Jeannine Michaelsen: ' Fernsehen muss mehr Individuen fordern und nach vorne stellen'

In «My Hit. Your Song» stellt sich Moderation Jeannine Michaelsen als Allroundentertainerin auf. Weshalb sie sich so darüber freut und was sie jenen zu erwidern hat, die im Netz über ihre Kleiderwahl meckern? Dies und mehr erfahrt ihr in unserem Interview.

«My Hit. Your Song», schnell erklärt

Ab dem 17. Januar 2019 wird bei ProSieben immer donnerstags um 20.15 Uhr gesungen: Gastgeberin Jeannine Michaelsen lädt Stars der deutschen und internationalen Musikszene ein, damit sie sich Cover ihrer größten Erfolge anhören. Diese werden von weniger bekannten, dennoch sehr talentierten Menschen dargeboten. Zu Beginn der Show gibt es ein Michaelsen-Medley, zum Ende ein Preisgeld von 25.000 Euro.
Deine Musicalerfahrung kommt in «My Hit. Your Song» regelmäßig zur Geltung: Jede Ausgabe beginnt damit, dass du ein Medley aus den Hits der anwesenden Musikstars singst. War dein Gesangstalent der Grund, dass du für diese Show angefragt wurdest?
Ja, das spielte, glaube ich, schon eine Rolle. Es hieß, dass man sich die Sendung so vorstellt, dass alle Beteiligten einen gemeinsamen, schönen und unterhaltsamen Abend erleben sollen. Ich gebe eher die Entertainerin und nicht nur die Ansagerin. Es jubeln doch noch immer alle posthum über die Peter Alexanders dieser Welt, die singend und mit Fernsehballett die Showtreppe heruntergekommen sind. Wieso also nicht genau das, so gut ich kann, wiederbeleben und die Interpreten, deren Riesenhits an diesem Abend gecovert werden, in einem Medley begrüßen? So sind wir sofort in der Show! Ich freue mich riesig, dass ich das machen darf!

"Schnell in die Show einsteigen" ist ein Punkt, der wichtig geworden ist. Woran ich bei diesem Showeinstieg aber auch denken muss: Das Medley ließe sich ja super als eigener YouTube-Clip verwenden, was wiederum neue Publikumsschichten erschließen könnte. Das ist ja mittlerweile ebenfalls sehr wichtig geworden in Sachen TV-Shows.
Ja, genau, und das Showkonzept erlaubt viele solcher Momente. Schließlich besteht sie aus vielen einzelnen Songs, da kannst du dir allerhand Szenen abklammern und beispielsweise bei einer 20-minütigen Busfahrt anschauen. Das ist zeitgemäß. Und gleichzeitig ist «My Hit. Your Song» aber eine wahnsinnig schöne Plattform für alle Beteiligten, um wieder ein bisschen Profil zu zeigen.

Das gilt sowohl für die Stars, deren Songs neu aufgelegt werden, als auch für die Künstler, die auftreten. Da sind keine «DSDS»-Ausrutscherkandidaten dabei, sondern Leute, die irre gut sind und das bereits seit vielen Jahren machen, einige von ihnen standen auch schon auf der großen Bühne – nur der mediale Durchbruch hat noch gefehlt. Die stecken viel Liebe und Mühe in ihre Adaptionen der Hit-Songs, und das wird von den Stars auch entsprechend gewürdigt. Ich habe bei den Aufzeichnungen viele Momente der Rührung und auch unplanbare Off-Beat-Augenblicke erlebt. Da die Stars aus ehrlichem Interesse dabei sind, und nicht etwa, um irgendeinen Promo-Auftrag zu erfüllen, ergibt sich einfach eine besondere Stimmung. Wir nehmen uns für jeden Beteiligten Zeit und kosten es aus, wenn ein besonderer Moment passiert.

