Die Kritiker: «WaPo Berlin»

In der neuen Vorabendserie über die Berliner Wasserschutzpolizei hat die neue Chefin der Einheit als Erstes mit Schuhproblemen zu kämpfen. Zum Glück sinkt die Klischeequote danach massiv.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sesede Terziyan als Jasmin Sayed
Sarina Radomski als Paula Sprenger
Christoph Grunert als Wolf Malletzke
Hassan Akkouch als Fahri Celik
Melina Borcherding als Marlene Weber
Leonard Rosik als Anton Sprenger
Nils Brunkhorst als Federico

Hinter der Kamera:
Produktion: Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH
Drehbuch: Andreas Dirr, Andreas Hug, Hagen Moscheroch, Meriko Gehrmann, Petra Mirus, Rainer Butt und Isabell Serauky
Regie: Alexander Sascha Thiel und Neelesha Bartel
Kamera: Jakob Ebert und Carl Finkbeiner
Produzenten: Britta Hansen und Sven Sund
Wenn deutsche Fernsehautoren vor Selbstüberzeugung strotzende Großstädterinnen aufs Land schicken, fällt ihnen oft zuallererst das Bild von im Matsch versinkenden hohen Hacken ein, weil die urbane Karrierefrau natürlich an alles dachte, nur nicht daran, dass es in der Peripherie auch noch ein paar Quadratmeter unversiegelte Brachflächen gibt, die man nicht allein aus ästhetischen Gründen besser nur mit festem Schuhwerk betritt.

Auch Jasmin Sayed (Sesede Terziyan), die frisch gebackene Teamleiterin der neu gegründeten Berliner Wasserschutzpolizei, greift zunächst auf schicke hohe Absätze zurück, schließlich soll der Job mit einem adretten öffentlichen Empfang beginnen, wo man Häppchen reicht, an einem hübschen Podium nette inhaltsleere Worte von sich gibt und für die Lokalpresse in allerhand Kameras grinst. Aber das Verbrechen ist wieder mal schneller, und während eigentlich noch eingeweiht und Hors d’oeuvres verspachtelt werden sollten, treibt eine Leiche im Wannsee. Also muss Sayed ins Spreeboot hopsen und zügig an die Front. Glücklicherweise hat die befreundete Kollegin passende rote Sneaker im Spind.

Frauenfiguren in erster Linie über ihre Schuhe zu erzählen, ist leider so ziemlich der unkreativste Ansatz, mit dem eine intellektuell betont einfach gehaltene und allzu übertrieben auf heiter gebürstete Vorabendserie an den Start gehen kann. Doch glücklicherweise muss sich die Hauptfigur nicht langfristig anhand ihrer Wahl der Freizeit- und Berufsbekleidung charakterisieren lassen. Denn schnell merken wir: Polizistin Sayed ist pfiffig, auf Zack, und dabei angenehm unaufgeregt, bedacht und unprätentiös. Schön auch, dass man sie als Charakter erst einmal wirken lässt, bevor man ein paar Folgen später – und das auch noch angenehm zurückhaltend dosiert – ihren soziokulturellen Baggage als aus dem Iran stammende Migrantin mit Fluchttrauma erzählt.

Die Auftaktfolge setzt auf der zweiten Ebene stattdessen beim Thema Wendeverlierer an – hier verkörpert durch zwei alte Haudegen in den Reihen der Berliner Polizei, die ihre Lehrzeit noch in der Nationalen Volkspolizei absolviert haben. Der Eine lässt sich zwar von jungen Kolleginnen das Internet ausdrucken, hat es aber im Großen und Ganzen doch in die kosmopolitische Aktualität geschafft; der andere hingegen muss sich das Heute mit dem pflichtgemäßen Schuss Whiskey im Kaffee in die Erträglichkeit trinken und begegnet der modernen Rechtsstaatskomplexität mit einem wehmütigen: „Früher haben wir sowas noch anders geregelt.“

Dabei fällt auf, dass sich «WaPo Berlin» – trotz aller sendeplatzüblichen Vereinfachungen und Anspruchsreduzierungen – bemüht, ernsthaft problemorientiert zu erzählen und die Themen der jeweiligen Folgen aufrichtig auszuforschen. Nicht nur aufgrund seines bunten Casts und der Selbstverständlichkeit ethnisch diverser Figuren wirkt dieser Neustart deshalb überraschend aktuell, sowie dank Hauptdarstellerin Sesede Terziyans angenehm unaufdringlichem Spiel auch äußerst charmant.

Das Erste zeigt acht Folgen von «WaPo Berlin» dienstags ab dem 28. Januar, jeweils um 18.50 Uhr.
27.01.2020 11:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/115340