Neuer Medienstaatsvertrag soll Online-Angebote mehr in die Pflicht nehmen

Herzlich Willkommen im Netz! Eine Grundlegende Änderung des Rundfunkstaatsvertrags ist schon lange überflüssig, nun soll es zu einer endgültigen Änderung kommen, in der die neuen Medien zeitgemäß behandelt werden und ähnlich stark wie das klassische TV beaufsichtigt werden sollen.

Der alte Rundfunkstaatsvertrag ist Geschichte, ein zeitgemäßer Medienstaatsvertrag soll kommen


Der aktuelle Rundfunkstaatsvertrag ist für viele schon lange ein Dorn im Auge. Die sich immer schneller entwickelnden digitalen Medien werden schon seit Ewigkeiten nicht zeitgemäß erfasst. Viele Fragen, wie mit Content auf großen Plattformen wie Facebook, Instagram oder YouTube umgegangen werden soll, bleiben noch unbeantwortet. Selbst die Landesmedienanstalten wissen nicht so wirklich, wie sie das nicht mehr zeitgemäße Recht auf die Online-Medienlandschaft anwenden sollen. Viele Regelungen des Rundfunkrechtes wurden durch die neuen Techniken ad absurdum geführt. Mittlerweile kann jeder Nutzer auf den großen Plattformen mit wenigen Klicks live gehen und theoretisch ein Millionen-Publikum erreichen. Laut aktuellen Statuten reicht diese Möglichkeit bei regelmäßigen Livestreams schon aus, um sich eine Rundfunklizenz zu besorgen. In der Praxis würde dies aber auf zig tausende Nutzer zutreffen. Dass all diese Menschen, die zum Teil nur einen kleinen Freundeskreis erreichen wollen, wirklich eine teure Rundfunklizenz besorgen müssen und die strengen Regularien mit Jugendschutzbeauftragten etc., kann in der Praxis kaum wünschenswert sein.

Zu dieser Ansicht kamen nun auch die Vertreter aus den 16 Bundesländern. Daher wurde an diesem Freitag ein finaler Text für den neuen Medienstaatsvertrag festgelegt. Im neuen Wortlaut des ersten Medienstaatsvertrages sollen endlich Rundfunksender und Online-Anbieter gleichgestellt werden, aber auch auf neuartige Probleme, die bisher nicht erfasst wurden eingegangen werden. So haben die Landesmedienanstalten eine Lösung für das Reichweitenproblem von Livestream-Inhalten im Netz gefunden. Damit künftig nicht jeder Nutzer, wie beschrieben, eine Rundfunklizenz beantragen muss, wird eine Bagatellgrenze eingeführt: Wer mit seinem Programm im Durchschnitt weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreicht, ist von der Zulassungspflicht befreit. Damit sind selbst zahlreiche mittelgroße YouTuber und Streamer fürs erste aus dem Schneider. Selbst sie überschreiten selten diese hohe Grenze.

2017 lösten die ersten Fälle, in den die Landesmedienanstalten auf große YouTube- und Twitch-Kanäle zugingen, große Debatten aus. So machte die YouTuber-Gruppe PietSmiet öffentlich auf die Missstände des Rundfunkstaatsvertrages hinsichtlich Livestreamings aufmerksam, da sie selbst – ihrer Meinung zu unrecht – aufgefordert wurden eine Rundfunklizenz zu erwerben. In der Folge setzten sich Vertreter aus der Branche immer wieder mit der Politik zusammen, um zu erklären, wo sie die Probleme sehen und wo der veraltete Rundfunkstaatsvertrag in der Praxis nicht anwendbar sein kann. Mit der neuen Regelung dürften erstmal alle Parteien zufrieden gestellt sein. Einige große Online-Livestreamer besitzen inzwischen auch eine eigene Rundfunklizenz.

Da die Medienanstalten ihre Funktion als Aufsichtsbehörde weiter vollends erfüllen wollen, soll es für die Online-Kanäle, auch wenn sie unter die neue Bagatellgrenze fallen, eine Meldepflicht geben. So können sie künftig trotzdem zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie etwa gegen das Gesetz verstoßen. Ein schwerwiegender Verstoß könnte sogar zur Abschaltung des Angebots führen. So brachte Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, bereits Netzsperren ins Spiel, sollten sich Anbieter den deutschen Regularien widersetzen.

Für die großen Social-Media-Plattformen, die nun unter dem Begriff “Medienintermediäre” geführt werden, gibt es zusätzlich neue Pflichten hinsichtlich nicht diskriminierender Verbreitung von Inhalten. Um dies zu gewährleisten, müssen die Plattformen künftig Auskunft geben, warum ihre Inhalte auf bestimmte Art platziert wurden. Da zur Kategorie der “Medienintermediäre” auch Suchmaschinen gehören, hat insbesondere Google Widerspruch angemeldet: Zum einen sei man schon sehr transparent, was Informationen zur Suchmaschinenplatzierung angehe, heißt es vom Unternehmen. Und die genauen Algorithmen könne man nicht offenlegen, da man sonst dem Missbrauch alle Türen öffne. Außerdem dürfte die Plicht, sogenannte “Social Bots” anzuzeigen, die Plattformen vor eine große Herausforderung stellen, da bestehende Softwares immer wieder auch menschliche Accounts fälschlicherweise als solche identifiziert hatten und die Technik in diesem Bereich noch nicht ausgereift genug erscheint.

Wie wurde das Verhältnis zwischen TV-Sender und Online-Medien zurechtgerückt?


Zunächst einmal müssen die Online-Angebote der “Medienintermediären” nun, genauso wie im linearen TV, Angebote, “die in einem besonderen Maße die Meinungs- und Angebotsvielfalt fördern”, auch besonders hervorheben. Ein ähnlicher Streit, wie in der Vergangenheit darüber, wer die ersten Programmplätze im TV bekommt, wird damit möglicherweise bald auch in der digitalen Welt stattfinden. Denn wie diese neue Vorschrift in der Praxis, in der zurzeit vor allem Unterhaltungscontent öffentlich relevante Nachrichtenformate überdeckt, umgesetzt werden soll, ist noch weitgehend unklar.

Insgesamt gehört der klassische Rundfunk und insbesondere die privaten Sender klar zu den Gewinnern des neuen Medienstaatsvertrages. So wurden einige Vorschriften bezüglich der Werbezeiten und dem Werben im Kinderprogramm gelockert. Die Sender dürfen ihr Werbekontingent künftig freier über den Tag verteilen und im Kinderprogramm werben dürfen. Außerdem dürfen SmartTVs definitiv keine eigene Werbung über das klassische Fernsehprogramm legen. Der Werbemarkt bleibt im TV also weiter in der Hand der Sender. In Bezug auf das Verhältnis zu den Online-Angeboten dürften sich die TV-Sender in ihrer Ansicht bestätigt füllen, dass die großen Player auf dem Online-Markt nun auch strengeren Vorschriften entgegen sehen und somit ähnlich beaufsichtigt werden, wie es im TV schon lange der Fall ist.

Bis das neue Recht den Medienstaatsvertrages endgültig umgesetzt werden muss, sind allerdings noch ein paar Schritte zu gehen. Zunächst einmal müssen alle 16 Bundesländer in den jeweiligen Landtagen den Änderungen zustimmen. Dieser Gesetzgebungsprozess wird erfahrungsgemäß wohl noch mindestens ein halbes Jahr benötigen.
25.10.2019 17:00 Uhr  •  Niklas Spitz Kurz-URL: qmde.de/113156