Es jubeln doch noch immer alle posthum über die Peter Alexanders dieser Welt, die singend und mit Fernsehballett die Showtreppe heruntergekommen sind. Wieso also nicht genau das, so gut ich kann, wiederbeleben und die Interpreten, deren Riesenhits an diesem Abend gecovert werden, in einem Medley begrüßen?
Jeannine Michaelsen
Im Voraus gab es kaum einen Bericht, der «My Hit. Your Song» nicht mit «Sing meinen Song – Das Tauschkonzert» verglichen hat. Wie sehr nervt es, vorab sowas zu lesen?
Ich finde Vergleiche ehrlich gesagt immer ein bisschen lame – andererseits verstehe ich total, weshalb sie notwendig sind. Wenn du etwas greifbar machen willst, insbesondere eine Sendung, die keine Neuauflage oder Adaption eines ausländischen Formats ist, und du deshalb nicht auf Beispielclips zurückgreifen kannst, was bleibt dir da übrig? Natürlich suchst du da dann nach dem ähnlichsten Format, und sei es eine sehr grobe Parallele. Zudem gibt es wirklich Schlimmeres, das uns passieren könnte, als mit einem schönen Erfolgsformat wie «Sing meinen Song» verglichen zu werden. Ich war auch lange Teil der «Sing meinen Song»-Showfamilie und habe das Format wirklich liebgewonnen.

Trotzdem hoffe ich, dass sich die Leute nicht auf die Vergleiche versteifen, sondern erkennen, dass wir einen anderen Weg gehen. Wir drehen in einem Riesenstudio. Das allein verändert schon die Atmosphäre völlig, dann covern bei uns nicht Musikstars untereinander ihre Lieder. Es gibt Künstlerinnen und Künstler, allesamt hoch talentierte Musikschaffende, die bei uns die Chance erhalten, vor großen Namen aus dem Musikgeschäft aufzutreten und sie zu beeindrucken, vielleicht sogar spontan mit ihnen zusammen zu singen. Das ist ein anderer inhaltlicher Schwerpunkt. Zudem haben wir, wenn man so will, einen Wettbewerbscharakter, weil ein Künstler oder eine Künstlerin 25.000 Euro gewinnen kann. Für uns ist das ein Anreiz, eine Belohnung für unsere Musiker. Wir sehen uns aber nicht als Game- oder Wettkampfshow. Es geht um den Auftritt, diesen magischen Musikmoment – wir wollen Musik zelebrieren. Das Preisgeld gibt es nur dazu.

Wie lässt sich solch eine tonale Balance finden? Ist das eine Frage des Bauchgefühls, muss das vorab intensiv besprochen werden ..?
Ich bin dankbar dafür, dass wir uns dazu entschieden haben, auf die Stärken der Acts zu setzen. Es ist ein großer Feiertag für die Künstler auf der Couch. Natürlich freut sich am Ende auch einer, wenn er 25.000 Euro gewinnt.

Gab es eine Sendung, bei der du dich in der Tonalität der Moderation vergriffen hast?
Gab es leider, ja. Sowas passiert, muss man drüberstehen. Gerade, wenn man bei einer Show etwas ausprobiert und mehrere Dinge bedienen will, kann es sein, dass man sich falsch entscheidet.

Manchmal kannst du als Moderatorin im fertigen Produkt fast völlig verschwinden oder auf einmal ganz dumm aussehen. Berufsrisiko!
Jeannine Michaelsen
Manchmal wird ja auch erst in der fertigen Sendung klar, wo es hapert. Moderatorinnen und Moderatoren müssen sich der Gnade des Schnitts anvertrauen …
Was meinst du, weshalb ich so gerne Liveshows mache? Da kann mich wenigstens keiner rausschneiden! (lacht) Je nachdem, was für eine Show du moderierst und worauf deren Fokus liegt, läufst du Gefahr, dass du bei einer Überlänge der Aufzeichnung immer als Erstes rausfliegst. Da darfst du dich auch nicht beklagen: Jedes Wort von zwei internationalen Superstars ist wichtiger als irgendein Gag des Hosts. Ganz besonders, wenn ich das Gespräch nicht weiterbringe, sondern nur auf mein persönliches Humorkonto einzahle, muss ich damit rechnen, dass ich im Zweifelsfall rausfliege.

Das ist dann mein Pech, wenn das Publikum denkt, ich mache ja nichts. Selbstredend haben die Stars Vorrang, das ist ja auch dem Konzept geschuldet. Manchmal kannst du als Moderatorin im fertigen Produkt fast völlig verschwinden oder auf einmal ganz dumm aussehen. Berufsrisiko! Mir zumindest hat noch nie jemand etwas zur Abnahme auf den Schreibtisch gelegt, damit ich sagen kann: "Sorry, bei Minute 15 hatte ich den Supergag schlechthin, könnt ihr den bitte wieder reinnehmen?"

