So sollen die Quoten wieder steigen: «Berlin – Tag & Nacht»-Macherin Ulrich will Geschichten so erzählen, wie sie bei klassischen Soaps nicht gezeigt werden

Die RTLZWEI-Vorabend-Soap hatte vor Kurzem die größte Darsteller-Rückholaktion aller Zeiten versprochen. Bekannt ist schon die Rückkehr von Ole und Fabrizio. Executive Producerin Miriam Ulrich verspricht weitere große Kaliber. Mit ihr haben wir über Fehler der Vergangenheit gesprochen, die allgemeine Tonalität der Serie, aber auch über die Produktion von «Berlin – Tag & Nacht» in Zeiten von Abstandsregeln in der Coronakrise.

Damit keine Fragen offen bleiben

Wie sich die Soap-Quoten in Deutschland, also auch die von «Berlin - Tag & Nacht» im Jahr 2019 entwickelt haben, lesen Sie hier.
Sie haben einen Umbruch bei «Berlin – Tag & Nacht» angekündigt. Ich gehe mal davon aus, dass dieser Entscheidung eine umgehende Analyse der Situation vorausging. Ohne jetzt mal zunächst über Zuschauerzahlen und Quoten zu sprechen. Was lief bei der Serie zuletzt suboptimal?
Ein Langläufer wie «Berlin Tag & Nacht» unterliegt unserer ständigen Beobachtung und muss sich kontinuierlich weiterentwickeln, um am Markt und natürlich vor allen Dingen, beim Zuschauer weiterhin interessant zu bleiben und Begehrlichkeiten zu wecken. Deswegen haben wir uns im letzten Jahr wieder verstärkt auf unseren USP konzentriert. Unsere Authentizität, Spontanität, unser Improvisationstalent und die verrückten und lustigen Geschichten. Als «Berlin Tag & Nacht» nehmen wir uns die Freiheit heraus, Geschichten so zu erzählen, wie sie bei klassischen Soaps nicht gezeigt werden. Wir besinnen uns wieder auf Geschichten mit Relevanz aber auch die verrückten kleinen Alltagsgeschichten, die jedem von uns passieren und die alle Menschen gleichermaßen beschäftigen. Die Mischung macht’s!

Grundsätzlich passieren über das Jahr verteilt immer wieder kleinere oder größere Schwierigkeiten, mit denen man umgehen muss. Das waren letztes Jahr zum Beispiel ein größerer Umbruch im Story Department, gleichzeitig ein Cast-Wegfall und zusätzlich ein Rück-Plott einer großen relevanten Geschichte. Wir sind zum Glück so gut aufgestellt, dass wir diese Dinge auffangen konnten, aber letztlich spürt man doch, auch wenn in geringerem Maße, die Nachwehen bei der Ausstrahlung. Des Weiteren ist auch die Umstellung von filmisch auf einen authentischeren Stil ein weiterer Prozess, der nicht von heute auf morgen von Statten geht - Auf und Ab´s mit sich bringt.

Wir haben von unserem Zuschauer gelernt, dass er das Echte, das Reale mag und genau das ist es, was wir ihm auch wieder geben möchten. Nicht ohne Grund hat sich RTLZWEI als Reality Sender Nummer 1 positioniert. Hinzu kommt das große Pfund unseres Ensembles, Charaktere mit Ecken und Kanten, die schon von Haus aus „Typen“ sind.
Miriam Ulrich, Executive Producer von «Berlin - Tag & Nacht»
Würden Sie mir widersprechen, dass vielleicht schon der Schritt, #BTN filmischer, vermeintlich hochwertiger und somit weg vom klassischen Dokustil umzusetzen, ein erster in eine vom Publikum nicht unbedingt gewünschte Richtung war?
Da haben Sie wahrscheinlich recht. In meiner mehrjährigen Tätigkeit als Executive Producer bei RTLZWEI habe ich die Umstellung bei #BTN mitgetragen. Allerdings haben wir von unserem Zuschauer gelernt, dass er das Echte, das Reale mag und genau das ist es, was wir ihm auch wieder geben möchten. Nicht ohne Grund hat sich RTLZWEI als Reality Sender Nummer 1 positioniert. Hinzu kommt das große Pfund unseres Ensembles, Charaktere mit Ecken und Kanten, die schon von Haus aus „Typen“ sind. Ihre Spielfreude und der Wille und das Vermögen viel von sich selbst preiszugeben, machen sie zu dem was sie sind: außergewöhnliche Menschen, ein außergewöhnlicher Cast. Auch das gehört zum USP der Serie. Aus diesem Grund werden wir diese Eigenschaften weiterhin fördern.

Dass Sie lineare Zuschauer um 19 Uhr verloren haben, das kann man schwarz auf weiß nachlesen. Sind diese Zuschauer aber de facto verloren gegangen oder werden diese Fans vielleicht nur nicht mehr ermittelt, weil sie die Serie vielleicht bei TV Now oder YouTube anschauen?
Grundsätzlich hat «Berlin Tag & Nacht» eine sehr große Fangemeinde, die uns extrem treu ist, dafür sind wir sehr dankbar und davon profitieren wir auf Strecke. Nichtsdestotrotz haben Sie recht, dass unsere sehr junge Zielgruppe meist kein Fernsehen mehr schaut, sondern Online sehr stark vertreten ist. Nur einmal als Beispiel: Mit unseren Live-Sendungen zu Corona, haben wir auf Facebook über 4,4 Millionen Menschen erreicht und 1,2 Millionen Aufrufe bei YouTube erzielt. Alleine der erste Post mit Fabrizio und Ole hat 35.000 Likes bekommen. Aber in die Quote zahlen diese Werte oder die TV Now-Frequentierung leider nicht ein – sonst sähen die Zahlen tatsächlich anders aus.

