Faszination Horrorfilm – Von Psychos, Zombies und Haien

Der erste Teil der Quotenmeter Horrorreihe behandelte den Ursprung des Genres und hat gezeigt wie sich der Horrorfilm über die Jahrzehnte hinweg entwickelt hat. Es wurden die ersten Schritte des Horrors im Frankreich der späten 1800er Jahre behandelt und thematisiert, wie das zerrüttete Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg den Horrorfilm überhaupt als solchen etablierte. Der zweite Teil der Quotenmeter Horrorreihe dreht sich um den Horror der 1960er Jahre, die Rolle von Alfred Hitchcock und den Beginn des Siegeszuges der Zombies.

Der Horrorfilm ist ein Genre, das für seinen Nervenkitzel bekannt und von manchen gefürchtet ist. Diese filmische Anspannung kann sich durch eine Vielzahl an Arten äußern. In einem Horrorfilm wie Stanley Kubricks «The Shining» (1980) ist es die unheimliche Atmosphäre und das Gefühl einer latenten Bedrohung, die nicht zu greifen ist. Man könnte sagen, dass das Gefühl des Unbekanntes, des Unheimlichen, die klassischste Form der Angst ist, die ein Horrorfilm vermitteln möchte. Doch abseits dieser Emotion kann der Horror sich auch durch andere Elemente äußern. Allen voran: Gewalt. Ob sich diese nun durch einen exzessiven oder subtilen Einsatz äußert, hängt von dem jeweiligen Film ab.
Einer der wegweisendsten Filme in dieser Hinsicht kam 1960 trotz großen Kontroversen in die Kinos.

«Psycho», von niemand geringerem als der britischen Regielegende Alfred Hitchcock, revolutionierte den Horrorfilm und stand in den Jahren nach seiner Veröffentlichung als das Sinnbild für einen „Schocker“. Maßgeblicher Grund für die Skandale, die sich um Hitchcocks Film drehten, war die „Duschszene“, die sich mittlerweile als essentieller Bestandteil eines filmischen Kanons etabliert hat. Hauptprotagonistin Marion, gespielt von „Scream Queen“ Janet Leigh, wird im Verlaufe des Films in der Dusche erstochen, was die Zensoren der damaligen Zeit dazu veranlasste, über die nackte Haut und Gewalt, die man in der Szene sah, heiß zu diskutieren. Auch wenn «Psycho» durchaus auch als Thriller anstatt als Horrorfilm gesehen werden kann, findet man Hitchcocks Meilenstein doch oftmals in Horrorfilmliteratur und Diskussionen wieder. 1960, das Veröffentlichungsjahr von «Psycho», kann also als Wegweiser in eine neue Ära des Horrors gesehen werden. In eine neue Zeit, in der der Horror deutlich stärker durch Gewalt erzeugt wurde als zuvor.



Im selben Jahrzehnt zeichnete sich eine filmische Bewegung ab, die bis heute einer der größten treibenden Kräfte des Horrorgenres ist. Der Zombiefilm – mittlerweile praktisch ein eigenständiges lebendiges Genre. Und der Film, der die Welle an Filmen mit Untoten in allen Formen und Farben los trat, war «Die Nacht der lebenden Toten» (1968). Mit einem Budget von gerade einmal einhunderttausend US-Dollar schuf Regisseur George A. Romero ein Film, der trotz seiner schwarz weiß Optik mit seiner Gewalt und der Thematik der lebendig gewordenen Toten das Publikum verstörte. Und das, obwohl es Romeros Debüt und erster vollwertiger Spielfilm war. Romero, der als Vater des Zombiefilmgenres gilt, erregte 1978 eine noch größere Aufmerksamkeit, als er es ohnehin schon mit seinem Debüt getan hatte. «Dawn oft he Dead», auch schlicht unter den Titeln «Zombie» oder «Zombies im Kaufhaus» bekannt, geizte nicht mit roter Farbe und exzessiver Gewalt. Zugleich erzählte der Zombiefilm eine ernsthafte und dramatische Geschichte rund um eine Gruppe Menschen, die sich in einem Kaufhaus verschanzen. Mit «Dawn of the Dead» zeigt Romero nicht nur die Innereien anderer Menschen, die die Zombies allzu gerne herausreißen, sondern wirft zugleich soziale Fragen im Kontext eines Horrorfilms auf.

Es gibt zahlreiche Interpretationen darüber, wofür Zombies stehen können. Die Angst vor einer entfremdeten Gesellschaft, sich in der Masse zu verlieren oder aber die Furcht vor einer höhere Macht, der man nicht entkommen kann. Die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten erscheinen endlos und lassen den Horror-, bzw. Zombiefilm in einem intelligenteren Licht dastehen, als man es auf den ersten Blick vermuten mag. So ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass im Finale von «Die Nacht der lebenden Toten» ein Farbiger für eines der untoten Monster gehalten und erschossen wird. Zu einer Zeit, in der die Verfeindung zwischen den Hautfarben noch stärker als heutzutage war, greift der Konflikt zwischen den Lebenden und den Toten eben diese Parallele gekonnt auf.

