UEFAs Amazon-Deal: Ein echtes Ass im Ärmel

Ab 2021 darf Amazon Prime Top-Spiele der Champions League in Deutschland zeigen. Diesen Coup hatte niemand auf dem Schirm. Wieso er für die UEFA kurzfristig Sinn macht, wieso die restlichen Rechte noch frei sind und warum der Fan – unabhängig von der kommenden Qualität bei Amazon – ein Verlierer sein könnte. Ein Kommentar von Manuel Weis.

Wenn man als Unternehmen erfolgreich sein will, der braucht einen guten Plan. Und manchmal eben auch einen besseren Plan als andere. Die Vermarktungsagentur TEAM, die in diesen Wochen und Monaten im Auftrag des europäischen Fußballverbands UEFA die TV-Rechte für die Klub-Wettbewerbe im Zyklus 2021 bis 2024 an den Mann bringen soll, hat am Dienstag mit einem Ass im Ärmel für eine faustdicke Überraschung gesorgt. 14 Top-Dienstagsspiele pro Saison, also das Paket A1, hat TEAM überraschend an den Internethändler Amazon verkauft.

Das meiste Geld gewinnt, das sei schon im Sommer 2017 bei der zurückliegenden Ausschreibung, die Sky mit Sublizenzen an DAZN gewann, das UEFA-Credo gewesen. Und das meiste Geld ist auch die Maxime, die in diesem Jahr wieder gilt. Nach Informationen englischer Medien ging die Ausschreibung am Dienstag nun in eine dritte Bieterrunde – das sind sind mehr als beispielsweise in Frankreich nötig waren. Prinzipiell gibt es zwei Gründe, weshalb die UEFA weitere Bieterrunden ansetzt: Erstens – zwei oder mehrere Unternehmen liefern sich ein Wettbieten. Zweitens – die bisherigen Gebote werden für nicht ausreichend erachtet. Genau für den zweiten Grund spricht in der hier vorliegenden Situation die Tatsache, dass ein kleines Paket schon an den Mann gebracht wurde. Gäbe es ein Wettbieten, hätte die UEFA Paket A1 schließlich nicht vom Tisch genommen.

So also deutet vieles darauf hin, dass die sonstigen Gebote eher „finanziell diszipliniert” ausgefallen sind. Dieses Wording hören vor allem dei Aktionäre und Controller neuerdings gerne. Nachdem in den vergangenen fünf, sechs Jahren die Fußball-Preise regelrecht explodiert waren, drücken die Sender vermehrt auf die Bremse. Im aktuellen Kicker sprach ein Leverkusen-Funktionär davon, mit einer Erlössteigerung von 10 Prozent (also auf rund 220 Millionen pro Jahr) zufrieden zu sein – und selbst diese sei schwer zu erreichen.

Bekannt ist, dass sowohl Sky als auch DAZN mit dem aktuellen Modell der Spielaufteilung zufrieden sind, auch wenn es für Laien nicht ganz einfach zu verstehen ist. Und bekannt ist auch, dass die Deutsche Telekom recht zufrieden ist, weil sie über das Paket Sky Sport alle Champions-League-Konferenzen an ihre Magenta-Kunden weiterleiten konnte. Zu große Zufriedenheit sorgt für vermutlich eher verhaltene Gebote. Und genau dieses Patt hat die UEFA mit dem Schachzug, einen gewichtigen Teil des Kuchens an einen völlig neuen Anbieter zu vergeben, aufgelöst.

Die Funktioäre mussten dabei durchaus zu drastischen Mitteln greifen – ob der Erwerber der restlichen Spiele dienstags noch die hierzulande so populäre Konferentschaltung wird anbieten können, gilt als ziemlich fraglich. Und gerade die Konferenz war es doch, auf die Platzhirsch Sky zuletzt so viel setzte. Apropos Sky: Der Pay-Riese bemühte sich zuletzt schon um die Rechte in UK – und ging leer aus. Kassiert Jeremy Darroch nur kurz danach eine weitere Sportrechteschlappe? Oder haben sich die Prioritäten im Untetnehmen inzwischen sowieso verändert? Sind fiktionale Projekte – etwa der Bau eigener Studios – inzwischen genauso wichtig wie Livesport? Egal ob Sky oder DAZN – beide Unternehmen sind zum Umdenken gezwungen – und das binnen Stunden. Weder DAZN und noch weniger Sky können es sich leisten, bei der Vergabe total leer auszugehen. Doch macht eine erneute Zusammenarbeit unter diesen Vorzeichen noch Sinn? Gibt es noch genügend verteiltbare Filetstücken unter den aktuell noch rund 120 freien Spielen pro Saison? Allein in der Vorrunde dürften drei Spiele des FC Bayern und drei Spiele von Borussia Dortmund im Normalfall per First Pick an Amazon fallen. Wer würde da schon die restlichen noch gerne hergeben?

Gut möglich, dass der Joker Amazon, den die Rechte ebenfalls nicht gerade günstig kommen dürften, dafür sorgt, dass in der dritten Bieterrunde nochmal finanziell nachgelegt wurde. Besonders für Sky ist das keine einfache Situation. Die Gruppe ist finanziell hochpotent, wünscht sich Wachstum für Sky, weiß aber auch, dass zu teure Fußballkosten die Quartalsergebnisse verhageln. Dennoch ist die Champions League das zweitattraktivste Sportrecht der Firma – nach der Bundesliga, deren Ausschreibung in den nächsten Monaten startet.

Die Entscheidung pro Amazon könnte zudem noch einen weiteren Domino-Effekt mit sich bringen. Was passiert in der Europa League? Bisher galt, dass Sky gut ohne diese konnte und DAZN ziemlich gut mit dieser. Bleibt dies weiterhin der Fall? Insgesamt werden dieser Tage übrigens Rechte an knapp 480 UEFA-Spielen vergeben; ab 2021 neu hinzukommen wird bekanntlich der unterhalb der Europa League angesiedelte Wettbewerb namens Europa Conference League. Wer also vom Kuchen ganz oben nicht genug abbekommt, muss genau überlegen, wie attraktiv die Stückchen ein Fach weiter unten sind… So oder so, die Entscheidung dürfte Sky und DAZN gleichermaßen ärgern. Für beide wäre es besser gewesen, man hätte Amazon die Tür zum Eintritt als Sportbroadcaster in Deutschland nicht geöffnet.

Das meiste Geld gewinnt, das UEFA-Credo, heißt aber auch: Der Fan an sich, der zählt nicht mehr. Es geht nicht mehr um technische Erreichbarkeit, es geht nicht um redaktionelle Qualität der Übertragung. Fakt ist: Wer in den kommenden fünf Jahren alle wichtigen Fußball-Wettbewerbe sehen möchte, muss Kunde von mindestens vier Unternehmen werden – Sky, Amazon, DAZN und Deutsche Telekom. Die Verbände müssen aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Anders als dem Europäer generell, wird dem Deutschen doch nachgesagt, eigentlich Kontinuität zu mögen.
10.12.2019 19:09 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/114297