«Yu-Gi-Oh!» – Die dunkle Seite des Anime-Klassikers

Yugi und seine Kartenspiele sind absoluter Kult. Und dennoch gibt es viele Geheimnisse um den Manga und den daraus entstandenen Anime. Wir führen Sie hinter die Kulissen von «Yu-Gi-Oh!».

„Zeit für ein Duell.“ – Ein Satz, der den meisten Anime und Manga-Fans bekannt sein wird. Die Kartenspiele und Abenteuer des Hauptprotagonisten Yugi und seinen Freunden sind mittlerweile zum Kult geworden. Die Serie läuft aktuell immer noch, die Karten haben sich als Merchandise Artikel milliardenfach verkauft und doch sind die unterschwelligen Themen von «Yu-Gi-Oh!» nur den wenigsten bekannt.

Ein Manga mit über 38 Ausgaben, ein Anime, der hunderte von Folgen fasst, mehrere Filme und ein Kartenspiel, das sich weit über 22 Milliarden verkauft hat, obwohl es nur als Merchandise angedacht war. «Yu-Gi-Oh!» ist ein japanischer Erfolgsschlager und vergleichbar mit Werken wie «Detektiv Conan» und «One Piece».

Heutzutage wird die Serie oftmals nostalgisch mit Pokito TV, dem Nachmittagsprogramm von RTL II, in Verbindung gebracht. Anfang und Mitte der 2000er lief die Serie in besagtem Nachmittagsprogramm und hat durch das tauschen und duellieren mit dem Sammelkartenspiel nahezu jeden Schulhof kontrolliert. Durch die Animewelle, die das deutsche Fernsehen Anfang der 2000er Jahre ergriff, rief RTL II damals Pokito TV ins Leben. Das Kinderprogramm besetzte die Nachmittagsspalte und setzte sich aus mehreren Animes zusammen, unter denen neben «Naruto» und «Dragon Ball» auch «Yu-Gi-Oh!» eine feste Instanz war.

Die grundlegende Rahmenhandlung dreht sich im Anime und Manga um den Schüler Yugi Muto und dessen Freunde. Die Welt der Charaktere wird förmlich von dem Kartenspiel Duel Monsters regiert, welches sich hauptsächlich aus Monster- Zauber- und Fallenkarten zusammensetzt. Eines Tages setzt der kleine Yugi ein mystisches Puzzle seines Großvaters zusammen, wodurch er den gefangenen Geist eines ägyptischen Pharaos freisetzt, der als König der Spiele gilt. Fortan wechseln die beiden die Persönlichkeit und der Pharao tritt stets hervor, wenn es darum geht in schicksalshaften Duellen das Ruder herumzureißen.

Während der Manga ursprünglich Ende September 1996 in Japan veröffentlicht wurde, kam der erste Versuch einer Anime-Umsetzung zwei Jahre später im April. In Fankreisen ist die erste Umsetzung des japanischen Comics als legendäre Season 0 bekannt. Jene Season hielt sich sehr nah an den Original-Manga, der bei Weitem nicht so kinderfreundlich war, wie es die spätere Anime-Adaption war. Während der Manga einen durchweg düsteren, fast schon bedrohlich anmutenden Zeichenstil hatte, versuchte Season 0 eben diesen zu rezipieren. Die 27 Episoden der berühmt-berüchtigten Staffel hatten oftmals eine dunkle und verstörende Bildsprache und die Kartenduelle endeten oftmals tödlich für den Unterlegenen. Der Pharao, das Alter Ego von Yugi, der in den Duellen die Kontrolle übernimmt, hatte in diesen eine sadistische Aura und schickte seine Gegner willentlich in den Tod.

Von einer Serie, die von dem kinderfreundlichen japanischen Animationsstudio Toei Animation produziert wurde, hatte man sicherlich anderes erwartet.

Selbst in Japan gewann die erste Anime-Adaption des Mangas keine allzu große Popularität, nicht zuletzt weil sich Toei Animation dazu entschloss, Charaktere in den Anime einzubinden, die im Manga nicht vorhanden waren und demnach nicht ausreichend charakterisiert wurden. Season 0 war kein Erfolg und wurde demnach wieder eingestellt.

