Basierend auf wahren Ereignissen: «Dem Horizont so nah»

Basierend auf einer tragischen wahren Geschichte erzählt Tim Trachte in seinem romantischen Drama «Dem Horizont so nah» von einer Liebe, die nicht sein darf und die sich entgegen aller Widerstände trotzdem zu etwas Wunderschönen entwickelt.

Filmfacts: «Dem Horizont so nah»

  • Start: 10. Oktober 2019
  • Genre: Drama/Romanze
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 109 Min.
  • Kamera: Fabian Rößler
  • Musik: Michael Kamm
  • Buch: Ariane Schröder
  • Regie: Tim Trachte
  • Darsteller: Jannik Schümann, Luna Wedler, Frederick Lau, Denis Moschitto, Luise Befort, Stephan Kampwirth, Victoria Mayer
  • OT: Dem Horizont so nah (DE 2019)
Blickt man auf das jüngere Schaffen von Regisseur Tim Trachte, so wird man nicht recht schlau ob dessen handwerklichen Geschicks. Seiner grob unterschätzten, da im Kern eigentlich wahnsinnig liebenswerten Schulcomedy «Abschussfahrt» ließ er erst den ähnlich aufrichtig mit seinen Figuren ins Gericht gehenden, dritten Teil der «Vampirschwestern»-Saga folgen und in diesem Jahr die nahezu komplett verhunzte Hörspielverfilmung «Benjamin Blümchen» – bei der man genau das vermisste, was wir an «Abschussfahrt» zuvor noch so lobend hervorhoben: Leidenschaft für die Materie und eine unbändige Liebe für die Hauptfiguren. Gerade einmal drei Monate später legt Trachte nun nach: Für «Dem Horizont so nah» bedient er sich einmal mehr an einer bekannten Vorlage; in diesem Fall an Jessica Kochs autobiografisch eingefärbter Dramaromanze «Dem Horizont so nah», dem Auftakt der sogenannten „Danny-Trilogie“.

Es ist schon skurril, dass man sich gerade noch durch die lieblosen Billigkulissen eines fast vollständig am Computer entstandenen Zoos kämpfen musste, in denen ein hundsmiserabel animierter Elefant durch die Gegend stakste, während man im Falle von «Dem Horizont so nah» zu jedem Zeitpunkt das Gefühl hat, dass die hier präsentierten Bilder ganz einfach auf die Leinwand gehören, da sie nur noch ein kleines Stück entfernt sind von Hollywood-Hochglanz. Und die Optik ist bei Weitem nicht das einzig Starke an dieser im Großen und Ganzen wirklich gelungenen Teenie-Romanze.

Lovestory unter bitteren Vorzeichen


Jessica (Luna Wedler), 18, ist jung, liebt das Leben und hat Aussichten auf eine vielversprechende Zukunft, als sie sich eines Tages Hals über Kopf in Danny (Jannik Schümann), 20, verliebt. Er ist gutaussehend, charmant und selbstbewusst, doch hinter der perfekten Fassade liegt ein dunkles Geheimnis. Jessica muss einsehen, dass es die gemeinsame Zukunft, von der sie geträumt hat, so nicht geben wird, aber eins ist für sie klar: Sie glaubt an diese Liebe und an Danny und sie wird für ihn und diese Liebe kämpfen, denn es kommt nicht darauf an, wie lange man geliebt hat, sondern wie tief.

Man mag es kaum glauben und doch ist es die bittere Wahrheit: Die tragische Geschichte der beiden Hauptfiguren Jessica und Danny hat sich so im wahren Leben ereignet. Die Autorin Jessica Koch schrieb ihre Erfahrungen als große Liebe eines Todkranken in mittlerweile drei Romanen nieder, in denen sie erzählt, wie sich ein junges Mädchen unsterblich in einen Mann verliebt, der schon bald nicht mehr leben wird. Er ist mit dem HI-Virus infiziert. Und sobald dieses ausbricht, bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Wir brauchen gar nicht erst den Ausgang der Geschichte vorwegnehmen, wenn wir verraten: Es werden nicht nur auf der Leinwand viele Tränen fließen, sondern auch beim Publikum. Denn Tim Trachte hat das Skript von Drehbuchautorin Ariane Schröder («Hin und weg») inszenatorisch so kongenial auf die Zielgruppe der Zwölf- bis Sechzehnjährigen zugeschnitten, dass zwischendurch immer mal wieder Taschentuchalarm vorprogrammiert ist – das war beim Buch schließlich auch nicht anders.



