«Richtig & Wichtig»: „YouTube-Politik“ scheitert im TV

Herzlich willkommen im Netz! Auf YouTube gibt es viele Kanäle, die sich mit Politik und gesellschaftlich wichtigen Themen auseinandersetzen. Thilo Jung betreibt einen dieser Kanäle und versuchte sich 2018 mit einer Pilot-Show im ZDFneo, der es nie ins TV schaffte, bis letzte Woche. Aus diesem Anlass beleuchten wir zwei große Nachrichten-YouTuber Deutschlands.

Tilo Jung – Politik unkompliziert aber im Detail


Schon lange ist der Journalist und YouTuber Thilo Jung für seine Videos, die sich mit der Politik auseinadersetzen, auf der Webvideoplattform bekannt. 2018 probierte er sich in Zusammenarbeit mit dem ZDF und SeaPoint an einem Piloten für eine neue TV-Show. «Richtig & Wichtig» schaffte es aber nie über den Testlauf hinaus, soweit nicht ungewöhnlich. Allerdings entschloss sich das ZDFneo vor kurzem doch noch zumindest den Piloten ins Programm zu nehmen. Frühmorgens am 14. April um 4.55 Uhr wurde die 30-minütige Show einmalig ausgestrahlt, so dass wahrscheinlich wirklich nur die Hardcore-Fans einschalteten. Besonders schade ist dabei, dass «Richtig & Wichtig» im Anschluss nicht mal einen Platz in der ZDF-Mediathek fand. Der Sender bemühte sich also nicht wirklich, dass die Show beim ZDF noch ein Publikum findet.



Immerhin reagierte Thilo Jung und entschied die TV-Version der aufgezeichneten Show, die am 9. Januar 2018 produziert wurde, auf YouTube hochzuladen. Nach fünf Tagen hatte das Video inzwischen knapp 50.000 Aufrufe und wurde fast 2.000 Mal mit einem Daumen nach oben bewertet. Dass in der Bevölkerung kein Interesse für «Richtig & Wichtig» bestand, kann man also nicht wirklich sagen. Besonders beachtlich ist, dass die Aktualität des Formates durch die lange Pause vor der Veröffentlichung nicht gegeben ist und sich trotzdem zahlreiche Menschen die Sendung angesehen haben. Der Pilot ähnelt nämlich einer Mischung aus US-Late-Night-Show und Satire-Formaten, wie die «heute-show». Tilos Zuschauer äußerten sich in den Kommentaren gemischt über die Show. Während viele bedauerten, dass das ZDF das Experiment mit Jungs Show nicht gewagt haben, lassen sich auch viele Kommentare finde, die der Meinung sind, dass der YouTuber durch den Fernsehcharakter zu sehr von seiner eigenen Persönlichkeit vermissen lässt und froh über seinen „normalen“ Content auf YouTube sind.

Zu seinen eigentlichen Stärken gehören nämlich das preisgekrönte Interview-Format „Jung & Naiv“. Dort trifft er sich regelmäßig mit wichtigen Personen aus der Politik und bespricht mit ihnen eine Stunde lang wichtige gesellschaftliche Themen. Dabei versucht er die Interviews immer möglichst einfach zu gestalten und spielt den naiven jungen Fragensteller, das heißt: Fremdwörter und zu komplizierter Fachjargon sind tabu. Für das Format ist dem Team um Tilo Jung kein Weg zu weit, im Zuge der Krim-Krise reisten die Webvideoproduzenten kurzer Hand selbst in die Ukraine, um vor Ort Fragen zum Krieg zu stellen. Während des Gaza-Konfliktes war „Jung & Naiv“ auch in Israel und Palästina vor Ort. Im Juni 2014 bekam die Interviewreihe für das große Engagement den Grimme Online Award in der Kategorie Information. Bis zur Einstellung des TV-Senders Joiz war die Show auch dort in kürzerer Form vertreten.



Thilo Jungs Politik-Kanal begeistert inzwischen über 180.000 Abonnenten und seine Videos wurden über 55 Millionen Mal aufgerufen. Neben „Jung & Naiv“ gehören auch die Bundespressekonferenzen, das Regierungstagebuch und der Podcast „Aufwachen“ zu den regelmäßigen Formaten

LeFloid – der populärste Anchorman auf YouTube


Wenn es um Politik und Nachrichten auf der Webvideoplattform geht, dann darf LeFloid natürlich nicht fehlen. Sein Kanal ist mit über drei Millionen Abonnenten einer der Größten Deutschlands. Bekannt geworden ist er mit seinem zweimal in der Woche stattfindenden Format „LeNews“, in der Florian Dietrich wichtige Themen in ein circa zehnminütiges Nachrichtenvideo verpackt. Zahlreiche junge Menschen nutzen das Format, um über aktuelle Geschehen in der Welt informiert zu bleiben. Allerdings steht in diesem Format vor allem die Unterhaltung im Vordergrund, weshalb man sich nicht nur auf die Aussagen in diesen Videos stützen sollte, sondern bei Interesse weiter recherchieren sollte.



Große Aufmerksamkeit erlangte das Wirken von LeFloid in allen deutschen Medien, als er im Juli 2015 ein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel führen durfte. Unter dem Hashtag #NetzFragtMerkel sammelte er im Vorfeld Fragen aus der Community, um diese dann der Kanzlerin zu stellen. Das Video mit der Kanzlerin aus 2015 wurde inzwischen über 5,7 Millionen Mal aufgerufen und bekam über 250.000 Daumen nach oben. Die Kritiken zum Interview fielen allerdings gemischt aus. Zum einen wurde gelobt, dass die Politik den jungen Menschen auf YouTube nun endlich Gehör verschaffte, zum anderen wurde aber auch der Stil von LeFloid kritisiert, da dieser „zu brav und zögerlich“ nachfragte und Merkel in der Komfortzone ließ. Das Video mit der Kanzlerin aus 2015 wurde inzwischen über 5,7 Millionen Mal aufgerufen und bekam über 250.000 Daumen nach oben.

Unabhängig davon sind die Inhalte seiner Videos auf YouTube von enormer Qualität. 2017 wurde LeFloid für seinen Kanal mit dem Goldenen Kamera Digital Award geehrt, 2013 und 2014 bekam er den deutschen Webvideopreis und 2013 wurde er mit der 1 Live Krone ausgezeichnet.
27.04.2019 13:00 Uhr  •  Niklas Spitz Kurz-URL: qmde.de/108754