Kampf der Streaming-Dienste: Kommen neue High-End-Serien?

In den nächsten drei Jahren werden fünf Streaming-Dienste in Deutschland mit amerikanischen Waren um Abonnenten kämpfen. Wird die Zukunft mehr mittelmäßige Ware hervorbringen oder doch die nächsten «Game of Thrones»?

Im November 2019 startet Disney seinen Streaming-Dienst, ein halbes Jahr später zieht WarnerMedia mit HBO Max nach. Auch Comcast möchte in den Vereinigten Staaten von Amerika in Zusammenarbeit seiner Tochterfirmen Sky und NBC einen Dienst online stellen. In den Studios werden immer mehr Serien produziert, aber kommen qualitative Schwergewichte wie «Game of Thrones» nach?

Vor zwei Wochen überraschte der Disney-Konzern, dass er den Weg von Netflix und Amazon nicht gehen möchte. Man werde nicht komplette Staffeln von neuen Serien auf einen Schlag veröffentlichen. Die «Star Wars»-Serie «The Mandalorian» wird so mehr Aufmerksamkeit bekommen. Insgesamt sind zwei Staffeln mit 18 Episoden in Produktion, mit der Netflix-Methode hätte man vermutlich an zwei Tagen Aufmerksamkeit.

Selbst Netflix ist von seinem eigenen Weg nicht mehr wirklich begeistert und teilt einige seiner Serien. Von der Matt-Groening-Animations-Comedy «Disenchantment» bestellte Netflix zunächst 20 Episoden, zeigte im ersten Schwung aber nur zehn davon. Im September 2019 geht die erste Staffel nach 13 Monaten Pause mit den zehn verbliebenen Folgen weiter. 20 weitere Abenteuer sind schon angekündigt, die in den Jahren 2020 und 2021 gezeigt werden sollen.

Zurück zum linearen Fernsehen. Das US-Network CBS bestreitet den Herbst einer TV-Saison mit rund 20 fiktionalen Formaten. Zugegeben: Formate wie «Magnum PI» (Metascore: 48/100) oder «Bull» (40/100) sind ebenfalls wie «MacGyver» (30/100) qualitativ schlecht. Einige dieser mittelmäßigen Formate sind große Aushängeschilder der Networks, jedoch hat man sich bei den großen Sendern inzwischen abgefunden, dass die Serien nicht mehr zu kompliziert sein dürfen. Der Konsument soll jederzeit ein- und aussteigen können.

Im amerikanischen Network-Fernsehen gibt es derzeit – mit Ausnahme von The CW – fast nur noch Procedurals. Jede Geschichte sollte für sich alleine stehen und am Ende der Folge sind die Ausgangsbedingungen wieder hergestellt. Serien wie «The Good Doctor», die einen kleinen roten Faden haben, stellen die Ausnahme dar. Als Mischformen Serial/Proceduarals könnte man «The Good Wife» und «Person of Interest» bezeichnen, doch beide Formate sind seit Jahren eingestellt.

Einige erfolgreiche Autoren haben sich in die Nische zurückgezogen. «Rome»- und «The Mentalist»-Mastermind Bruno Heller verantwortete «Gotham» für FOX – derzeit ist er aber mit der Epix-Serie «Pennyworth» beschäftigt. Sitcom-Spezialist Chuck Lorre, der in den 90ern «Cybill» und «Dharma & Greg» produzierte, feierte mit «Two and a half Men» und «The Big Bang Theory» in den vergangenen Jahren große Erfolge. „Im Zwiespalt zwischen schnellem, billigem Lacher und ernsthaftem Interesse an seinen Charakteren entscheidet sich Lorre zwar deutlich häufiger für den erzählerisch nachhaltigeren Zugang als in seinen bisherigen Projekten: Doch die letzte Konsequenz lässt leider auch «The Kominsky Method» missen – obwohl sie zweifelsfrei seine inhaltlich gelungenste Serie ist“, schrieb Julian Miller über Lorres «The Kominsky Method». Doch ist das Format ein Erfolg? Netflix gibt keine Zahlen heraus und somit könnte es ebenso ein Nischenprojekt sein.