Da müsstest du schon selber produzieren …
Stimmt, aber so weit bin ich noch nicht. (schmunzelt)

Wie darf ich mir da eigentlich die Hackordnung vorstellen? Wie üblich oder unüblich ist es, wenn die Moderatorin oder der Moderator sagt: "Hört mal, hier und da gefällt mir die Sendung, so wie sie gezeigt wurde, nicht. Kann man das in Zukunft ändern?"
Das ist unterschiedlich. Aber ich hatte zum Glück auch sehr selten die Notwendigkeit, mich einzumischen. Bei solchen Shows ist es immer eine Positionsgeschichte, wie sehr du mit der Moderation zur Geltung kommst.

Bei «Die beste Show der Welt» weiß ich: Da spiele ich keine große Rolle. Das ist einfach so, damit bin ich völlig zufrieden. Da wäre ich die Letzte, die sich beklagt, wenn mir im Schnitt aufgrund der Länge der ganzen Geschichte ein paar Gags genommen werden. Bei «Duell um die Welt» ist der Moderationspart schon deutlich präsenter, ich habe eine größere Funktion – und wenn da ein mauer Gag von mir rausfliegt, ist mir das immer noch völlig egal, denn es bleiben für jeden geschnittenen Gag zehn fantastische Gags von mir drin. (räuspert ironisch)



Um näher auf «Das Duell um die Welt» einzugehen: Ich habe bei der vergangenen Ausgabe ja die ganze Zeit darauf gewartet, dass Klaas sich beschwert: "Alle früheren Folgen haben sich als ungültig herausgestellt, weil die Moderatorin Team Joko ist und somit befangen."
(lacht) Stimmt!

Aber, ich sage es mal so (anzügliche Stimme): Es darf jeder mal ran!

Aber, Quatsch: Ich bin absolut neutral, und Klaas hat jetzt einen gut bei mir. Den kann er einsetzen, den kann er nicht einsetzen. Das ist seine Sache, nicht meine. Außerdem soll er sich mal nicht beschweren: Mit dem Pietro-Lombardi-Musical habe ich ihm zu einem Deutschen Fernsehpreis in XXL verholfen. Über das ganze Showuniversum verteilt sind die jetzt pari. Daher habe ich im Nachhinein gesagt: "Leute, jetzt wisst ihr es. Wer mit mir spielt, spielt auf der Siegerstraße." (lacht finster)

Auf der nächsten Seite verrät Jeannine Michaelsen, wie man sie (nicht) auf ihren «Duell um die Welt»-Außendreh vorbereitet hat. Zudem geht es um die ewige Kritik an ihrer Garderobe – und es wird politisch.

Die Crew fühlt sich ganz dem Format verpflichtet. Es versucht, dich aus deiner Komfortzone zu locken und das haben sie über die Jahre echt kultiviert.
Jeannine Michaelsen darüber, wie wenig man vor einem «Duell um die Welt»-Außendreh vorbereitet wird
Wie lief eigentlich die Vorbereitung beim «Duell um die Welt» ab, wie sehr ließ man dich vor dem Dreh deines Einspielers im Dunkeln?
Es wird in erster Linie so abgesteckt, dass es nicht an medizinischen Sachen scheitert. Die Produktion will natürlich vermeiden, dass wir zum Dreh fahren, ich meine Aufgabe erfahre und dann um die Ecke komme: "Ja, schöne Aufgabe. Darf ich aber nicht machen. Ich habe einen Herzschrittmacher." Also, so als fiktives Beispiel genommen. Ansonsten ist es tatsächlich so, dass neben der grundsätzlichen Bereitschaftsfrage und dem ungefähren Zeitrahmen des Drehs praktisch alles hinter deinem Rücken abgeklärt wird. Das beginnt bei grundsätzlichen Fragen, wie deiner körperlichen Verfassung, welche Allergien, du hast … Selbst so etwas wurde nicht mit mir geklärt, sondern mit meinem Management. Die kennen mich gut genug, um zu wissen, wozu ich körperlich fähig bin.

