Wie man Werbeblöcke spart - Der Fall ARD

Die Skandale innerhalb der ARD häufen sich. Vor einem Monat bestätigten sich Recherchen eines Journalisten, wonach in diversen Serien der ARD unerlaubte Schleichwerbung platziert wurde. Nun sorgen die Reporter Jürgen Emig und Wilfried Mohren für neuen Wirbel. Ein Kommentar von Quotenmeter.de-Redakteur Alexander Krei.




Das Durchschnitts-Alter der ARD-Zuschauer beträgt 58 Jahre. Nur dank des Vorabendprogramms kann sich das Erste wohl unter die 60er-Marke retten. Um 17:50 Uhr legt man die Scheinheiligkeit ab, die man noch eine Stunde zuvor bei «Fliege» vorgegaukelt bekam. Denn ab 17:50 Uhr geht’s um alles, vor allem aber um das liebe Geld. „Adieu, `Lifta´“‚ „Hallo Bravo-Generation“ heißt es, wenn die überwiegend bei den Jüngeren beliebten Soaps «Verbotene Liebe» und «Marienhof» an den Start gehen.


Marktanteile von deutlich mehr als 15 Prozent in der Zielgruppe sind bei beiden Sendungen keine Seltenheit. Für die Werbekunden, denen die Älteren egal sind, wird das biedere Image der «Tagesschau» beiseite gelegt und durch unverbrauchte Gesichter vor den Kameras ersetzt.


Da bleibt wenig zu Zeit, um das große Geld zu scheffeln. Einige Herren der Bavaria Film GmbH werden das wohl auch festgestellt haben und versuchten, weder heimlich, noch still un schon gar nicht leise noch mehr Werbung in den erfolgreichen Serien zu platzieren. So war beispielsweise wochenlang immer wieder der Slogan „Nix wie weg“ des Reiseveranstalters L’tur im «Marienhof» zu sehen. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Und das ausgerechnet bei der ARD, wo es nur so von peniblen Kontrolleuren wimmelt. Zusammen mit der Krankenhaus-Serie «In aller Freundschaft» soll es innerhalb von nur drei Jahren insgesamt 117 Mal Werbung durch die „Hintertür“ gegeben haben.


Doch warum kam die plötzliche Aufregung? Nicht zuletzt dank der Gummibärchen auf Gottschalks Wett-Tisch war doch sogar jedem Fernsehzuschauer seit langer Zeit bewusst, dass es im Fernsehen Schleichwerbung gibt. Ein anderes Beispiel: «Tatort»-Ermittler Schimanski lutschte immer gerne eine bestimmte Bonbonmarke, deren Tüte er desöfteren dezent in die Kamera hielt.


Doch noch ein weiterer Skandal erschüttert derzeit die Altherren-Riege der ARD: Es ist der „Fall Emig“. Der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks (hr) sitzt seit einer Woche wegen Korruptionsverdacht im Knast. Er hatte die Berichterstattung über bestimmte Sportereignisse im hr gegenüber den Veranstaltern angeblich mit der Auflage verbunden, mit der Vermarktung der Events ausschließlich jene beiden Agenturen zu betrauen, die Emig selbst beziehungsweise seiner Ehefrau gehörten. Dadurch waren die Sponsoren gut im Fernsehen präsent und alle schienen zufrieden. Helmut Reitze, seines Zeichens hr-Intendant, verteidigte unterdessen die Möglichkeiten von „Produktionshilfen“, wie er es nennt. Nach dem „Muster Emig“ soll auch der MDR-Sportchef Wilfried Mohren gehandelt haben. Er wurde von seinem Arbeitergeber inzwischen suspendiert.


Keine Frage: Die ARD steht in der Kritik. Sollten sich die Verfehlungen innerhalb der Rundfunkanstalten, die - und das scheint mittlerweile immer häufiger in Vergessenheit geraten zu sein – unabhängig zu sein haben, weitergehen, läuft man Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden. Denn: Immer mehr Menschen klagen lauthals über die immer weiter ansteigenden Fernsehgebühren und anstatt behutsam mit den Einnahmen der Zahler umzugehen, scheint man oftmals das Geld schier „aus dem Fenster“ zu werfen. Der ohnehin angekratzten Glaubwürdigkeit tun solche Aktionen selbstverständlich alles andere als gut. Für den ARD-Vorsitzenden handelt es sich zwar nur um „schwerwiegende Verfehlungen im Einzelfall“, die nach seinen Aussagen „bei allen großen Medienunternehmen nie ganz auszuschließen“ sind, doch bekanntermaßen entsteht eine große Lawine auch nicht aus einem großen Schneeball.


Die „Bild“ spricht indes vom „Saustall ARD“ und hat damit möglicherweise nicht ganz Unrecht. Doch das eigentlich Traurige an den Skandalen der vergangenen Wochen ist, dass die ARD sich selbst demontiert. Die Kritiker, die man jahrelang mit einem qualitativ hohen Programm zum Schweigen bringen konnte, haben dank Bavaria, Emig und Co. die Schwächen gefunden, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen in seiner jetzigen Form vielleicht nicht von heute auf morgen, aber auf längere Zeit gesehen, zum Wanken bringen könnte.


Schnelles Handeln wäre jetzt angebracht, doch in Anbetracht eines Mammutkonzerns dürfte eine baldige Änderung wohl kaum zu erwarten sein. Eigentlich schade.
12.07.2005 18:40 Uhr  •  Alexander Krei Kurz-URL: qmde.de/10508