Die glorreichen 6: Atemberaubende Amazon-Filme (Teil III)

Nicht nur Netflix produziert Filme, auch Streaming-Mitbewerber Amazon ist im Filmgeschäft – und der entlässt sogar einen Großteil seiner Filme regulär ins Kino. Wie «The Neon Demon».

Filmfacts «The Neon Demon»

  • Regie: Nicolas Winding Refn
  • Produktion: Lene Børglum, Nicolas Winding Refn
  • Drehbuch: Mary Laws, Nicolas Winding Refn, Polly Stenham
  • Darsteller: Elle Fanning, Karl Glusman, Jena Malone, Bella Heathcote
  • Abbey Lee, Christina Hendricks, Keanu Reeves
  • Musik: Cliff Martinez
  • Kamera: Natasha Braier
  • Schnitt: Matthew Newman
  • Kostüme: Erin Benach
  • Laufzeit: 117 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
Einer der frühsten Kinofilme, an denen sich die Amazon Studios beteiligt haben, ist zugleich ein Paradebeispiel für den Geschäftsethos des Labels: Da die Studioleitung Fan von Nicolas Winding Refns war, hat sie beschlossen, mit blindem Vertrauen seinem nächsten Projekt Geld zuzuschieben und so das Portfolio der Amazon Studios aufzuwerten. So baute man zugleich eine gesunde Geschäftsbeziehung zu dem nordischen Kunstfilmer auf, der anschließend auch mit einem Serienprojekt zu den Amazon Studios ging. Und so wurde «The Neon Demon» für beide Seiten zu einem geglückten Karriere- und Geschäftsschritt, selbst wenn der hochstylische Psychohorror über die Welt der Mode und der Schönheit an den Kinokassen rote Zahlen geschrieben hat: Bei einem Budget von sieben Millionen Dollar generierte «The Neon Demon» nur drei Millionen Dollar Einnahmen.

Als Film, der bei den Filmfestspielen von Cannes gleichermaßen ausgebuht und mit Standing Ovations begrüßt wurde, hat sich «The Neon Demon» jedoch in eine feine, eklektische Reihe von Projekten eingefügt, bei denen sich die Pressestimmen (und später auch die Reaktionen des zahlenden Publikums) schwerlich auf einen klaren Konsens reduzieren lassen: «The Neon Demon» ist ein "Lieb es oder hass' es"-Film, wie er im Buche steht. Und wie die Positionierung von «The Neon Demon» in der Quotenmeter.de-Filmtippreihe es verraten dürfte: Diese Zeilen stammen von jemandem, der klar im Pro-«The Neon Demon»-Camp residiert.

Der nach und nach an surrealen Zügen gewinnende Bilderreigen in Hochglanz-Modemagazin-Farben und mit fesselnder elektronischer Musik des Komponisten Cliff Martinez erzählt von der naiven 16-Jährigen Jesse (Elle Fanning), die nach dem Tod ihrer Eltern nach L.A. zieht, um dort als Model durchzustarten. Fanning spielt Jesse mit einer "Reh im Scheinwerferlicht"-Ratlosigkeit und -Verletzlichkeit, bis Jesse sexuelle Abgebrühtheit vorgibt, um im Geschäft bestehen zu können. Daraufhin changiert sie zwischen lolitaeskem Gehabe und dem ratlosen Anschein eines Lolitaauftretens.

Die von Natasha Braier geführte Kamera beginnt in einer Beobachterposition, begibt sich aber immer tiefer in die Welt, wo der Schein das Sein ist, und Refn entwirft seinen zurückhaltend beginnenden Film von Szene zu Szene immer übertreibender, wilder und malerisch-boshafter. Schönheit und Ekel tauschen Plätze und verschmelzen zu einem untrennbaren Matsch aus Schminke und Körperflüssigkeiten: «The Neon Demon» ist knallige, abgeschmackte Kunst. Muss man nicht mögen, sollte man aber zumindest anerkennen.

«The Neon Demon» ist auf DVD und Blu-ray erschienen und (unter anderem) via Amazon Prime abrufbar.
15.12.2019 12:24 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/114256