Man nehme den Schauplatz Eliteschule («Élite»), mische diesen mit einem dunklen Geheimnis («Tote Mädchen lügen nicht») – fertig ist das neueste serielle Netflix-Teendrama. «Blood & Water» heißt es, spielt in Südafrika und fängt vielversprechend an. Aber kann es die hohen Erwartungen auch halten?
In diesem Umfeld, in dem Sicherheitsdienste die Unversehrtheit der Anwesenden garantieren und die Häuser alle einen Tick zu groß sind, als dass man sie nicht als Stein gewordene Protze bezeichnen möchte, würde ein Mädchen wie Puleng unter normalen Umständen nicht einen Schritt über eine der edlen Hochsicherheitstürschwellen setzen können, ohne von einem Sicherheitsdienst zurück nach Hause geleitet zu werden. Doch heute hat sie – Glück? Zunächst lernt sie Wade kennen, der wie sie irgendwie falsch am Platz zu sein scheint. Wade ist auf der Schule des Sohnes des Hausbesitzers – weil seine Mutter zufällig die Direktorin ist. Damit ist Wade ein Außenseiter in diesem Umfeld, allerdings ist er ein guter Fotograf und so lädt man ihn gerne ein, damit er die reichen Kids in ihrem natürlichen Umfeld ablichtet. Es ist keine Frage, dass Wade Puleng sympathisch findet. Aber dann ist da Fikile. Deren Geburtstag gefeiert wird. Heute. An dem Tag, an dem Pulengs Schwester Geburtstag gefeiert hätte. Und dann ist da ihr Gesicht, in dem sich Puleng zu verlieren scheint. Die Augen. Der Mund. Wenn ihre Schwester noch leben sollte, dann würde sie aussehen wie dieses Mädchen. Davon ist Puleng überzeugt.
Nun gelingt es den Autoren mit der zweiten Episode, einen neuen Spielort einzuführen, ohne damit einen Bruch zu den etablierten Spielorten der ersten Folge und ihren Figuren zu riskieren. Aufgrund einiger Probleme, die Puleng auf ihrer Schule hat, die sich schließlich in einem handfesten Streit mit einem anderen Mädchen entladen, ist Puleng gezwungen, die Schule zu wechseln. Nun ist sie eine gute Schülerin und als solche erlangt sie ein Stipendiat für Wades – und Fikiles – Pankhurst College. Jene Schule, die von den Kindern der Oberschicht Kapstadts besucht wird, wo die Hautfarbe egal ist, da man über den Status der Eltern definiert wird. Eltern, die reich sind. Oder Politiker. Mädchen wie Puleng sind hier wenige anzutreffen. Doch Puleng gelingt es relativ schnell ihre Außenseiterposition für sich zu nutzen. Sie ist die Neue. Sie hat eine tragische Familiengeschichte (ihr Vater wird verhaftet, der Fall neu aufgerollt – für ihre Mitschüler ist das weniger dramatisch als vielmehr ziemlich cool), und sie findet auf diesem Weg schnell einen Draht zu Fikile. Die ist so etwas wie der Star der Schule, das wichtigste Mädchen. Sie ist intelligent, sie entstammt einem stinkreichen Elternhaus, sie ist eine hervoragende Sportlerin - in allem, was sie macht, ist sie einen Tick besser als die anderen. Und Puleng dreht an allen Schrauben, um Fikile in ihrer Gegenwart ein gutes Gefühl zu geben und ihr so nahe wie möglich zu kommen.
Die Serie spielt im Umfeld des Parkhurst College, einer innerstädtischen Privatschule für Eliteschüler und Hochbegabte. Im Mittelpunkt von Blood & Water steht die 16-jährige Puleng Khumalo, die unbedingt an der Schule angenommen werden will, um herauszufinden, ob dort ihre ältere Schwester ist, die sie nie gesehen hat und die angeblich nach ihrer Geburt vor 17 Jahren entführt wurde.
Leider aber ist das alles nur ein Teil der Geschichte. Mit der zweiten Episode nämlich werden eine ganze Reihe Kinder reicher Eltern in Pulengs Welt eingeführt, die ein Leben jenseits der Notwendigkeit führen, sich selbst einen Platz in der Gesellschaft erkämpfen zu müssen. Sie sind reich, sie sind privilegiert, die Welt wurde für sie erschaffen. So verhalten sie sich hedonistisch, überheblich. Da gibt es dann die fast unvermeidliche Affäre mit einem Lehrer, da ist das über-engagierte Mädchen (die Herausgeberin der Schulzeitung), ihres Zeichens Tochter einer Ministerin, die ihren Kleinkrieg mit den „wichtigen“ Schülerinnen und Schülern führt – und so weiter. Das alles ist ja nicht langweilig anzuschauen und erinnert an «Gossip Girl», ganz stark natürlich an «Élite» (ein Crossover der beiden Serien sollte niemanden überraschen) sowie den bereits 1999 entstandenen, großartigen Teen-Thriller «Eiskalte Engel», der die Handlung des Romans «Gefährliche Liebschaften» von Choderlos de Laclos aus dem spät-monarchistischem Frankreich des 18. Jahrhunderts ins Los Angeles der Gegenwart versetzte und inzwischen so alt ist, dass das junge Zielpublikum ihn schon nicht mehr kennt, weshalb die Macher der Serie sich recht ungeniert an seiner Atmosphäre bedienen können.
Etwas mehr Gleichgewicht innerhalb der verschiedenen Handlungssegmente, und «Blood & Water» hätte das Potenzial gehabt, Spuren zu setzen. Die Geschichte der verschwundenen Schwester und die Folgen für die Familie, das ist in dieser Form wirklich packend. Doch durch das fehlende Gleichgewicht, reißt immer wieder die emotionale Bindung zu den handelnden Figuren ab. Dann ist «Blood & Water» nur noch ein Teen-Drama von der Stange. Unterhaltsam, keine Frage. Aber ohne bleibenden Mehrwert.