«The Kominsky Method»: Chuck Lorres beste Serie?

In seiner neuen Netflix-Dramedy findet der Schöpfer von «The Big Bang Theory» viele ernsthaft ergreifende Momente. Den Weg des billigen Klamauks will er trotzdem nicht verlassen...

Cast & Crew

Produktion: Chuck Lorre Productions und Warner Bros. Television
Schöpfer: Chuck Lorre
Darsteller: Michael Douglas, Alan Arkin, Sarah Baker, Nancy Travis, Graham Rogers, Melissa Tang, Lisa Edelstein u.v.m.
Executive Producer: Chuck Lorre, Al Higgins und Michael Douglas
In seinen bekanntesten Sitcom-Produktionen, «The Big Bang Theory» und «Two and a Half Men», gibt Chuck Lorre seine Figuren zum Spott frei: der dauerhaft alkoholisierte misogyn-trottelige Charlie Harper samt seinem tatterig-ungelenken Weichei-Bruder. Der aspergerhaft sozial inkompetente Sheldon Cooper und sein ebenfalls intellektuell ambitionierter Nerd-Kumpel Lennard, bei dem eine attraktive Frau jedoch Chancen hat, ihn aus der völligen Awkwardness herauszumeißeln.

Noch abstoßender als Lorre seine männlichen Figuren schreibt, fallen in diesen Serien seine weiblichen aus: In «Two and a Half Men» waren sie turnusmäßig Frischfleisch für Charlie Harper, wenn sie nicht in Form von Strippern Kandi [sic!] als Vermännlichungsobjekt für Charlies sexuell eher unerfahrenen Bruder oder als dessen nöhlige Ex-Frau auftraten. Bei der «Big Bang Theory» muss die einfältig-provinzielle Penny Physik-Überflieger Lennard ein Leben jenseits der verkopften Wissenschaftlichkeit aufzeigen, während die von Mayim Bialik gespielte Amy als klischeehaft schlecht gekleideter Deckel für Sheldon Coopers Topf herhalten muss.

In seiner achtteiligen «Kominsky Method», der zweiten Serie, die er für Netflix geschrieben hat, will Lorre sichtlich vieles anders machen und eine emotional ernsthaft aufwühlende Geschichte erzählen, gleichzeitig jedoch den Weg von Klamauk und Lächerlichkeit nicht verlassen – ein dramaturgischer Balanceakt, der im Kern unnötig ist: Denn die Geschichte um den alternden Schauspiellehrer Sandy Kominsky (Michael Douglas), der mit dem stets von ihm verdrängten existentiellen Thema Tod konfrontiert wird, als eine enge Freundin und Wegbegleiterin an einer Krebserkrankung verstirbt, ließe sich besser erzählen, wenn nicht andernorts der Wahnsinn des Showgeschäfts noch überbetont werden müsste:

Let’s prove your parents wrong, leitet Sandy gerne seine Kurse ein, in denen er seine Schüler absurde Körperübungen durchexerzieren und seltsam exzentrische selbstgeschriebene Stücke vorführen lässt, die betonen sollen, wie seltsam angehende Schauspieler so leben. Da die Realität zumindest in diesem Metier schräger ist als jede denkbare Fiktion, kann man diese Aspekte zwar nicht als unrealistisch rügen – doch anstatt die sanft (und dabei humorig) gezeichnete Lebensfindung eines älteren Mannes zu komplettieren, der sich nun um seinen verwitweten besten Freund und dessen Psychowrack einer Tabletten fressenden Tochter kümmern muss, stören sie diese Erzählung, und machen ihre Figuren wesentlich lächerlicher als sie sein dürften, um auf einer emotionalen Ebene ernsthaft zu verfangen. Im Zwiespalt zwischen schnellem, billigem Lacher und ernsthaftem Interesse an seinen Charakteren entscheidet sich Lorre (der neben seiner Eigenschaft als Creator an jedem der acht Drehbücher mitgeschrieben hat) zwar deutlich häufiger für den erzählerisch nachhaltigeren Zugang als in seinen bisherigen Projekten: Doch die letzte Konsequenz lässt leider auch «The Kominsky Method» missen – obwohl sie zweifelsfrei seine inhaltlich gelungenste Serie ist.

Acht Folgen von «The Kominsky Method» sind bei Netflix zu sehen.
18.11.2018 11:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/105282