Sie wollen jetzt die „größte Darsteller-Rückholaktion“ aller Zeiten starten. Gehen Sie doch gerne mal ein bisschen mehr ins Detail.
Tatsächlich möchten wir unsere große Fangemeinde mit Cast belohnen, den sie sehr vermissen und den sie sich zurückwünschen. Ich habe ja schon Ole und Fabrizio erwähnt. Sie brauchen sich bei You Tube nur das Video „Fabrizios Lache“ anzuschauen und Sie wissen, von welchem Kaliber ich rede und wohin die Reise geht. Der Rest soll eine Überraschung bleiben.



Auch inhaltlich gehen Sie ran – wäre es denn richtig, wenn ich sage, dass sich «Berlin – Tag & Nacht» wieder etwas mehr auf seinen Kern fokussieren will?
Das ist richtig. Wie ich schon erwähnt habe, steht eine tägliche Serie ja immer unter dem Druck, sich neu erfinden zu müssen, damit sie interessant bleibt. Die Richtung in den filmischeren Bereich war so ein Versuch. Nicht immer gelingen diese Versuche, aber ich denke, gute Fernsehmacher macht aus, dass sie mutig sind und immer wieder neue Dinge ausprobieren. Nur so kann etwas einzigartiges entstehen.

Wir sprechen in Zeiten von Corona miteinander, Sie drehen zur Zeit Episoden unter ganz speziellen Bedingungen. Worauf müssen Sie als Produktionsteam achten und welche Auswirkungen hat das auch auf die Serie?
Es sind tatsächlich außergewöhnliche Zeiten. Doch wir haben eine sehr besonnene und klar agierende und kommunizierende Geschäftsleitung mit der wir intensiv überlegt haben, wie wir mit dieser Krise umgehen. Im Sinne aller unserer Mitarbeiter, der Firma, des Senders, der Serie. Deswegen haben wir direkt zu Anfang der Krise eine Woche den Dreh gestoppt, um alle Fragen zu klären und Lösungen zu finden. Als Beispiel: Alle Geschichten mussten auf Corona-Bedingungen umgeschrieben werden. Viele bereits geschriebene Geschichten können gar nicht mehr oder nur als Grundstock genutzt werden. Eine extrem große Herausforderung für unser Story-Team. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, was für ein Glück es ist, Mitarbeiter zu haben, die alle an einem Strang ziehen, egal wie schwer die Situation ist.

Dies gilt für das Story-Department gleichermaßen wie für alle anderen Mitarbeiter der Serie. Intern wie Extern. Um auf Ihre Frage zurück zu kommen, unter anderem haben wir die Teams am Set extrem verkleinert, es muss sich selbst verkabelt werden, ansonsten wird der Ton geangelt. Die Darsteller müssen Abstand voneinander halten - auch im Spiel. Die Geschichten sind so angepasst, dass der ungewöhnliche Abstand nicht übermäßig zum Problem werden dürfte. Die Mitarbeiter im Büro arbeiten fast alle von zuhause – die Videotelefonie läuft bei uns heiß. Geschnitten wird das Material auch teils von zuhause, teils an den Schnittplätzen.

Und unser Coronabeauftragter schaut, dass alles eingehalten wird. Die Frage ist nun, wie lange wir unter diesen Umständen drehen müssen. Wir hoffen alle, das dies bald ein Ende haben wird. Aber toi toi toi: Wir haben bisher noch keinen Corona Fall.

Gestatten Sie zu allerletzt noch eine Frage: #BTN lebt ja schon sehr stark inhaltlich davon, dass Figuren ihre unterschiedlichen Meinungen – mal leiser, mal lauter – ausdiskutieren. Ist es abwegig, dass diese Form des offenen Streits und der Zuspitzung dessen heutzutage vielleicht weniger nachgefragt ist als noch vor acht bis zehn Jahren?
Ich denke, dass die offene unbefleckte Meinung in Alltagssprache vor zehn Jahren natürlich einen größeren Aufschrei gebracht hat, als heutzutage. Nichtsdestotrotz werden aber auch heute noch die Menschen bewundert, die offen und ungeschönt ihre Meinung sagen. Der Blick durchs Schlüsselloch ist und bleibt weiterhin der Grund, warum Menschen Fernsehen schauen. Dieses Bedürfnis bedienen wir weiterhin. Unsere Serie ist ein Unikat im Deutschen Fernsehen. Was man woanders nicht erzählen kann, wo Hemmungen entstehen, setzen wir an und zeigen es. Wir haben eine Stimme und ich denke, die sollten wir nutzen. Aus diesem Grund haben wir die „Rechtsradikalen-Geschichte“ erzählt und unser Anti-Rassismus-Video produziert. Wir haben viel vor und möchten unsere Zuschauer weiterhin mit relevanten und lustigen Geschichten unterhalten. Denn wir sind, was wir sind: eine Unterhaltungssendung.

Danke für das Gespräch.
27.04.2020 09:09 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/117772