Die Kritiker: «Der König von Köln»

Brasilianische Zustände am Rhein: «Stromberg»-Autor Ralf Husmann wagt sich mit seinem Film an den Kölschen Klüngel – und liefert damit eine treffende Satire und eine schaurige Dekonstruktion zugleich.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Rainer Bock als Josef Asch
Serkan Kaya als Andrea di Carlo
Joachim Król als Lothar Stüssgen
Eva Meckbach als Alina Behrens
Enst Stötzner als Alfred von Hoppenheim
Judith Engel als Valerie Dickeschanz
Jörg Hartmann als Tom Middelsdorf

Hinter der Kamera:
Produktion: Zeitsprung Pictures GmbH
Drehbuch: Ralf Husmann
Regie: Richard Huber
Kamera: Robert Berghoff
Produzenten: Michael Souvignier und Till Derenbach
Genauso stellt man es sich irgendwie vor: Als der Baudezernent (Joachim Król) beim karnevalistischen Bordellbesuch auf der Prostituierten umkippt, braucht man zügig einen Ersatz, der die kriminell-korrupten Geschäfte in einer Mischung aus Überforderung und Erpressbarkeit einfach weiterlaufen lässt. Mit dem unbedarften Stellvertreter Andrea di Carlo (Serkan Kaya) hat Polier Josef Asch (eine kaum verklausulierte Anspielung auf den realen Baulöwen Josef Esch; Rainer Bock) schnell den idealen Kandidaten gefunden, um ein Sechshundert-Millionen-Euro-Projekt mitten in der Kölner Innenstadt ohne Ausschreibung unter Dach und Fach zu bringen. Im Gegenzug darf di Carlo sein denkmalgeschütztes Eigenheim ohne viel Aufhebens nach Belieben umbauen, zusätzlich zum einen oder anderen Umschlag, der diskret, aber nachdrücklich nachhause geliefert wird: Geld, das der Familienvater natürlich gut gebrauchen kann. Und et hätt ja noch immer jutt jejange.

Doch Asch (oder Esch) macht noch ganz andere Geschäfte und setzt mithilfe von Geldern des Bankhauses Hoppenheim (lies: Oppenheim) im Kaufhaus-Imperium der altertümlich-weggetretenen Valerie Dickeschanz (lies: Schickedanz; Judith Engel) den dampfplaudernden Yuppie Tom Middeldorf (lies: Middelhoff; Jörg Hartmann) ein, um das dahinsiechende Geschäftsmodell mit jeder Menge Entlassungen, Umstrukturierungen und ge-leverage-tem Fremdkapital wieder auf Vordermann zu bringen. Erst eine engagierte junge Staatsanwältin (Eva Meckbach) kann dem korrupten Konstrukt gefährlich werden. Doch Köln ist das Chinatown Deutschlands – und wenn der eine Korruptionsring ausgehoben und den handelnden Personen ein paar weiche Schläge auf die Finger gekloppt wurden, bildet sich spätestens in der darauf folgenden Karnevalssaison die nächste Seilschaft.

Dieser Film aus der eleganten Feder von Ralf Husmann will vornehmlich eine Satire sein – und gerät doch fürchterlich erschreckend. Denn im Kern offenbart er, wie in der Metropole am Rhein brasilianische Zustände herrschen. Dort liefen Staatsanwälte im entwickelten Süden des Landes schon einmal Gefahr, in den Sumpf des Amazonasgebietes versetzt zu werden, wenn sie unangenehme Fragen zum staatlichen Ölunternehmen Petrobras stellten, während auf ihre ambitionierte nordrhein-westfälische Kollegin im «König von Köln» bei ähnlichen Anti-Korruptions-Ermittlungen eben die Peripherie von Kellinghusen wartet. Und wo sich in Curitiba ein in mittellosen Verhältnissen aufgewachsener Sohn libanesischer Einwanderer durch Gefälligkeiten und ausgefeilte illegale Geschäftsideen die erfolgreichste Partei des Landes gefügig machte, brachte in Köln ein Klempner Ähnliches zustande, indem er beim Opernbesuch beherzt in die überschwappende braune Suppe greift, um verstopfte Binden aus dem Lokus zu ziehen, damit die hehren Herrschaften weiterhin alle Bauanträge blindlings durchwinken.

Trotz seines mitunter ziemlich leichtfüßigen Duktus‘ und der bisweilen ausufernden humoristischen Überstilisierung der exzentrischeren Figuren funktioniert «Der König von Köln» letztlich doch als knallharte, schonungslose Abrechnung mit dem rheinischen Klüngel, die sich gleichzeitig einer intelligenten psychologischen Ursachenforschung annimmt: Am Beispiel der Figur des jungen überforderten Baudezernenten spielt der Film allegorisch, aber nicht aufdringlich durch, wie aus kleinen, netten zwischenmenschlichen Gefälligkeiten undurchschaubare kriminelle Verpflichtungen werden, während am korruptionsgestählten Ziehvater das verbrecherische Endstadium plastisch wird: „Gegen den Zweifel hat der liewe Jott das Kölsch erfunden.“

Leck ens am Arsch.

Das Erste zeigt «Der König vom Köln» am Mittwoch, den 11. Dezember um 20.15 Uhr. Im Anschluss wird eine Dokumentation über den tatsächlichen Korruptionsskandal ausgestrahlt.
11.12.2019 11:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/114301