Die Verantwortlichen bei WarnerMedia überraschten, dass sie nicht vorwiegend bei der Schwesterfirma Warner Bros. bestellten, sondern zahlreiche Projekte von Firmen wie Amblin Television, Lionsgate Television, Paramount Television und ein «Gossip Girl»-Sequel in Zusammenarbeit mit CBS Television Studios. Zahlreiche Projekte von The CW sollen wöchentlich das Portfolio ergänzen. Zudem wird das Unternehmen sämtliche Inhalte seiner übrigen Sender und das Filmarchiv einbinden.

Auch der Pay-TV-Sender Home Box Office (HBO) muss sich verändern, um zu bleiben, was er ist. Die Verantwortlichen Manager der Mutterfirma AT&T wollen mehr Content, sprich mehr Serien, und das um jeden Preis. Immerhin ist HBO in den Vereinigten Staaten immer noch vergleichsweise teuer und Disney versucht sich mit einer attraktiven Preispolitik in Stellung zu bringen.

Schlussendlich benötigen die Studios starke Produzenten, die sich auf ihre Inhalte fokussieren. «Chernobyl» als Fünfteiler zu produzieren, war der richtige Schritt. Bei Serien wie «Marvel’s Jessica Jones» merkt man schon in Staffel eins, dass das Format mit weniger Folgen spannender wäre. Auch die Füllfolgen von «Breaking Bad» sind in der fünften Staffel offensichtlich. Die Produzenten müssen mit ihren Inhalten haushalten.

Genauso wie in Deutschland ein weiteres «SOKO»-Spin-Off unnötig ist, braucht Amerika kein weiteres ungleiches Ermittler-Duo. «Sherlock» ist durch seine 13 Folgen genial, die CBS-Serie «Elementary» kann mit 154 Episoden gar nicht diese Qualität halten. «Emergency Room» gehörte lange zu den inhaltlich besten Serien, da das Ensemble riesig war und stets neue Figuren dazu kamen. Außerdem ist das Thema „unterfinanziertes Krankenhaus, bei dem die Ärzte gegen das System kämpfen“ unterbesetzt. Bei «Grey’s Anatomy» stehen die Liebesbeziehungen im Vordergrund, bei «New Amsterdam» sieht man einen Arzt als Übermensch alles gleichzeitig machen. «The Good Doctor» ist eine Mischung aus «Dr. House» und «Atypical». Diese Serien sind recht nahe an «Emergency Room», aber konzentrieren sich auf andere Kernkompetenzen.

Der Vorteil des linearen Fernsehens war, dass die besten Inhalte zur attraktivsten Sendezeit ausgestrahlt wurden. Doch mit dem Streaming wurde diese Barriere aufgehoben, Abonnenten können jederzeit eine Serie wie «House of Cards» streamen. Mit «Game of Thrones» hat HBO mit seinen internationalen Partner ebenfalls zeigen können, dass Eventfernsehen möglich ist. Dies versucht man im Herbst mit der BBC-Koproduktion «His Dark Materials» zu wiederholen.

Wird das funktionieren? An der Antwort beißen sich hoch bezahlte Manager zwischen Los Angeles und Berlin die Zähne aus. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass Serien wie «Sopranos» durch DVDs von Millionen Menschen verfolgt werden? Mit dem Streaming kam «Breaking Bad» auf ein Vielfaches seiner Zuschauer. Vielleicht müssen die Grenzen von Erfolg neu definiert werden? Kann man Serien anhand von siebentägigen Einschaltquoten noch bewerten? Das Internet verschiebt seit Jahren die Machtverhältnisse. Und es wird damit noch nicht aufhören.
08.09.2019 10:54 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/111965