Öffentlich-Rechtliche: Union-Papier soll Veränderungen aufhalten

Laut eines Papiers der Mittelstandsvereinigung sollen ARD und ZDF radikal reformiert werden. Doch mit dieser Idee verschafft man den Sendern nur unnötige Zeit – weil die Vorschläge mit ihrer Radikalität nie funktionieren werden. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Die ARD, das ZDF und Deutschlandradio bekommen derzeit 17,50 Euro von allen Bundesbürgern pro Monat. Dieser Beitrag ist vielen Menschen ein Dorn im Auge, denn es wird ein viel zu teures und breites Programm abgebildet. Die Kommission der bekannten Mittelstandsvereinigung der Union (MIT) hat der überregionalen Tageszeitung ‚Welt‘ ein Konzeptpapier vorab gegeben, das die Zeitung auch prominent platzierte.

Die Worte der Mittelstandsvereinigung, in der Carsten Linnemann die Führung hat, sind revolutionär. Erneut wurde der Vorschlag unterbreitet, dass ARD und ZDF in einer neuen Rundfunkanstalt aufgehen. Auch andere Ideen hören sich für das viel zu überfrachtete Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender prima an: „Die zahlreichen linearen TV-Vollprogramme sollen auf wenige Kanäle konzentriert werden. Auch die Radiosender müssen auf den Kernauftrag reduziert werden, sodass von den derzeit 74 Radiosendern ein signifikanter Teil entfallen muss“, heißt es in dem Papier.

Der Rundfunkbeitrag soll künftig von allen Menschen bezahlt werden, aber juristische Personen entfallen künftig. Im Sieben-Jahres-Zyklus soll zudem die Höhe des Beitrags neu gemessen werden, allerdings soll dieser durch die Konzentration auf Nachrichten und Dokumentationen und den Verzicht auf teure Sportrechte deutlich sinken. Die Mitglieder der Mittelstandsvereinigung der CDU sind sich sicher, dass die Olympischen Spiele oder große Fußball-Turniere bei den privaten Sendern besser aufgehoben sind.

Diese Ideen der Mittelstandsvereinigung sind tatsächlich revolutionär – aber schießen über das Ziel hinaus. Das ist eben auch der Punkt: Sie sollen erneut über das Ziel schießen, um Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks möglichst weit hinauszuzögern. Die Ideen sind Weiterentwickelungen von bisherigen Vorschlägen, die weitaus kleiner gedacht waren. Aber zu einer vollständigen Auflösung von ARD und ZDF und die Gründung einer neuen öffentlich-rechtlichen Anstalt wird es nicht kommen. Die Pläne sind utopisch.

Stattdessen lenkt dieses Papier von den derzeitigen Problemen von ARD und ZDF ab. In der Corona-Krise gehen die Nachrichtensendungen unkritisch mit den Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, dem Chef des Robert-Koch-Institut Lothar H. Wieler und anderen Akteuren der Corona-Krise um. «Tagesschau» & Co. sind inzwischen so oberflächlich, dass sie eine Bewegbildversion der dpa sind.

Ab Frühjahr ist die bisherige ARD Degeto-Chefin Christine Strobl, ihres Zeichens CDU-Mitglied, Ehefrau von CDU-Politiker Thomas Strobl (derzeit Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg) und Tochter von Wolfgang Schäuble (CDU) neue Programmchefin von Das Erste. Strobl und die Mittelstandsvereinigung könnten sich austauschen, das Programm der blauen Eins politischer und kritischer zu gestalten. Aber die Medienschaffenden wissen: Eine Stärkung der politischen Inhalte würde vor allem die Union schlecht aussehen lassen.
25.02.2021 09:58 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/125117