Verhoeven: ‚Berlin ist sehr inspirierend‘

Der Schauspieler und Regisseur pendelt oft zwischen München und Berlin. Im Quotenmeter-Interview verrät er, was er an der Stadt so liebt.

Simon Verhoeven (48) wurde schon früh mit dem Film konfrontiert. Keine Wunder, sind seine Eltern doch Senta Berger und Dr. Michael Verhoeven, die beide Filmgeschichte schrieben. Der Sohn begann seine Karriere zunächst als Schauspieler, eiferte aber seinem Vater nach und wurde Regisseur. Dabei zeigt der gebürtige Münchner ein Talent für Komödien. Mit «Männerherzen» (2009), «Männerherzen… und die ganz große Liebe» (2011) und «Willkommen bei den Hartmanns» (2016) zeigte er bereits ein außerordentliches Talent für die Komödie.

Kurz vor dem ersten Lockdown konnte er mit «Nightlife» im Frühjahr bereits eine Million Zuschauer in die deutschen Kinos ziehen. M’Barek und Frederick Lau spielen zwei Barkeeper, die von einem normalen Familienleben träumen, aber dann von Gangstern durchs Berliner Nachtleben gejagt werden.

Sie haben auch das Drehbuch zu «Nightlife» verfasst. Wie sind Sie auf diese Geschichte gekommen?
Wie man sich vielleicht denken kann, hat der Film irgendwie mit meiner Jugendzeit zu tun. Schon auf der Filmhochschule hatte ich die Idee zu einem Film über ein Date, das aus dem Ruder läuft und für beide zur Prüfung wird. Wenn sie das Date überstehen, haben sie schon mal eine gute Ausgangsposition. Diese Idee ist mir immer im Kopf geblieben, bis ich mir irgendwann sagte: Ich schreibe das jetzt!

Aber warum haben Sie sich als Münchner Berlin als Schauplatz ausgesucht?
Das Berliner Nachtleben ist natürlich viel interessanter. Mich hat an Berlin immer fasziniert, dass es hier so viel verschiedenartige Kieze gibt. Die berühmte Clubszene, aber eben auch die Eckkneipen, die Currywurstbuden, genauso wie das Café nebenan, wo ältere Leute schwofen gehen. Dazu gesellt sich noch die Berliner Unterwelt, die gewiss härter ist als beispielsweise in München.

Wie ist das Nachtleben in München?
Damit habe ich nur noch wenig zu tun. Das letzte Mal, das ich wirklich ausgegangen bin, war in Berlin. Als ich jung war, gab es in München aber ein paar legendäre Läden, die auch recht spannend waren.

Haben Sie sich für den Film denn nochmals so richtig ins Berliner Nachtleben gestürzt?
Natürlich, ich habe immer noch Berührungspunkte zu allen Berliner Clubs, nur das ich heute viel früher nach Hause gehe. Es gibt in Berlin schon eine große Vielfalt und man kann nie sagen, so sieht das Nachtleben aus. Nein, denn dann entdeckt man in Charlottenburg eine schnöselige Disco, die würde es selbst in München Starnberg nicht geben. Dann gibt es natürlich noch diese anarchischen und alternativen Läden, die es in anderen Städten viel weniger gibt.

Sie haben sogar mal richtig in Berlin gelebt…
Man kann sogar sagen, dass ich in Berlin mit aufgewachsen bin. Mein Vater ist ja Berliner und wir sind oft zwischen Berlin und München gependelt. Da mein Sohn in München lebt, bin ich dort heute aber schon am meisten.

Und wie oft kommen Sie nach Berlin?
Fast jede Woche! Ich habe hier auch eine Wohnung und arbeite viel hier. Besonders, wenn ich an Drehbüchern arbeite, empfinde ich Berlin als sehr inspirierend. Wenn man hier am Nachmittag umhergeht, sieht man in einer halben Stunde mehr als in anderen Städten in einem Monat.

Würden Sie gern öfters mal die Nächte um die Ohren schlagen, wenn da nicht die Verantwortung für die Familie wäre?
Ich war jetzt nie der krasseste Partylöwe. Klar habe ich früher auch schon mal bis sechs Uhr früh durchgefeiert, aber das ist leider ziemlich vorbei. Mittlerweile gehe ich höchstens mal was trinken und bin um 12 Uhr wieder Zuhause.

Aber das Leben ändert sich schon, wenn man Vater ist, oder?
Mein Sohn ist für mich das Wichtigste. Er beflügelt mich und hat in «Nightlife» auch einen kleinen Auftritt. Ein Kind ist ein Geschenk, und das hilft mir heute, bei manchen Dingen, die mich früher zur Weißglut gebracht hätten, gelassener zu sein. Wenn ihm wichtig ist, Lego zu spielen, ist mir das auch wichtiger als alles andere. Ihn morgens zur Schule zu bringen ist das Tollste, was ich mir vorstellen kann.

Der ganz normale Alltag…
…wobei auch wichtig ist, eine Balance hinzukriegen. Das ist auch der Gedanke hinter meinem Film. Ich finde es schön, dass auch 70-Jährige noch abends ausgehen und was erleben oder einfach nur gute Musik hören. «Nightlife» ist schon der Versuch zu sagen, dass man beides kann. Man kann Familie haben und es trotzdem mal krachen lassen, genau wie umgekehrt die beiden Barkeeper, die ja nachts arbeiten, auch Familie haben können.

Sind aber nicht auch Ihre wöchentlichen Ausflüge nach Berlin ein kleines Ausbrechen aus dem Alltag?
Ich sag‘s mal so: Berlin ist immer aufregend. Aber oft komme ich in der Früh und fahre abends wieder zurück nach München. In Berlin treffe ich mich mit Leuten für neue Projekte, und die meisten aus der Filmbranche leben nun mal hier und ich kann nicht erwarten, dass sie jedes Mal nach München kommen.

Wo treiben Sie sich in Berlin hauptsächlich herum?
Ich kenne mich gut in Charlottenburg und Wilmersdorf aus, wo ich als Kind quasi großgeworden bin. Heute halte ich mich eher in Mitte und Kreuzberg auf. Auf jeden Fall ist Berlin meine zweite Heimat. Ich bin nur gespannt wie lange sich die Stadt und das Nachtleben noch abschotten kann gegen die Auswirkungen des Tourismus. Da findet schon ein kleiner Kampf statt, was ich auch in «Nightlife» thematisiere, wenn einer der Gangster in der Warteschlange vor einem Club jemand auf die Nase haut und sagt: ‚Scheiß Touristen.‘
05.12.2020 13:04 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/123245