«New Amsterdam»: Ryan Eggold, das McDreamy-Imitat

Die neue NBC-Klinikserie mit Ryan Eggold wurde gerade für eine volle erste Staffel verlängert – und sieht aus wie ein generisches «Emergency Room».

Cast & Crew

Produktion: Pico Creek Productions, Mount Moriah und Universal Television
Schöpfer: David Schulner
nach "Twelve Patients: Life and Death at Bellevue Hospital" von Eric Manheimer
Darsteller: Ryan Eggold, Janet Montgomery, Freema Agyeman, Jocko Sims, Tyler Labine, Anupam Kher u.v.m.
Executive Producer: Kate Dennis, Peter Horton und David Schulner
Als Dr. Max Goodwin (Ryan Eggold), ein jugendlich-dynamischer Typ, am ältesten öffentlichen Krankenhaus der USA seinen Dienst als ärztlicher Direktor antritt, macht er vor der versammelten Belegschaft Nägel mit Köpfen: Ohne Umschweife entlässt er alle Herzchirurgen der Klinik und beruft sämtliche Abteilungsleiter ab. Sie alle hatten völlig unnötige Behandlungen eingeleitet, nur um die Abrechnungen aufzublähen. Der neue Chef stellt klar: Unter seiner Ägide wird wirtschaftliches Denken grundsätzlich dem Patientenwohl untergeordnet. Dass eine solche Szene als realitätsferne Utopie interpretiert werden muss, sagt mehr über die tatsächlichen Zustände aus als über diese Serie.

Doch Dr. Goodwin sieht sich gleichsam nicht als Antagonist der Ärzteschaft von New Amsterdam: Er will dem medizinischen Personal den Rücken freihalten, sie von allen nervigen wirtschaftlichen Zwängen entbinden, damit sie sich auf das konzentrieren können, wofür dieses Haus überhaupt da ist: Patienten zu heilen, und wo das nicht mehr möglich ist, ihr Leiden zu lindern. Sein Leitmotiv etabliert er so pathetisch wie idealistisch: We are the system. We need to change. Let’s be doctors again.

In den ersten drei Fällen, die die Pilotfolge zeigt, wollen die Autoren bereits die ganze Klaviatur bedienen, auf der Klinik-Procedurals im Network-Fernsehen vornehmlich klimpern: Bei einem jungen Patienten aus Afrika wird das Ebola-Virus als Auslöser seiner befremdlichen Symptome vermutet – das ist reißerisch, skandalträchtig, aus den Schlagzeilen gerissen und ein Boulevard-besoffenes Albtraumszenario.

Derweil ist eine junge Patientin aus der geschlossenen Psychiatrie von jahrelangen schwersten Misshandlungen in Pflegefamilien so schwer traumatisiert worden, dass der gutmütige und verschrobene Chefarzt (so stellt man sich Psychiater eben vor) mehrere Extra Miles geht, um sie in einem guten Zuhause unterzubringen – ein Fall, der ans Herz geht.

Währenddessen leidet eine ältere Mexikanerin an einem sehr seltsamen Symptomkomplex, der mehr ärztliche Aufmerksamkeit als Fachwissen erfordert – ein Fall zum Mitknobeln. Dass nach einem Kohlenmonoxid-Leck die halbe Botschafterschaft der Vereinten Nationen gerade die Notaufnahme blockiert, ist da fast schon ein New Yorker Gimmick.

Vieles davon klingt nach dem alten Erfolgsrezept von «ER», das Jahr um Jahr in den Quotentabellen von NBC ganz weit vorne stand. Diesen Erfolg wollten seitdem ganze Heerscharen an Arztserien kopieren – weitgehend vergeblich. «New Amsterdam» baut die Mischung aus emotionalen, bisweilen seichten Themen und außergewöhnlichen Ereignissen so konsequent nach wie kaum eine von ihnen – und hat mit dem smarten Ryan Eggold noch die Idealbesetzung für ein solches Format gefunden. Das Wichtigste jedoch fehlt: eine konzeptuelle Besonderheit, ein erzählerischer Kitt, der all diese Bestandteile zusammenhält und in ein kohärentes Ganzes gießt. «New Amsterdam» sieht aus wie eine beliebige Imitation, die ihr Original verstanden hat, aber nicht imstande ist, seinen Kern nachzubauen.

Gleichzeitig zeigt diese Serie jedoch angenehm unterschwellig und trotzdem unübersehbar eine stringente gesellschaftliche Haltung: Beim prestigeträchtigen New Amsterdam handelt es sich um eine free clinic, wo sämtliche Patienten ungeachtet ihres Versicherungsstatus‘ jedwede Behandlung erhalten und nicht anschließend mit obszön überhöhten Rechnungen in die Insolvenz geschickt werden. So werden dem amerikanischen Publikum Woche um Woche die Vorzüge einer Bürgerversicherung vorgeführt – in Zeiten, in denen nicht einmal Donald Trumps radikallibertäre Büttel dem Präsidenten bei seinen Plänen eines Rückbaus der staatlichen Gesundheitsfürsorge Gefolgschaft leisten, zweifellos ein Politikum.
14.10.2018 10:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/104456