Ich habe im Nachhinein auch neugierig nachgefragt: "Wie lief das jetzt ab, was wurde geklärt?" Und das war ganz banal: Wie sieht es mit der Versicherung aus, und so weiter und so fort. Normalerweise wird auch gefragt, wie es mit Impfungen aussieht, aber für mich ging es nur in die Schweiz. Da muss man nicht aufwendig geimpft sein. Da habe ich echt gedacht: Die wollen mich doch verarschen. Wir fahren in die Schweiz. Wir sind nicht einmal geflogen! Super. Wie abenteuerlich!

Du merkst: Die Crew fühlt sich ganz dem Format verpflichtet. Es versucht, dich aus deiner Komfortzone zu locken und das haben sie über die Jahre echt kultiviert. Ich habe anderweitig mit dem Team zu tun und wir stehen alle in Kontakt zueinander, ich kenne sie schon gefühlt seit 100 Jahren. Aber plötzlich war Stillschweigen angesagt, es wurde kein Ton verraten …

Kurzum: Es geht um eine Grauzone, in der möglichst viel passieren kann, der Sieg aber nicht sicher ist?
So kann man es zusammenfassen. Mein Paradebeispiel dafür ist die MAZ mit Thorsten Legat beim Käserollen. Erstmal denkst du: "Komm, so ein Kerl kann ja wohl einen Hügel runterrollen!" Und dann siehst du diesen Hügel, der eher ein Berg ist, total uneben und das ganze Chaos drumherum … Da denkst du plötzlich: "Holy Fuck! Was stimmt mit den Briten nicht?!" Thorsten würde ich sonst zutrauen, dass er mit verbundenen Augen in jede Aufgabe reinrennt. Aber dann sieht er sich dieses Käserennen an, und du merkst, wie bei ihm die Rädchen im Oberstübchen rattern.

Das kommt bei dem Format immer dazu, dieses persönliche Momentum. Kannst du dich in diesem Moment überwinden? Wie ist deine Tagesform? Wie ist der Kontext der Situation? Und wie der Thorsten-Einspieler in meinen Augen bestens unter Beweis stellt: Alle gönnen dir, dass du es schaffst. Aber ein aufrichtiges Scheitern ist manchmal noch wertvoller.

Ja. Thorsten Legat hat durch seine Absage, diesen Berg runterzurennen, zumindest bei mir zweifelsohne an Sympathiepunkten gewonnen.
Siehst du! Das war schon eine tolle MAZ. Mein Lieblingseinspieler wird aber für immer und ewig Steven Gätjen bleiben: "Sushi der Liebe" – herrlich, das hat mich noch wochenlang begleitet. Steven ist ein Goldstück und ihn so in Japan zu sehen, hat mir einen Mordsspaß bereitet.



Kritik an meiner Garderobe oder meinem Äußerem scheint für viele Leute ein sehr, sehr wichtiges Thema zu sein. Es ist ihnen ein hohes Anliegen, mir auf den verschiedensten Wegen und in den schrecklichsten Worten zu sagen, wie grausig ich rumlaufen würde. Aber ein Stück weit sehe ich es jetzt als Herausforderung.
Jeannine Michaelsen
Ein anderer großer Gesprächspunkt beim «Duell um die Welt», und nicht nur da, ist ja deine Garderobe. Ich muss gestehen: Mir ist es erst in den letzten paar Monaten aufgefallen, dass man sich im Internet über deine Kleidung das Maul zerreißt – ist das wirklich neu oder hat es einfach nur so überhandgenommen, dass dem nicht mehr zu entgehen ist?
Das gibt es schon ganz, ganz lange. Ich scheine da eine sehr spezielle Funktion für einige Leute inne zu haben. Aber es hat tatsächlich zugenommen. Twitter ist ganz vorne dabei, Facebook an zweiter Stelle. Kritik an meiner Garderobe oder meinem Äußerem scheint für viele Leute ein sehr, sehr wichtiges Thema zu sein. Es ist ihnen ein hohes Anliegen, mir auf den verschiedensten Wegen und in den schrecklichsten Worten zu sagen, wie grausig ich rumlaufen würde. Aber ein Stück weit sehe ich es jetzt als Herausforderung. Ich habe es sogar in mein Warm-up eingebaut: Da erkläre ich kurz, weshalb ich was angezogen habe und welche Kommentare ich mir jetzt auf Twitter wünsche.

