagen hinreißen, «The Walking Dead: World Beyond» wirke wie die Disney-Channel-Version einer Zombieserie – nur ohne Songs. Da hat zweifelsohne jemand aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und seine Enttäuschung in drastische Worte gefasst. Wirklich positive Besprechungen sind tatsächlich nur wenige zu finden. Thematisiert wird in Besprechungen immer wieder die Jugend der Protagonisten. Ist «The Walking Dead: World Beyond» tatsächlich so etwas wie die Teenie-Version von «The Walking Dead»? Ja und nein. Ja, die Hauptfiguren sind größtenteils noch nicht oder gerade erst volljährig. Aber das macht die Serie keinesfalls zu einer Produktion, die auch im Familienstream von Disney+ zu sehen sein könnte. Tatsächlich ist die Ausgangssituation der Serie nicht zu bemängeln.

Zehn Jahre nach den Geschehnissen der ersten Staffel der Mutterserie «The Walking Dead» hat sich rund um eine Uni in Nebraska eine kleine, idyllische Stadt entwickelt. Die Gefahr vermodert im wahrsten Sinne vor den Toren der Gemeinde. Die Schwestern Iris und Hope sind in dieser Welt aufgewachsen, sie haben das Wachsen der Stadt erlebt und mit ihr die Rückkehr zur Normalität. Oder sollte man sagen: Zur Rückkehr einer neuen Normalität im Schatten einer globalen Krise? Tatsächlich hat ihre Stadt mit der Welt der Mutterserie, die ausschließlich von psychotischen Baseballschlägerfetischisten bewohnt wird (für die die Apokalypse im Grunde die Erfüllung ihrer geheimsten und sinnlichsten Träume darstellt), wenig zu tun. Hier hat die Zivilisation vielmehr eine zweite Chance erhalten und im Grunde genommen ist ihre kleine Welt sogar ein Ideal. Man begegnet in ihrer Stadt einander respektvoll, Wissenschaft und Forschung genießen in diesem aus einem universitären Umfeld entstandenen Gemeinwesen höchsten Respekt. Die Gefahr selbst wird vor der Tür gehalten. Als Schwestern allerdings agieren Iris und Hope in dieser Welt äußerst unterschiedlich. Iris ist eine herausragende Schülerin und geborene Politikerin. Immer um Ausgleich bemüht ist sie redegewandt und smart. Sie ist eine junge Frau, die Menschen zusammenführt, die das Ideal der Gemeinde aufgesogen hat, der eine große Zukunft bevorsteht. Sie ist eine Anführerin. Auf der anderen Seite steht Hope und hasst die Welt. Warum?

Weil sie ein Teenager ist und die Welt hasst. Punkt! Das ist übrigens nicht zu kritisieren, sondern wird durchaus plausibel erklärt. Ihre Mutter ist tot, daher hat ihr Vater sie alleine erzogen. Aber dann ist der Vater, ein Wissenschaftler, dem Ruf der CMR gefolgt, um mit seinem Wissen dabei zu helfen, das kleine globale Zombieproblem in den Griff zu bekommen. Jedoch darf mit niemanden über seine Arbeit oder seinen Aufenthaltsort sprechen. Auch mit seinen Töchtern nicht. Er ist fort und Iris und Hope sind allein. Während Iris die Entscheidung des Vaters akzeptiert, fühlt sich Hope von ihm verlassen. Ergo – kann ihr, der Teenagerin – diese Welt gestohlen bleiben. Im Besonderen die CMR, die durch ihr Auftreten in ihren Augen wenig Respekt genießt.

Die CMR ist eine militärische Republik, die (offenbar) von ehemaligen Militärmitgliedern geführt wird, welche die Apokalypse überlebt haben. Die CMR verfügt über Waffen, Hubschrauber, Kommunikationstechnologie. Nach dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung ist es den nunmehr in der CMR organisierten Militärs gelungen, eine Republik zu gründen, die nach dem militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam funktioniert. Allerdings ist dieses Prinzip auf ihre Republik beschränkt. Iris und Hopes Stadt etwa steht unter ihrem Schutz, ohne, dass die CMR dafür etwas verlangen würde. Die CMR tritt eher als ein Beschützer auf, der die Reste der Zivilisation bewahren will. Auch Iris und Hopes Vater wurde nicht zum Dienst verpflichtet, sondern um seine Dienste gebeten. Das ist zumindest die offizielle Version. Wenn die Zusammenarbeit jedoch auf Freiwilligkeit beruht, warum darf ihr Vater dann nicht mit ihnen Kontakt aufnehmen und warum überwacht die CMR akribisch die digitalen Kommunikationswege? Selbst Iris, die nach außen hin die Arbeit der CMR vollumfänglich unterstützt – vertraut diesen Militärs nicht hundertprozentig und versteckt in einem Schrank einen alten Fernschreiber – sprich: eine nicht-digitale Kommunikationstechnologie. Eines Tages erhält sie über dieses Relikt tatsächlich eine Nachricht von ihrem Vater. Und seine Nachricht ist ein Hilferuf.