Fortan wurde die Produktion von dem ebenfalls japanischen Animationsstudio Studio Gallop übernommen. In den Händen dieses Studios gelang die Serie zum großen Durchbruch und dem Erfolg, der bis heute anhält. Das Studio produzierte die Serie «Yu-Gi-Oh! Duel Monsters», die außerhalb japanischer Landesgrenzen schlicht und einfach nur als «Yu-Gi-Oh!» bekannt wurde. Diese ignoriert Season 0 in jeder Hinsicht und entscheidet sich dazu Yugi und die Charaktere um ihn herum erneut einzuführen, jedoch mit anderen Storylines und charakterlichen Ansätzen. Die erste Staffel drehte sich um das Königreich der Duellanten, eine Insel, auf der Yugi und dessen Freunde sich mit weiteren Duellanten messen mussten, um zu entscheiden wer der beste ist. Während man dieses Setting noch im Manga wiederfinden konnte, verhielt es sich mit späteren Staffelinhalten anders. Die vierte Staffel beispielsweise drehte sich um die Karte Das Siegel von Orichalcos, die man im japanischen Comic vergeblich sucht. Diese Abweichungen wurden dem Studio jedoch verziehen, da der Manga mit 38 Ausgaben nur begrenzten Stoff für Umsetzungen bat und sich durch den Anime bereits eine neue Fanbase gegründet hatte, die mit dem Manga nicht vertraut war.

Interessant ist, dass sich die erste Staffel im Vergleich zu den späteren in vielen Punkten unterscheidet. Das optische Auftreten vieler Charaktere wird nach der ersten Staffel verändert, die Duel Disk, auf die die Duellanten ihre Karten legen wird eine Konstante und auch die Qualität steigt in den späteren Staffeln merklich an. Neben einem besser ausgearbeiteten Plot bekommen Charaktere weitreichende und tragische Hintergrundgeschichten und die Serie gewinnt zunehmend an Emotionalität.

Der Schöpfer von «Yu-Gi-Oh!», Kazuki Takahashi, wollte mit seinem Werk jedoch keine einfache Werbung für ein Merchandise-Kartenspiel abliefern. Dafür werden zu oft familiäre Probleme und die Fragen nach Verantwortung und dem Erwachsen werden thematisiert. In der Fangemeinde des Mangas und Animes kursieren seit Jahren hartnäckige Theorien darüber, dass sich die Serie zudem mit mentalen Krankheiten beschäftigt wie Depressionen und Persönlichkeitsstörungen. Auch wenn dies an manchen Stellen realistisch erscheint, hat der Autor Takahashi dies nie bestätigt oder abgestritten.

Dazu kommt die Thematik der Freundschaft, die sich wie eine Art kontinuierlicher roter Faden durch die Historie der Serie zieht. In jeder Staffel wird die Freundschaft zwischen Yugi und seinen Freunden aus einer neuen Facette beleuchtet und mit weiteren Hindernissen konfrontiert. Auch wenn das stetige Auseinandersetzen mit Freundschaft ein typisches Mittel von Animes und Mangas ist, nimmt es in der Takahashis Werk nochmal einen besonderen Stellenwert ein.

http://www.quotenmeter.de/pics/prosiebenmaxx/yugioh/yugioh_01_04.jpgAbseits der ursprünglichen Serie «Yu-Gi-Oh!» existieren noch weitere Ableger, die jedoch nie den Erfolg der ersten Staffeln replizieren konnten. «Yu-Gi-Oh! GX» beispielsweise war der Nachfolger der Ur-Serie, fester Bestandteil von Pokito TV und erfreute sich immer noch einer großen Beliebtheit. Mittlerweile zählen zu dem Universum rund um Kartenspiele auch «Yu-Gi-Oh! 5D’s», «Yu-Gi-Oh! Zexal», «Yu-Gi-Oh! VRAINS», «Yu-Gi-Oh! Arc-V» und mehrere Filme, von denen insbesondere der jüngste Ableger «Yu-Gi-Oh!: The Dark Side of Dimensions» von 2016 ein großer Erfolg war.

Bis heute ist «Yu-Gi-Oh!» extrem erfolgreich, was primär durch das gleichnamige Sammelkartenspiel kommt. Mehrere Milliarden verkaufte Karten, die aus dem beispiellosen Boom Anfang und Mitte der 2000er entstammen und immer noch verkauft werden sprechen eine deutliche Sprache. Weltmeisterschaften, mehrere Turnierreihen und einzelne Karten, die einen Wert in Millionenhöhe haben sind Alltag in dem Kartenspiel.

Dennoch merkt man, dass die Marke nicht mehr an den exponentiellen Erfolg der frühen 2000er anknüpfen kann, was sich auch in der Beliebtheit der späteren Serienableger niederschlägt.

Auch wenn der Erfolg nicht mehr derselbe ist, ist und bleibt «Yu-Gi-Oh!» Kult und wird auch in den nächsten Jahren eine Erfolgsgeschichte bleiben. Dass die mittlerweile sehr bunte und kinderfreundliche Serie ihren Ursprung in einem vergleichsweise düsteren und verstörenden Manga und der berüchtigten Season 0 hat, ist fast in Vergessenheit geraten. Ein Rückblick in den dunklen Ursprung der Serie lohnt sich jedoch, um deren Entstehungsgeschichte besser zu verstehen und die ein oder andere interessante Geschichte zu finden.
01.11.2018 10:15 Uhr  •  Martin Seng Kurz-URL: qmde.de/104811