Es ist so absurd und entlarvend, und auf einer bestimmten Ebene auch wahnsinnig traurig, weil es ein "Frauenprivileg" ist. Das heftige Ausmaß, das ich abbekomme, kriege ich nur bei anderen Frauen mit. Ich habe noch nie gesehen, dass sich jemand derart darüber auslässt, wie zum Beispiel Klaas rumläuft. Es ist erschütternd, dass das alles so platt ist. Ich frage mich manchmal, wenn ich so einen Kommentar lese: "Findest du nichts Interessanteres an mir auszusetzen? Muss dich wirklich mein Rock stören? Finde mich doch wenigstens unlustig, das hätte Substanz." Noch mehr Inhalt wäre natürlich noch besser. Ich bekomme lieber Kritik von jemandem, bei dem ich das Gefühl habe, er hört mir zu, anstatt auf die Klamotte reduziert zu werden.

Der Schluss, den ich für mich daraus ziehe, ist: Ich mache genau so weiter. Ich ziehe das an, was ich anziehen will. Ich finde es schön, ich fühle mich darin wohl. Ich finde generell: Fernsehen muss mehr Individuen fordern und nach vorne stellen. Denn es gibt so viele unterschiedliche Menschen, die unterschiedlich aussehen und sich unterschiedlich wohlfühlen und die alle etwas Unterschiedliches können. Da kann es nicht das Ziel sein, unter dem Radar zu fliegen und keinem sauer aufzustoßen, nur weil man schon wieder ein enges schwarzes Kleid anhat. Erst recht nicht, wenn man selbst denkt: "Boah, ein schwarzes Kleid, finde ich geil."

Ich bekomme lieber Kritik von jemandem, bei dem ich das Gefühl habe, er hört mir zu, anstatt auf die Klamotte reduziert zu werden.
Jeannine Michaelsen
Beim vergangenen «Duell der Welt» ist mir aufgefallen, dass du dich besonders über fiese Kommentare von anderen Frauen aufregst …
Ja, das finde ich immer extrem schlimm, wenn sich Mädchen oder Frauen über mein Aufsehen auslassen. Da denke ich: "Wie könnt ihr so frauenverachtend sein?" Ich habe mal gelesen, wie mich eine Frau fragt, was ich bitte im Fernsehen zu suchen habe, meine Brüste seien dafür zu klein. Wie traurig ist das denn bitte?!

Mir ist bewusst: Wir zwei werden jetzt nicht die Patentlösung für den Umgangston in Social Media finden. Trotzdem bringt es ja nichts, wenn wir nun mit den Schultern zucken und sagen: "Ja, kann man nichts ändern. Pech."
Um einen ersten Schritt in Richtung Lösung zu tätigen: Ich denke, dass es auch sehr weit eine Wahrnehmungssache ist. Lustigerweise habe ich erst kürzlich wieder gezeigt bekommen, wie schön Social Media sein kann. Ich beteilige mich an einem Brunnenbauprojekt von Viva con Agua in Äthiopien, und habe auf Instagram in dem Zusammenhang auf eine Spendengeschichte hingewiesen, genauso wie Fynn Kliemann. Wir wollten 10.000 Euro für das Bohrloch sammeln, und haben dieses Ziel innerhalb von nur vier Stunden gesprengt.

Es gibt sie noch immer, die mitfühlenden Menschen. Und ich fürchte, dass das ein Fehler ist, dass wir an den schönen Tweets dauernd vorbeiscrollen und uns über die Scheißtweets aufregen, über die dummen Leute und die Hassmenschen. Es ist natürlich und menschlich, dass uns das Negative mehr auffällt. Aber wir geben ihnen damit eine Plattform, wir gestatten ihnen so, den Diskurs und unser Leben mitzubestimmen. Wir nehmen uns dem an, regen uns auf und sind verletzt – und so erreichen sie ihr Ziel und sehen sich bestätigt. Also denken sie: "Wenn du genug pöbelst, dann hört dir schon jemand zu."