Doch die Popularität des Zombiefilms ist nicht das einzige, was der Horrorfilm Mitte der 1960er und 70er hervorbrachte. Große Werke wie «Wenn die Gondeln Trauer tragen» (1973), «The Wicker Man» (1973), «Rosemaries Baby» (1968) und «Suspiria» (1977) erblickten in dieser Zeit das Licht der Leinwand. Auch «Das letzte Haus links» (1972) und «Blutgericht in Texas» (1974), auch besser unter dem Titel «The Texas Chainsaw Massacre», zählen zu dieser Filmepoche. Gerade diese beiden Titel sind für ihre massive Gewalt in sowohl subtiler, als auch plakativer Darstellung berühmt berüchtigt. Sie führten nicht nur zu dem Kult, der sich um sie scharte und zahlreiche Sequels, Reboots und Remakes nach sich zog, sondern auch zu einer internationalen Diskussion um Jugendschutz und Gewaltdarstellungen in Filmen.

Den Höhepunkt dieser Diskussion erlangte man 1980 mit dem italienischen Kannibalenfilm «Cannibal Holocaust», der in Deutschland den subtilen Titel «Nackt und zerfleischt» trägt. In diesem umstrittenen Film wurde reale Gewalt an Tieren gezeigt, sowie grotesk entstellte Menschen, was damals sogar rechtliche Schritte für die Filmemacher nach sich zog. Ob man diesen Film nun ebenfalls als Horrorfilm bezeichnen kann, ist fraglich. Fakt ist jedoch, dass er zusammen mit den oben genannten Titeln maßgeblichen Einfluss darauf hatte, wie die Öffentlichkeit sich gegenüber der Gewalt in Filmen, insbesondere Horrorfilmen, verhält.

Man mag nun eine gewisse Stigmatisierung erkennen, die spätestens seit Anfang der 1970er Jahre an dem Horrorgenre haftet. Und doch war es ein Horrorfilm, der in diesem Jahrzehnt „den“ Blockbuster begründete. Spricht man über die «Star Wars»- oder «Indiana Jones»-Reihe, die Crème de la Crème der vollen Kinokassen, war ein Horrorfilm letztlich ausschlaggebend dafür. Es ist 1975, die Menschen stehen Schlange um die Häuserblocks, um ihn zu sehen: «Der weiße Hai». Bis heute gilt Steven Spielbergs erster und einziger Ausflug in das Genre des Horrorfilms als eines der stärksten Werke seiner Filmographie. In gewisser Weise fährt «Der weiße Hai» im Fahrwasser der klassischen Monsterfilme, wie sie jedes filmische Jahrzehnt hatte und erschafft dennoch etwas Eigenes. Der Ursprung des großen Blockbusterkinos, wie man es heute kennt, liegt also maßgeblich in den Gewässern, die damals Spielbergs Weißer Hai einschlug.

Die 1980er Jahre markierten eine absolute Glanzzeit für das Genre des Horrorfilms. Klassiker wie «Poltergeist» (1982), «Nightmare – Mörderische Träume», auch besser bekannt unter «A Nightmare on Elm Street» (1984), «The Shining» (1980) und «Freitag der 13.» (1980) haben einen Kult um sich herum geschaffen und haben das Kunststück vollbracht, bis heute auf die eine oder andere Weise relevant zu bleiben. Viele dieser Filme waren wiederum stark beeinflusst von John Carpenters «Halloween», mit dem der Regisseur 1978 das Horrorgenre revolutionierte. Diesen Einfluss spürte man auch noch weit in die 1980er Jahre hinein, nicht zuletzt durch die «Halloween»-Sequels, von denen alleine in den 80ern vier Stück erschienen sind. Noch dazu feierten praktische Effekte im blutigen Gorebereich eine regelrechte Hochzeit mit Filmen wie «Re-Animator» (1985), «Die Fliege» (1986) und «Das Ding aus einer anderen Welt» (1982), in denen Maskenbildner ihr Können unter Beweis stellen konnten und damit Standards gesetzt haben, die bis heute gelten.

Die Historie des Horrorfilms ist so vielseitig, dass sie in mehreren Artikeln behandelt werden muss. Im nächsten Teil der Quotenmeter-Horrorreihe werden die 1990er Jahre beleuchtet und erklärt, warum sich gerade in diesen Humor und Horror miteinander stärker vermischten als zuvor. Und auch der moderne Horror, der auch im heutigen Kino sein Unwesen treibt, wird behandelt.

Teil 3 dieser Reihe erscheint kommende Woche. Zu Teil 1 geht es hier.
06.08.2019 16:03 Uhr  •  Martin Seng Kurz-URL: qmde.de/111235