Die Kritiker: «Passagier 23»

RTL hat einen zweiten Thriller von Sebastian Fitzek verfilmt: «Passagier 23» spielt auf einem echten Kreuzfahrtschiff und feiert am Donnerstagabend Premiere. Der Film baut einen enormen Spannungsbogen auf, den die Verantwortlichen aber leider nicht zufriedenstellend auflösen…

Hinter den Kulissen

  • Produzentin: Barbara Thielen
  • Drehbuch: Miriam Rechel
  • Regie: Alexander Dierbach
  • Kamera: Ian Blumers
  • Musik: Sebastian Pille
  • Schnitt: Günter Schultens
Die Fitzek‘schen Festspiele gehen weiter. Nachdem in den letzten Wochen «Abgeschnitten» im Kino und «Amokspiel» in Sat.1 Premiere feierten, zeigt RTL am Donnerstag «Passagier 23». Im Interview mit der Bild am Sonntag befand schon Star-Autor Sebastian Fitzek selbst, dass sich gerade alles ein bisschen balle - Einfluss auf die Ausstrahlungstermine habe er aber nicht. Und so kommt es, dass mit «Passagier 23» sogar schon der zweite Fitzek-Film bei RTL unterkommt. Den Anfang hatte Ende März «Das Joshua Profil» gemacht, das am Karfreitag allerdings unter die Räder kam. Weder die Zuschauer noch die Kritiker wusste die Produktion wirklich zu überzeugen. Wie ist es um den neusten Fitzek bestellt?

«Passagier 23» spielt zwar auf einem fiktiven Kreuzfahrtschiff, der Sirius, wurde aber dennoch auf einem echten und vollbesetzten Dampfer auf hoher See gedreht. Öffentlich bekannt ist der Name des Schiffs nicht, das ist aber auch kein Wunder. Denn: Gute Werbung für die Kreuzfahrt-Industrie ist «Passagier 23» gewiss nicht. In seinem Buch beschreibt Fitzek Kreuzfahrtschiffe als rechtsfreie Räume, in denen Jahr für Jahr 23 Personen spurlos verschwinden. Das Kreuzfahrtschiff als idealer Ort für ein Gewaltverbrechen? Womöglich. Das perfekte Setting für einen spannenden Thriller? Auf jeden Fall!

Die Handlung


Im Mittelpunkt der Handlung, die ziemlich nah an der 400 Seiten starken Buchvorlage bleibt, steht der Polizeipsychologe Martin Schwartz, verkörpert von Lucas Gregorowicz. Als akribisch arbeitender Ermittler schreckt er im Kampf für das Recht nicht davor zurück, sich selbst in gefährliche Situationen zu bringen. Seitdem Martins Frau Nadja und sein Sohn Timmy von dem Kreuzfahrtschiff Sirius verschwunden sind, leidet er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Fünf Jahre nach dem tragischen Vorfall erreicht Martin ein Anruf von einer älteren Dame: Wieder sind eine Mutter und ihr Kind auf einem Schiff spurlos verschwunden. Besonders pikant: Das Kind ist inzwischen wieder aufgetaucht - mit Timmys Teddy im Arm! Während die Verantwortlichen auf dem Schiff verhindern wollen, dass dies alles öffentlich wird, versteht Martin Schwartz schnell, dass auf diesem Dampfer nicht alles mit rechten Dingen zugeht…

Warum das Buch besser als der Film ist...


Sebastian Fitzeks Buchvorlage lebt vor allem von ihren kurzen Kapiteln (76 an der Zahl), die fast immer mit einem Cliffhanger enden. Von den vielen Handlungssprüngen und den zahlreichen Parallelschauplätzen. Im Buch spitzt sich die Spannung an mehreren Fronten gleichzeitig so dramatisch zu, dass man gar nicht anders kann als weiterzulesen. Mit zahlreichen Wendungen und einem angenehmen Schreibstil zeigt Fitzek eindrucksvoll, wie Zuspitzung in einem Thriller funktionieren kann.

Und der Film? Der schafft es in der ersten Hälfte zwar ebenfalls, einen starken Spannungsbogen aufzubauen. Zufriedenstellend aufgelöst wird dieser aber leider nicht. Denn: Was beim Lesen des Buchs der Vorstellungskraft des Einzelnen überlassen bleibt, muss RTL bei seiner Verfilmung in verhältnismäßig kurzer Zeit Bebildern. Das ist nicht immer eine dankbare Aufgabe - und führt dazu, dass der Zuschauer manche Dinge schlicht und ergreifend als unrealistisch wahrnimmt.

Natürlich dürfte es für die Drehbuchautorin reichlich schwer gewesen sein, Fitzeks 400 Seiten-Werk auf knapp zwei Stunden zu kürzen. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass «Passagier 23» zu viel in zu kurzer Zeit will. Der Film ist schlicht und ergreifend überfrachtet, wobei der Zuschauer besonders am Ende überfordert wird. Die Wendungen kommen zwar unerwartet und sind nicht vorhersehbar, glaubhaft vermittelt werden sie dem Publikum aber leider nicht.

Starke Kulisse


Punkten kann «Passagier 23» dagegen mit seiner authentischen und stimmungsvollen Kulisse, den starken Bildern und der von Beginn an vermittelten dunklen Stimmung. Der Fernsehfilm zeichnet Charaktere, die alle irgendetwas Düsteres an sich haben - wobei sich die von Judy Winter verkörperte Gerlinde Dobkowitz ideal als Kontrast einfügt. Sie bringt - nicht zuletzt in ihren Dialogen mit Martin Schwartz - eine gewisse ironische Note mit in die Verfilmung herein.

Fazit: «Passagier 23» punktet mit starken Bildern und baut einen Spannungsbogen auf, dessen Auflösung allerdings reichlich abstrus gerät. Am Ende des Films - so viel darf verraten sein - ist vieles wieder gut, irgendwie aber auch nicht. Wer «Passagier 23» gelesen hat und Spaß daran hatte, der kann sich getrost auch die RTL-Verfilmung anschauen. Sie ist nah am Buch und bebildert im Wesentlichen das, was Sebastian Fitzek auf 400 Seiten entwickelt hat. Was nicht ausführlich genug angesprochen wird, kann man sich so leicht dazu denken. Wer die Thriller-Vorlage dagegen nicht kennt, dürfte von zu vielen Wendungen, die zu schlecht erklärt sind und in zu kurzer Zeit auf den Tisch kommen schlichtweg überfordert sein.

RTL zeigt «Passagier 23» am Donnerstag, 13. Dezember, um 20.15 Uhr. Die thematisch anschließende Dokumentation «Traumreise ohne Wiederkehr» folgt im Anschluss, um 22.50 Uhr.
11.12.2018 11:15 Uhr  •  David Grzeschik Kurz-URL: qmde.de/105796