Und die coolen Leute auf Social Media Plattformen, die gehen unter. Dabei zeigen Hashtags wie #wirsindmehr, und das, was danach auf der Straße daraus geworden ist, dass es Solidarität gibt. Man muss im Netz nur an den richtigen Stellen gucken. Es gibt genug Leute, die bereit sind, sich Hatespeech entgegenzustellen. Die Kunst ist es, den Diskurs dort zu suchen, wo es fruchtbaren Boden gibt, und gleichzeitig den Leuten, denen es nur um Provokation geht, zu ignorieren, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Ich bin dann zu einer Diskussion bereit, wenn ich merke, dass der Wille dazu da ist. Dem Rest muss man mit einem Lächeln begegnen, denke ich. Ich glaube, das ist das beste Mittel. Und manchmal kann man ganz effektiv anonyme Pöbler zum Verstummen bringen, wenn du ihnen als verifizierte, öffentliche Person selbstbewusst entgegentrittst. Ich habe deshalb eine Riesenbewunderung für Leute wie Dunja Hayali, die sich wirklich mit einer Engelsgeduld in den Diskurs schmeißt und mit großem Engagement versucht, etwas zu bewegen.

Dem kann ich nur zustimmen, was Dunja Hayali alles mit solch einer unfassbaren Geduld über sich ergehen lässt, mit dem eisernen Willen, den Diskurs voranzubringen, das ist vorbildlich.
Man muss bedenken: Sie wagt das nicht nur am Computer, sie geht rein in die Menschenmengen und spricht mit Menschen, die ihr das Unaussprechlichste wünschen. All das macht sie mit dem Ansatz: "Selbst wenn ich nur einen Menschen erreiche, einen dazu bringe, zuzuhören und zu verstehen, ist schon viel gewonnen." Wie sie das macht, ist beispiellos. Das führt vor, wie wichtig Solidarität ist, wenn eine Person wegen ihrer Klamotte, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder Anderem niedergemacht wird. Denn (seufzt): Rechte Hetzer sammeln sich auch im Internet, um auf einzelne Personen einzudreschen. Die Relevanz der Masse, die herbeieilt und sagt, Hass und Drohungen sind nicht ok, dürfen wir daher niemals unterschätzen.

Da werden manche jammern: "Aber Internet und Meinungsfreiheit und bla bli blubb", aber Bedrohungen und Hetze sind nun einmal keine Meinung, es sind Straftaten. Wenn ich mich auf den Marktplatz stelle und "Heil, Hitler" rufe und zur Auslöschung einer Personengruppe auffordere, dann dauert es – hoffentlich – nicht lange, bis mich die Polizei abholt. Das sollte im Internet nicht anders sein. Daher bin ich ja Befürworterin von Klarnamen im Internet und davon, dass wir mit unserem Gesicht dort auftreten. Denn ich finde, es erhöht einerseits die Hemmschwelle und andererseits erleichtert es die Strafverfolgung.

Ich glaube, diese Möglichkeit, Teil einer großen anonymisierten Masse zu sein, hindert uns alle nur daran, zu reflektieren und uns selbst zu kontrollieren was wir ins Netz schleudern. Unter meinem realen Namen denke ich zwei Mal nach, was ich da ins Netz stelle. PaulxF23 dagegen denkt, er hätte die dicksten Eier diesseits des Äquators.
Jeannine Michaelsen
Ich glaube, diese Möglichkeit, Teil einer großen anonymisierten Masse zu sein, hindert uns alle nur daran, zu reflektieren und uns selbst zu kontrollieren was wir ins Netz schleudern. Unter meinem realen Namen denke ich zwei Mal nach, was ich da ins Netz stelle. PaulxF23 dagegen denkt, er hätte die dicksten Eier diesseits des Äquators. Diese "Stärke durch Heimlichkeit" finde ich bedenklich. Und ich weiß: Datenschutz und so weiter, die Idee ist also nicht so einfach umzusetzen …

