Tyron Ricketts: 'Neue Horizonte eröffnen'

Seit den 90ern ist Tyron Ricketts im deutschen Fernsehen präsent. Jetzt betreibt er seine eigene Produktionsfirma, die den Fokus auf People of Colour legen möchte. Denn: (Alltags)-Rassismus sei in Deutschland noch immer an der Tagesordnung.

Zur Person: Tyron Ricketts

Ricketts war Moderator bei Viva, Musiker und spielte unter anderem in Lars Beckers «Bunte Hunde» und «Kanak Attack» sowie als Kommissar bei «SOKO Leipzig». Darüber hinaus konzeptionierte Ricketts für Harry Belafonte Social-Media-Strategien gegen Rassismus in den USA. Schon 1995 gründete Ricketts seine TV-Produktionsfirma Panthertainment, die einst Formate für den Musiksender Viva produzierte und mit einer Inhouse-Agentur ein Künstlermanagement für Afro-Deutsche anbot.
Herr Ricketts, Sie haben 2018 eine eigene Firma gegründet und wollen mit dieser Filme produzieren, die vermehrt auch People of Colour in tragenden Rollen haben. Wie entstand diese Idee?
Die Firma gab es einst schon mal in den 90ern. Damals moderierte ich für VIVA eine HipHop-Sendung, die ich dann auch fünf Jahre lang selbst produziert habe. Danach habe ich mich aber eher auf das Schauspiel konzentriert. Ich habe inüber 60 Filme mitgespielt. Danach hat es mich für fünf Jahre in die USA gezogen, wo ich die Ehre hatte, mit Harry Belafonte zu arbeiten. Dort habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass man bestimmte Strukturen braucht, um Themen angemessen umsetzen zu können. Ich habe ja Diversität schon immer gefördert. Letztlich entstand dann in Amerika auch die Idee, mit meiner Firma den Fokus auf People of Colour zu legen. Mit diesem Ausdruck definieren wir letztlich alle Menschen, die sich nicht als politisch weiß-priviligiert bezeichnen.

Neulich haben Sie in einem Interview schon mal über Rassismus im Alltag gesprochen. Das Thema ist ja jetzt wieder ganz aktuell. Muss man also auch 2019 noch sagen: Rassismus ist an jeder Ecke?
Wenn wir nur über den medialen Bereich sprechen, dann hatten wir im vergangenen Jahr zum Beispiel die Oscarshowhite-Debatte. Darüber hinaus ist festzustellen, dass viele Geschichten einen sehr eurozentrischen Blickwinkel haben. Als Kind lernt man, Columbus hat Amerika entdeckt. Aber keiner spricht darüber, dass dort ja vorher schon Menschen lebten. Das zeigt, wie wir auch geschichtlich bedingt die Welt aus einer eurozentrischen Perspektive sehen. Das setzt sich in vielen Bereichen fort. Das Subjekt ist in den meisten Filmen fast immer der weiße Mann. Alle anderen sind das Objekt. Das gilt für Frauen, Behinderte oder eben Menschen mit Migrationshintergrund. Durch die VoD-Anbieter ändert sich das Gott sei Dank. Es ist spannend, dass Geschichten jetzt auch aus neuen Blickwinkeln erzählt werden. Und es ist wichtig, weil jeder Vierte in Deutschland mittlerweile einen Migrationshintergrund hat. In Frankfurt sind es 68 Prozent der Kinder. Aber sie sind in den Medien nicht repräsentiert.

Den gesellschaftlichen Wandel werden wir nicht aufhalten. Es wird immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben.
Tyron Ricketts
Wie oft würden Sie sagen, erleben Sie Rassismus?
Ab und zu. Das Problem ist: Das, worüber berichtet wird, ist nur die Spitze des Eisbergs. Alltags-Rassismus ist viel häufiger. Man geht zum Bäcker, will Brötchen kaufen und der Bäcker meint, ohne böses zu wollen, man kann kein Deutsch sprechen, weil man ja schwarz ist. Das passiert in Frankreich oder England nicht so sehr. In Frankreich ist man dann ein schwarzer Franzose. Das müssen wir hier in Deutschland bearbeiten, denn den gesellschaftlichen Wandel werden wir nicht aufhalten. Es wird immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben. Natürlich habe ich übrigens kein Problem damit, in Filmen auch mal einen Drogendealer zu spielen. Es ist ja richtig, dass es schwarze Dealer gibt.

Übrigens auch weiße.
Im Gegenzug würde ich dann aber auch genauso gern den Anwalt im Anzug spielen, denn den gibt es genauso. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Leute, die im Stadion irgendwelche Parolen brüllen. Diese alternative Erzählweise sorgt für eine Alternative zu den gängigen negativen Klischees und kann so neue Horizonte eröffnen.

Die Firmengründung war ja der erste Schritt, jetzt stehen drei Projekte an…
Wir sind momentan in Verhandlungen. Zum Beispiel bei «Ein Sachse», das die Geschichte des ersten schwarzen Polizisten in Sachsen erzählt. Ich hatte ein Treffen mit Netflix, die unseren Ansatz sehr spannend finden. Ich bin an einem Dokumentar-Film «Endlich Deutsch» dran, der zeigt, wie schwer sich PoC tun, hier Fuß zu fassen. Der Film entsteht vor dem Hintergrund, dass ich gerade selbst auch versuche den deutschen Pass zu bekommen. Ich bin ja eigentlich Österreicher, habe aber einen britischen Pass. Und wir sprechen über ein Projekt gemeinsam mit Christian Alvart. 2019 wird also ein spannendes Jahr.

Sie drehen auch weiterhin, unter anderem «Die Inselärztin», waren bei «Dogs of Berlin» von Netflix dabei… Eine ganz schöne Spannweite, nicht wahr?
Als Schauspieler fragt man sich immer: Was kann ich, was will ich? Tatsächlich sind das Projekte für vollkommen unterschiedliche Zielgruppen. Wichtig für mich ist: ich muss mich mit der Rolle identifizieren können. In beiden Fällen war das so.

Bisher waren wir US-Filme gewohnt, die sehr radikal und hart erzählen. Die deutsche TV-Welt ist im Vergleich dazu ja in der Regel viel angepasster. Genau das wird aktuell neu justiert.
Tyron Ricketts
Für «Dogs of Berlin» gab es ebenso lobende wie sehr kritische Stimmen. Haben Sie die Kritik verstanden?
Ich habe Lob und Kritik verstanden. Ich glaube, wir erleben eine Phase des Umbruchs. Bisher waren wir US-Filme gewohnt, die sehr radikal und hart erzählen. Die deutsche TV-Welt ist im Vergleich dazu ja in der Regel viel angepasster. Genau das wird aktuell neu justiert.

Und – sie sind auch Sprecher, unter anderem für DAZN. Mal eine ganz andere Richtung?
Das ist auf jeden Fall cool. Ich mache seit 25 Jahren Unterhaltung – in verschiedenen Formen. Ich mache auch das, was mir Spaß macht und womit ich mich identifizieren kann. Ich habe neulich auch für Porsche gearbeitet und ein neues Modell vorgestellt.

Danke für das Gespräch.
27.03.2019 22:23 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/108189