Über die besondere Rolle der ersten deutschen Telenovela und die Bedeutung von Dailys für Sender.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Wegbereiter-Produktion bereits 2009 erstmals beendet wurde und «Wege zum Glück – Spuren im Sand» 2012 aufgrund ausbleibender Zuschauerresonanz (nicht ein einziges Mal wurden 10 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum erzielt) schon nach 99 und nicht erst nach den geplanten 240 Episoden endete, obwohl Sender wie auch kreativ Verantwortliche große Hoffnungen in die Wiederbelebung dieser starken Marke gesetzt hatten. Die Neuauflage mag trotz der Expertise von unter anderem Rasi Levinas, der als Chefautor schon für Biancas (Tanja Wedhorn) Abenteuer maßgeblich verantwortlich zeichnete, ihre Schwächen gehabt haben (etwa die berühmt-berüchtigten Leuchtturm-Greenscreen-Aufnahmen), doch der eigentliche Fehler, wenn man denn davon sprechen will, besteht sicherlich im Beenden des ursprünglichen ZDF-Nachmittags-Aushängeschilds einige Jahre zuvor.
In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf die frühere Konkurrenz: Denn selbstverständlich waren auch die Quoten von beispielsweise «Sturm der Liebe» und «Rote Rosen» im Laufe der Jahre Schwankungen unterworfen. Und von ihren Bestwerten sind die beiden ehemaligen Mitbewerber 2019 auch deutlich entfernt - 2007 erreichte «SdL» so häufig wie nie davor oder danach über 30 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum; bei «RR» sticht kein einzelnes Jahr heraus, sondern vielmehr die Phase 2010 und 2011, in der so häufig wie nie davor oder danach mehr als 18 Prozent bei allen ermittelt werden konnten. Dennoch fahren beide beim Gesamtpublikum nach wie vor – gemessen am Senderschnitt – zumeist überdurchschnittliche Werte ein (der aktuelle «SdL»-Jahresbestwert beträgt 16,9 Prozent, der von «RR» 15,7), und das liegt selbstverständlich einerseits an den unterschiedlichsten inhaltlichen Entscheidungen, aber auch schlicht an dem gelernten Sendeplatz. Eine Daily lebt schließlich auch davon, dass sie quasi werktäglich mit ihrem Publikum verabredet ist respektive, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer davon ausgehen können, dass ein Einschalten zu einer bestimmten Zeit gleichbedeutend mit dem Wiedersehen alter Bekannter ist. Neben den treuesten der Treuen gibt es nämlich auch diejenigen, die nach einer längeren Pause wieder zu ihrer „TV-Familie“ zurückgefunden haben und solche – besonders Jüngere –, die, wenn man zahlreichen YouTube-Kommentaren Glauben schenkt, zum Teil über ihre Großeltern etwa zu «Sturm der Liebe» gefunden haben.
Und außerdem gilt es Folgendes zu bedenken: Als das ZDF 2004 «Bianca – Wege zum Glück» ins Rennen schickte, lag der Fokus zwar noch nahezu ausschließlich auf den sich aus der linearen Ausstrahlung ableitenden Markteinteilen, alle anderen genannten Vorzüge hatte man allerdings sicherlich ebenfalls bereits im Hinterkopf. Neben der Grundy UFA (mittlerweile UFA Serial Drama) war im Übrigen auch noch teamWorx (damals schon Teil der UFA-Familie und später in UFA Fiction aufgegangen) an der Realisierung der ersten Staffel beteiligt. Die finale Folge wurde 2005 von 3,48 Millionen geschaut und der Marktanteil beim Gesamtpublikum belief sich auf sensationelle 28,8%. Kein Wunder also, dass sich der Sender und die für die Umsetzung Zuständigen schließlich darauf einigten, ihren Ausgangsplan zumindest leicht zu modifizieren: Ursprünglich hieß es nämlich von allen Involvierten stets, dass nach den geplanten 200 Episoden, aus denen letztlich 224 wurden, eigentlich Schluss sein sollte.
Der enorme Zuschauerzuspruch führte letztlich zum Fortbestehen der Marke. Dies ging dann so weit, dass man nach dem Austausch des Protagonistinnennamens im Titel (aus „Bianca“ wurde „Julia“) beim Übergang von Staffel 1 zu 2 ab dem dritten Paar sogar auf deren Nennung komplett verzichtete und «Wege zum Glück» dadurch endgültig zur „Dailynovela“ machte. Zweimal wechselte man zwar noch das Hauptpaar und selbstredend veränderte sich auch immer wieder der Cast, jedoch spielte die Handlung weiterhin im fiktiven Falkental, wo Julias (Susanne Gärtner) und Daniels (Roman Rossa) Reise seinerzeit begann. Dass Julia und Bianca einem Serienuniversum entstammen, wissen die treuen Zuseherinnen und Zuseher im Übrigen spätestens, seit Nicola Ransom alias Katy Wellinghoff/Neubauer, das erste deutsche Telenovela-Biest, ein Comeback an anderem Ort feiern durfte.
Man hätte im Prinzip also genauso verfahren können, wie es bei den täglichen Nachmittagsserien der ARD seit über zehn Jahren praktiziert wird. Doch bekanntlich entschied man sich anders und gab im Sommer 2008 bekannt, dass im Frühjahr 2009 die vorerst letzte «WZG»-Traumhochzeit stattfinden werde und verwies vor allem darauf, dass man das Serienende an das der legendären Intrigantin Annabelle Gravenberg/van Weyden (großartig von Isa Jank, die für viele wohl auf ewig Clarissa von Anstetten bleiben wird, gespielt) knüpfen wolle. Das ist sogar in gewisser Weise nachvollziehbar, denn immerhin war diese von Staffel zwei bis fünf eine ganz zentrale Figur, die «Wege zum Glück» wie keine andere prägte. Es wäre zweifellos für jeden anderen Antagonisten nach ihr schwer gewesen, auch nur annähernd ihre Fußstapfen ausfüllen zu können.
Es überrascht daher fast doppelt, dass man sich auf dem Mainzer Lerchenberg so häufig für den Restart entschied, denn selbst als Bianca den Staffelstab seinerzeit an Julia übergab, dauerte es, bis man den Übergang – auf einem vergleichsweise hohen Niveau – hinbekommen hatte. Und auch aus den Erfahrungen, die man mit dem vermeintlich kongeniale Duo-Partner für Julia, namentlich «Tessa» (vor der Verschiebung in die Nacht zumeist nur fünf bis sechs Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum), gemacht hatte, hätte man eigentlich etwas gelernt haben müssen. Dem war offenbar allerdings nicht so. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass der eigentlich wie für Dailynovelas geschaffene Sendeplatz mit der angesprochenen Ausnahme «Wege zum Glück – Spuren im Sand» nun schon seit vielen Jahren überwiegend mit «SOKO»-Wiederholungen oder alten Heldentaten der Rosenheimer Kriminalpolizei bestückt wird. Das mag eine günstige Lösung für das ZDF sein, die auch mit Blick auf die Quoten Sinn ergibt, jedoch ebenfalls eine, die einem Sender, der auf das Gesamtpublikum bezogen die Nummer 1 ist und bleiben will, eigentlich nicht gerecht wird, und zu der es mit etwas mehr Vertrauen in die Bewohner Falkentals auch mit ziemlicher Sicherheit nicht hätte kommen müssen.