Die Ausgangssituation ist interessant und reizvoll. «TheWalking Dead: World Beyond» ist kein billiger Abklatsch der Originalserie, sondern erschafft ihre eigene Spielwelt innerhalb des Serienkosmos. Da ist die Stadt rund um die Uni, die ein Stück Normalität zurückgewonnen hat. Wo, wenn nicht in einem solchen Umfeld, leben Menschen, die die Fähigkeiten besitzen eine Zivilisation am Leben zu erhalten? Ingenieure, Chemiker, Biologen, Architekten? Und auch die CMR ist ein durchaus logisches Konstruktum: Die waffenvernarrteste Armee der Welt soll durch eine Zombieapokalypse aufgelöst worden sein? Sicher, sie hat Verluste erlitten, aber auch sie verfügt über Fähigkeiten, die in einer solchen Welt nicht ganz unwichtig sind, um zu überleben.

Und dann sind da Hope und Iris, für die diese Welt eine Normalität darstellt.
Das ist alles an sich ziemlich gut durchdacht.
Warum also die vernichtenden Kritiken?

Nun, nach dem Eingang der Fernschreibermeldung begeben sich Iris und Hope zusammen mit Freunden auf die Suche nach dem Vater. Sie wissen, dass sich das wissenschaftliche Zentrum der CMR irgendwo im Großraum New York befinden muss. Dass sie dabei recht blauäugig losziehen, ist eigentlich verzeihlich. Zum einen sind sie jung und junge Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten manchmal. Zum anderen haben sie gelernt, dass es dort draußen nicht mehr allzu viele Zombies gibt. Nach zehn Jahren sind die Untoten ausgemergelt. So ist ihr Aufbruch ebenso verzeihlich wie die Katastrophe, die sie durch ihren Ausbruch auslösen. Denn das, was in dem Moment passiert, indem sie die CMR hinterfragen, damit können sie nun wirklich nicht rechnen. Ja, sie sind Auslöser einer Tragödie, von der sie gar nicht mitbekommen, dass sie diese auslösen. Aber an der Tragödie tragen sie keine Schuld. Denn nicht sie haben Geheimnisse, die sie vor der Welt verbergen. Das ist die CMR. Bis zu diesem Punkt der Geschichte – bis zum Ende der ersten Episode – gibt es schlicht nichts an der Serie auszusetzen. Die Serie baut ihren eigenen Kosmos auf, sie führt sämtliche für die Handlung wichtigen Charaktere ein, sie endet mit einer ganz großen Tragödie. Warum also, zum xten mal gefragt, die schlechten Besprechungen?

Weil mit Episode zwei eine derart dröhnende Langeweile beginnt, dass selbst die deutsche Sprache an ihre Grenzen gelangt, wenn es darum geht, diese Art der Langeweile zu definieren. Jugendliche wandern durch eine postapokalyptische Welt und reden. Und reden. Und reden... Ohne die vielen Worte und Sätze gezählt zu haben, erscheinen selbst Shakespeares wortreiche Königstragödien irgendwann im Vergleich wie Anleitungen zum stummen Pantomimespiel. Es passiert nichts. Nichts. Gar nichts. Ja, hin und wieder taucht mal ein verirrter Zombie auf, der sich offenbar zehn Jahre von Eichhörnchen ernährt hat, aber ansonsten ist das Spannungskonzept dieser Serie tot wie ein Zombie mit frischem Kopfschuss. Ja, tatsächlich versucht die Handlung Spannung durch Rückblicke zu erzeugen. Wer sind die Protagonisten eigentlich, welche Schicksale haben sie erlitten und wie hängen diese möglicherweise zusammen? Ja, ja, das ist ja alles schön und gut und natürlich hat in dieser Welt jeder Mensch seine ganz persönliche, traurige Geschichte zu erzählen. Nur interessiert das alles nicht, denn da ist die Tragödie, die die Mädchen durch ihren Aufbruch auslösen und die so groß ist, dass allein ihre Hintergründe interessieren. Was ist die CMR wirklich? Welche Ziele verfolgt sie? Warum verheimlicht sie ihre Forschungen?



Gut, hier und da werden diese Fragen mal angesprochen, doch dann: Sind die Protagonisten auch schon wieder auf der Straße ins Nirgendwo unterwegs.

Fazit:Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man die Serie entnervt abbricht. In den USA sahen die erste Episode 1,6 Millionen Zuschauer auf den Frequenzen des Senders AMC, die zehnte und letzte Episoden verfolgten noch etwa 620.000 Zuschauer. Bei solch einem Einbruch ist es eine Überraschung, dass es Ende 2021 eine zweite Staffel geben wird. Ob in dieser Staffel dann auch einmal etwas passieren wird, ist noch nicht bekannt.

«The Walking Dead: World Beyond» ist bei Amazon streambar.
04.04.2021 11:48 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/125814