Dass insbesondere die mit fortlaufender Spieldauer immer härter auf das Pärchen einprasselnden Schicksalsschläge sowie die Reaktionen auf dieselben nie ins Konstruiert-Rührselige abdriften, liegt insbesondere an der sehr authentisch inszenierten, stark gespielten und nachvollziehbar erzählten Anfangsphase. Denn insbesondere das Kennenlernen zwischen Jessica und Danny erweist sich als die hinreißendste Phase von «Dem Horizont so nah» – selten hat man mit jungen Liebenden so mitgefühlt wie hier, was zugegebenermaßen auch daran liegt, dass das Genre der Romanze im Kino aktuell erschreckend unterrepräsentiert ist.

Wunderschöner Auftakt, hektisches Ende


Doch wenn wir schreiben, dass die Anfangsphase von «Dem Horizont so nah» so stark ist, dann bedeutet das zwangsläufig auch, dass andere Abschnitte weniger gelungen sind. Das liegt daran, dass Tim Trachtes auch ganz ohne das Wissen darum, dass „Dem Horizont so nah“ auf einem Roman basiert, die typischen Probleme einer solchen Adaption offenbart. Im Klartext: Der Film erzählt letztlich viel zu viel Stoff in viel zu wenig Leinwandzeit. Denn nachdem sich das Skript so extrem viel Zeit für den Prozess des Verliebens aufwendet, kann Tim Trachte die Vorzüge der ersten Stunde nicht bis zum Schluss aufrechterhalten. So hervorragend komponiert die Bilder (Trachtes Stammkameramann Fabian Rösler) und so treffsicher der Soundtrack gewählt sind, so hektisch steuert die Geschichte auf ihr niederschmetterndes Finale zu. Kenner des Buches wissen: In zwei Büchern geht die Geschichte weiter. Und sollten auch auf die erste filmische Adaption noch zwei Fortsetzungen folgen, ist die übereilt diverse offene Erzählstränge zu Ende führende zweite Hälfte des Films vielleicht noch zu verschmerzen.

So aber ereignen sich auf der Leinwand plötzlich derart viele Dinge auf einmal, dass «Dem Horizont so nah» auf der Zielgeraden wesentlich konstruierter wirkt als noch zu Beginn.

Das ist vor allem deshalb besonders schade, da das um Authentizität und Realismus bemühte Skript dafür sorgt, dass «Dem Horizont so nah» nicht wie befürchtet in reinem Kitsch versinkt, sondern neben der Lovestory auch die bittere Note des Krankheitsdramas perfekt zur Geltung kommt. Leidtragende der so unausgegorenen Dramaturgie sind andere Dinge. Das gilt insbesondere für den Handlungsstrang rund um Dannys Mitbewohnerin Tina, die das Skript zunächst als Scheinbar-Widersacherin einführt und später bemerkenswert konsequent aus der Szenerie entlässt. Dazwischen kommt nur minimal die eigentlich in Tina bestehende, emotionale Komplexität zum Tragen; nicht zuletzt, da Luise Befort («Der Club der roten Bänder – Wie alles begann») einfach zu wenig Screentime erhält, um die Stärken ihrer Figur auszuspielen. Dasselbe gilt auch für sämtliche Nebencharaktere, die vorwiegend auf ihre Funktion innerhalb der Handlung beschränkt sind; von Jessicas liebevollen Eltern (Victoria Mayer und Stephan Kampwirth) über Dannys Sporttrainer (Frederick Lau) bis hin zu seinem Betreuer Jörg (Denis Moschitto) – viel zur Handlung beizutragen haben sie alle nicht, aber dank der durchweg hervorragenden Darsteller wäre es doch schade gewesen, hätte man vollständig auf ihr Auftreten verzichtet.

Am Ende bereiten sie eben vor allem diesem hinreißenden Leinwandpaar die Bühne, bestehend aus der Neuentdeckung Luna Wedler («Das schönste Mädchen der Welt») und Jannik Schümann («Charité»), die gemeinsam ganz hervorragend in ihren hingebungsvollen Rollen aufgehen, weshalb man der erst aufkeimenden und später immer enger werdenden Liebe zwischen Jessica und Danny nur zu gern zusieht.

Fazit


Obwohl die dramatisch-romantische Romanverfilmung «Dem Horizont so nah» im letzten Drittel unnötig gehetzt wirkt, gefällt der überwiegende Teil aufgrund des herzzereißenden Spiels der beiden Protagonisten sowie einer Geschichte, die insbesondere durch den Mut überzeugt, schwere Themen aufzugreifen, mit denen eine angenehme Konsequenz einhergeht.

«Dem Horizont so nah» ist ab dem 10. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.
08.10.2019 14:30 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/112695