Raphael Vogt über «Alles oder Nichts»: „Es hat mich förmlich umgehauen“

Nach «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» und «Schmetterlinge im Bauch» hat Raphael Vogt wieder eine Soap-Hauptrolle ergattert. In der am Montag startenden Sat.1-Daily «Alles oder Nichts» spielt er die ungewöhnliche Rolle eines Obdachlosen, hinter dem mehr steckt als man ahnt. Quotenmeter.de hat Vogt erzählt, auf welch ungewöhnlichem Weg er zur Rolle Daniel Wagner kam, was die Serie anders macht als ihre Vorgänger und wie sich die Produktion einer Daily zuletzt verändert hat.

Vita Raphael Vogt (Auszüge)

  • 1977: «Ein verrücktes Paar»
  • 1978: «Die Blechtrommel»
  • 1996-2005: «GZSZ» als Niko Weimershaus
  • 2006-2007: «Schmetterlinge im Bauch» als Nils
  • 2007: «Volles Haus»
  • in Folge Episodenrollen in «Die Bergwacht», «Der Bergdoktor», «Mila», «Cobra 11», «Alles was zählt» oder «Der Kriminalist»
  • Seit 2018: «Alles oder Nichts»
Herr Vogt, Sie mischen in einer gänzlich neuartigen Soap mit, «Alles oder Nichts» von Sat.1. Worum geht es?
Jeder kennt die Ausgangssituation: Der schwerreiche Inhaber einer großen Baufirma kommt bei einem Flugzeugabsturz um’s Leben und es geht darum, das Erbe zu verteilen. Wann immer es um das Erbe geht, kommt es zu Konflikten. So ist das auch bei unserer Serie – zumal am Tag der Testamentseröffnung auch noch klar wird, dass der Verstorbene drei uneheliche Kinder hat, die bisher in Armut leben und von denen keiner wusste.

Wenn man über «Alles oder Nichts» spricht, fallen gerne Worte wie bahnbrechend, neu, besonders. Für wie anders schätzen Sie als Kenner der Soap-Szene die Serie ein? Schließlich haben Sie fast zehn Jahre lang in «GZSZ» mitgespielt und ein Dreivierteljahr «Schmetterlinge im Bauch» gemacht.
Es ist etwas komplett Neues. Ich denke, dass wir uns deshalb auch gegen die drei Ideen von der UFA durchgesetzt haben. Der komplette Ausgangspunkt der Figuren ist total anders als in früheren Serien. Das heißt nicht, dass wir im Laufe der Serie nicht auch auf gewohnte Themen zurückgreifen. Liebe wird bei uns natürlich auch eine Rolle spielen. Die Klassiker haben wir also dabei. Aber wir verlassen uns nicht auf die bekannten Schablonen.

Und es ist endlich wieder eine High-Society-Soap.
Ich denke, die Leute wollen so etwas sehen. Ich habe neulich bei Netflix die Neuauflage des «Denver-Clans» geschaut. Das geht in unsere Richtung. In der Serie platzen zwar keine Leute aus einer anderen Schicht hinein, aber es geht auch um Intrigen in einer riesigen Firma, um Mehrheiten.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie für die Serie angefragt wurden?
Für mich war das kein gewöhnlicher Einstieg. Ich war nämlich eigentlich für eine andere Rolle vorgesehen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht zu mir gepasst hätte. Es wäre ein Fehler gewesen, da zuzusagen. Jetzt spiele ich ja Daniel Wagner, einen Obdachlosen. Und das hat mich wirklich von Beginn an überzeugt. Die Grundthematik der Serie sowieso. Weil sie frisch und neu ist.

Als ich das Studio zum ersten Mal gesehen habe, hat es mich förmlich umgehauen. Ich kenne ja viele Studios von Daily-Soaps, habe auch mal zuletzt bei «Alles was zählt» Gastrollen gehabt.[...] Mir gefällt, wie liebevoll alle Sets eingerichtet sind, speziell auch die „Hartz-IV-Wohnungen“.
Raphael Vogt
Sie haben im März und April einen Piloten gedreht, mit dem Producers at Work Sat.1 so sehr überzeugt hat, dass man auch drei Daily-Piloten von UFA Serial Drama abgehängt hat.
Das war eine spannende Zeit für uns. Der Pilot wurde noch an anderen Schauplätzen gedreht, hauptsächlich in echten Sets. Erst danach wurde dann das Studio gebaut. Als ich das Studio zum ersten Mal gesehen habe, hat es mich förmlich umgehauen. Ich kenne ja viele Studios von Daily-Soaps, habe auch mal zuletzt bei «Alles was zählt» Gastrollen gehabt. Aber die Sets von uns haben mich umgehauen. Mir gefällt, wie liebevoll alle Sets eingerichtet sind, speziell auch die „Hartz-IV-Wohnungen“. Es ist gut, dass die Produktion sich getraut hat, einen Mix aus detailgenauer Einrichtung und dem Mut zur Hässlichkeit zu finden. Es wurde nichts geschönt.