Nicht zu vergessen: Viele, die gegen Rechts im Netz aktiv sind, weisen gelegentlich darauf hin, dass sie bei einer Klarnamenpflicht um ihr Leben bangen würden.
Ja, natürlich. Daher ist das, wie so oft im Leben, alles viel komplizierter und verzahnter als wir es gerne hätten. Aber wann immer ein Algorithmus beschließt, dass er ein Foto, auf dem sich der Nippel unter einer Bluse abzeichnet, schlimmer findet als einen Ausruf zur Verfolgung, zu Hass, Mord oder Masseneuthanasie, dann sehne ich mich doch für einen Moment nach der Klarnamenpflicht. Jeder soll das Recht auf einen Internetzugang und einen Social-Media-Account haben. Aber dass im Internet die Rechtsprechung ausgehebelt wird, macht mich rasend. Und das liegt meiner Beobachtung nach vor allem an dem gravierenden Desinteresse der Betreiber, den Vorfällen nachzugehen. Sie scheren sich nicht um die Inhalte, die verbreitet werden.

Es ist so ein langwieriger Prozess, Accounts zu melden, die rechtswidrig sind – ich habe das selbst schon gemacht. Du verlierst die Geduld. Und wenn du alles durchlaufen hast, passiert nur ganz selten etwas. Und dann wieder dieses Ungleichgewicht: Es ist leichter, einen Typen für ein Dick-Pic dranzukriegen als für eine Holocaustverleugnung.

Umso gravierender finde ich das alles, wenn man auch noch bedenkt, wie lange wir jetzt schon mit Social Media hantieren. Es gibt immer noch keine Kontrollinstanz und niemanden, der ernsthaftes Interesse hat, einen Hebel gegen die rechte Propaganda anzusetzen. Vielleicht muss man einführen, dass Twitter, Facebook und Co. dafür haftbar gemacht werden. Ich bin kein Jurist, ich weiß nicht, ob sich das durchführen lässt, aber es kann nicht angehen, dass sie sagen: "Ja, also, wir stellen doch nur eine Plattform und wir sind nicht für die Inhalte verantwortlich und gähn und soll jeder veröffentlichen, was er will und WAS, DU ZEIGST AUF EINEM FOTO DEINE BRUSTWARZEN? BEI DIR IST NUN DER OFEN AUS!"

Wenn du einerseits damit Kohle scheffelst, festzustellen, dass ich auf einer Hochzeit eingeladen bin und mir im Internet dafür mögliche Outfits ansehe, so dass du mir plötzlich Vorschläge machen kannst, was ich kaufen soll … Dann musst du doch auch mitkriegen, dass ich dauernd 'Breitbart'-Artikel verbreite, in denen nur Bullshit steht. Es findet eine Verrohung der Gesellschaft statt, indem Social Media alles zulässt und die Hemmschwellen sinken. Durch die Verbreitung von groben Unfug und rechter Hetze findet ein Wandel statt, der seinen Weg vom Netz auf die Straße und bis in den Bundestag bahnt. Die Umgangsformen und die Sprache verhärten. Und die Social-Media-Anbieter juckt es nicht. Naja. Vielleicht, weil sich durch AfD-Wähler viel Geld verdienen lässt. Ich weiß es nicht.

Ich fürchte: Daran liegt es. Um nun mit dem Brecheisen das Niveau unserer Unterhaltung wieder nach unten zu knüppeln: Lass uns wieder übers Fernsehen reden, schließlich soll das hier auf einem Branchenportal landen und ich will den Auftrag ungern verlieren. (lacht)
Oh. Elegante Überleitung. Ganz elegant, ganz elegant! (lacht)

Ich kenne es durch «Ponyhof» in- und auswendig, dass immer gedacht, gefragt, gelästert und gemutmaßt wird: "Ohwei, Frauen unter sich, zicken die sich nicht ununterbrochen an?" Ich bin dieses Vorurteil so leid
Jeannine Michaelsen
Deswegen bist du die Fernsehmoderatorin und ich der schreibende Internethansel. Jedenfalls: Wie sieht es mit «Teamwork» aus?
Ich habe wirklich keine Ahnung. Leider. Ich finde, unsere Ladies Night war die beste Ausgabe von allen. Jedenfalls bis jetzt. Die war einfach sensationell. Ich war so, so dankbar, dass die so gut ankam.