Sie haben es ja angesprochen. Sat.1 hatte noch drei andere Piloten beauftragt. Wie war das im Frühjahr? Telefoniert man da mal mit Kollegen, um zu wissen, wie es bei der „Konkurrenz“ so läuft?
Ich glaube, das haben eher die Produzenten gemacht. Natürlich kennt man sich. Peter Süß, der ja auch an einigen UFA-Soaps gearbeitet hat, war früher schon mal bei «GZSZ». Mit Christian Popp, der jetzt unser Produzent ist, bin ich befreundet, wir haben schon die «Schmetterlinge» gemacht. Ich habe ein gutes Verhältnis zu beiden Firmen und hätte auch in einer UFA-Serie mitgespielt, wenn mich das Konzept überzeugt. Es geht mir da nicht um die Firma, sondern um die Geschichte. Wir haben das ja schon gesagt: Wir sind keine Telenovela, wo es hauptsächlich um einen Mann und eine Frau geht, wir sind viel viel mehr. Eigentlich bin ich vor solchen Projekten sehr nüchtern, vielleicht sogar pessimistisch. Aber hier glaube ich, dass die Serie wirklich eine Chance hat, sich fest zu etablieren.



Sie spielen einen Obdachlosen, der unverhofft durch das Erbe zum großen Geld kommt. Auf Instagram haben Sie schon verraten, dass man Sie am Set nicht erkennt, wenn Sie als Daniel Wagner unterwegs sind.
Das ist verrückt. Morgens werde ich wirklich zwei Mal begrüßt. Erst vor wenigen Tagen musste ich mal zu Fuß zu einem Außendreh laufen, weil der Fahrer es zeitlich nicht geschafft hatte. Dann bin ich also durch die Straßen gelaufen und habe gemerkt, wie man auch angesehen wird als Obdachloser. Das hat mir schon zu denken gegeben. Es hat auch gezeigt: Das Kostüm funktioniert wirklich. Ich sehe komplett anders aus als Daniel Wagner. Unsere Maske arbeitet da echt hervorragend.

Wie haben sich tägliche Serien und auch die Arbeit für eine Daily im Vergleich zu vor 15 oder 20 Jahren entwickelt?
Ganz enorm. «GZSZ» wird inzwischen ins Ausland verkauft. Das ist ein großer Erfolg für das Genre Daily Soap in Deutschland. Wenn man heute an Folgen von «GZSZ» aus den 90ern zurückdenkt, dann muss man ja fast schon schmunzeln. Die Folgen kann man heute gar nicht mehr zeigen. Das war quasi eine andere Welt. Die Entwicklung war unglaublich. Ich war – wie schon erwähnt – vor ein paar Jahren bei «Alles was zählt», habe da unter anderem mit Caro Frier gedreht. Mit ihr stand ich damals auch für ein Primetime-Projekt vor der Kamera und hatte schon gesagt, dass es da kaum mehr Unterschiede gibt. Bei «Alles oder Nichts» werde ich da in meiner Annahme bestätigt.

Kommen wir nochmal kurz zu Ihrer Figur zurück. In dem Obdachlosen steckt viel mehr als erwartet?
Mal schauen, wo der Weg für ihn hingeht. Anfangs lehnt er ja alles komplett ab. Er wirft sogar den Brief weg, in dem er über das Erbe informiert wird. Man muss ihn quasi da erst hintreiben. Ich bin mir sehr sicher, dass er seine Ideale nicht aufgeben wird. Man wird Daniel nie mit dem großen Geld locken können. Wir werden ihn nicht nach vier Wochen im Anzug und frisch rasiert sehen. Mir wäre das recht, der Bart ist beim Drehen nicht immer so angenehm (lacht). Man muss aber bedenken, dass in der Rolle sehr viel Tragisches steckt. Daniel ist von seiner Vita her sehr talentiert. Er hat einen hohen IQ, hat sein Studium in Blitz-Geschwindigkeit gemacht. Doch in den vergangenen zehn Jahren lebte er auf der Straße, war Pegeltrinker. Dadurch sind viele seiner Fähigkeiten abhanden gekommen. Das zeigt auch, wie nahe die Serie an der Realität ist. Ich habe mit einigen Obdachlosen gesprochen – und auch wenn Obdachloser nie gleich Obdachloser ist: Sie alle eint, dass es mehrere Schicksalsschläge gab. Beruflicher, privater Natur. Ich vergleiche das mit einem Flugzeugabsturz. Ein Gewitter bringt keine Maschine zu Boden. Aber ein Gewitter, gepaart mit einem Pilotenfehler, einem Kurzschluss im Cockpit und einem unachtsamen Mitarbeiter im Tower schon.

Es gibt in der neuen Soap zahlreiche Antagonisten. Ein Brock-Kind etwa kann gar nicht mit Geld umgehen, geht dafür aber über Leichen. Und auch sonst weckt das Geld Begehrlichkeiten und Seiten an Leuten, die man so nicht kannte.
Ein wesentlicher Punkt unserer Serie. Sehen Sie: Ich habe früher «Schmetterlinge im Bauch» gemacht – da haben wir rund zehn Monate gedreht. Am Ende wurde die Serie vorzeitig abgesetzt. Da mag es verschiedene Analysen geben. Ich glaube, dass wir vor allem am Anfang zu wenige Konflikte erzählt haben.

Sehe ich auch so.
Das ist jetzt total anders. Und genau solche Figuren, die ich auch hassen kann, sind doch das Salz in der Suppe. Daniel ist sicherlich auch keine Figur, die jeder toll findet. Ganz und gar nicht. Es geht nicht um die totale Identifikation, sondern darum, ein Interesse beim Zuschauer zu wecken. Man muss wissen wollen, welche Beweggründe die Figur für ihr handeln hat.

Letzte Frage: Was machen Sie am Montag, wenn die erste Folge im TV läuft?
Das weiß ich noch gar nicht. Vermutlich drehen. Ich weiß aber, was wir am Set alle am Dienstagmorgen machen. Und das ist kein Scherz: Quotenmeter lesen.

Danke für das Gespräch.
17.10.2018 11:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/104426