Ich kenne es durch «Ponyhof» in- und auswendig, dass immer gedacht, gefragt, gelästert und gemutmaßt wird: "Ohwei, Frauen unter sich, zicken die sich nicht ununterbrochen an?" Ich bin dieses Vorurteil so leid. Und dann kam diese Sendung: Mit Carolin Kebekus wusste ich, das wird cool. Martina Hill kannte ich vor dem Dreh noch nicht so gut, aber ich wusste, sie hat da Bock drauf. Und Collien Ulmen-Fernandes macht auch einfach immer einen guten Job. Die Aufzeichnung hat mir gigantische Freude bereitet und es war so ein ungewohntes, anderes Fernseherlebnis: Einmal mit drei Frauen zusammenzuarbeiten und allen zu zeigen, wie glatt so etwas abläuft. Ich war so happy, als ich die glücklichen Gesichter des Teams gesehen habe.

Wenn es weitergeht, wären wir sofort dabei. Wir haben auf dem Donnerstagsplatz eine gute und eine Knallerfolge gemacht, wir sind voller Tatendrang.

Mein wahrscheinlich vermessener Traum wäre: «My Hit. Your Song» holt jetzt jeden Donnerstag eine tolle Quote, alle sind total happy und wir machen da noch in diesem Jahr eine neue Staffel. Ich bin völlig verliebt in dieses Format und auch total glücklich, wie ich mich in ihm neu definieren durfte. Ich kann dieses Fernseh-Allroundentertainer-Ding durchziehen, das mir so am Herzen liegt und es ist eine Freude, das mal auszuleben. Und wenn dann in der «My Hit. Your Song»-Euphorie ProSieben «TeamWork» fortsetzen will, bin ich sofort mit dabei!

Und der «Ponyhof», der ist wirklich für immer und ewig geschlossen?
Es gab nie ein finales Abschiedsgespräch nach dem Motto: "Wir werden nie mehr unter diesem Stern zusammenfinden", aber es ist ein schlechtes Zeichen, wenn sich so lange nichts mehr tut. Was ich wirklich wahnsinnig schade finde, denn wir haben uns mit der dritten Season endlich selbst gefunden. Es war die in meinen Augen beste Staffel, da gab es Ansätze, die ich so gerne weiter verfolgt hätte. Annie und ich haben, wie ich finde, im Team super funktioniert und wir sind uns auch über «Ponyhof» hinaus erhalten geblieben.

Daher: Vielleicht kommt eines Tages auf dem silbernen Pony etwas dahergeritten. Das muss dann nicht mehr «Ponyhof» heißen, kann aber in eine ähnliche Kerbe schlagen. Ich fänd es schön. Denn in Sachen weiblich geprägtem Entertainment ist in Deutschland zwar nicht viel geschehen, doch das, was geschehen ist, finde ich super: «Kroymann», «PussyTerror TV», «Ladies Night», qualitativ sind die Frauen vorne mit dabei, nun muss nur noch jemand quantitativ nachlegen. Ich würde gerne mit anpacken.



Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Leute mich auf «Ponyhof» ansprechen. Man würde denken, dass man mich vielleicht wegen «Duell um die Welt» anspricht. Aber dann ist es doch oft «Ponyhof», der richtige, innige Fans hervorgebracht hat.
Jeannine Michaelsen
Einfach den Trick anwenden, den Joko und Klaas mit «MTV Home» beziehungsweise «neoParadise» beziehungsweise «Circus HalliGalli» gebracht haben: Titel und Studio ändern, größeren Sender nehmen, fertig. (lacht)
Schön wärs! Dem Zeitgeist würde es entsprechen. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Leute mich auf «Ponyhof» ansprechen. Man würde denken, dass man mich vielleicht wegen «Duell um die Welt» anspricht. Aber dann ist es doch oft «Ponyhof», der richtige, innige Fans hervorgebracht hat. Oder sie kommen von «Ehrensenf». Das ist echt erstaunlich, es sprechen mich so oft 16-jährige Jungs auf «Ponyhof» an. Das würde man zunächst nicht glauben. Vielleicht hat deren Schwester den Fernseher laufen lassen, als sie eingeschlafen ist. (lacht)

Vielen Dank für das Gespräch.

«My Hit. Your Song» ist ab dem 17. Januar 2019 immer donnerstags ab 20.15 Uhr bei ProSieben zu sehen.
16.01.2019 19:32 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/106564