Mit einer neuen Dokusoap lieferte ProSieben am Sonntag-Vorabend überraschend unterhaltsames Fernsehen ab, die Erinnerungen an die Glanzzeit des Senders im Comedy-Segment weckte - neben «Stromberg» war auch ein Stück «TV total» vertreten. Bedauerlich war einzig der verkrampfte Versuch, über das humorige Experiment hinaus auch eine ernsthafte Message in das Format zu integrieren.
Viele dürften es gar nicht mitbekommen haben, dass ProSieben seit dieser Woche am Sonntagvorabend nicht mehr wenig erfolgreich «Galileo 360°» ausstrahlt, sondern ein sechsteiliges neues Format namens «Good Boss, Bad Boss». Und wer es doch mitbekam, dürfte sich die Sendung kaum ernsthaft im Kalender markiert haben, sprachen der Sendeplatz sowie die stark an «Undercover Boss» erinnernde Prämisse nun nicht unbedingt für sonderlich sehenswertes Fernsehen. Doch das von Webertainment produzierte Projekt überraschte mit einem starken Protagonisten, cleveren und gut umgesetzten Ideen und einer Aufmachung, die mit leichter Wehmut an die goldenen Zeiten des Senders erinnerten, als man über das Versenden der immer gleichen vier bis fünf US-Serien hinaus noch ernsthafte Ambitionen im Comedy-Segment an den Tag legte und mit Formaten wie «Stromberg» und «TV total» tolle eigenproduzierte Unterhaltung in petto hatte.
Star des Formats ist der Schauspieler und Moderator Alexander Königsmann, der fortan dabei begleitet wird, wie er als neuer Chef in bester Stromberg-Manier seinen Untergebenen das Berufsleben zur Hölle macht - was insbesondere in Betrieben wie dem in der Auftaktfolge besuchten Friseursalon eine schwerwiegende negative Veränderung mit sich bringt, herrschte dort doch bislang augenscheinlich eine sehr familiäre und positive Grundstimmung. Der neue Bad Boss hingegen ist der Prototyp eines selbstverliebten Business-Schnösels, der auf allerlei Seminaren ganz hervorragende frische Konzepte ausfindig gemacht haben will, die in New York der heißeste Schrei seien und nun bitte auch in der Kölner Innenstadt umgesetzt werden möchten. Aber mit Begeisterung und angetackertem Helene-Fischer-Lächeln.
Dabei entstehen zahlreiche Momente mit hoher Situationskomik, die in der Tat ein wenig an die Mockumentary erinnern, durch die Christoph Maria Herbst zu einem der bekanntesten Schauspieler des Landes wurde. Dieses humoristische Niveau erreicht weder Königsmann als glattgebügelte Schmierlappen-Version des sexistischen, rassistischen Egomanen noch die restliche Produktion, nichtsdestotrotz wird man gut und kurzweilig unterhalten und fühlt mit den sehr sympathischen Mitarbeitern sogar noch stärker mit als in einer Serie, die ausschließlich von Schauspielern getragen wird. Man feiert die im Laufe des Tages immer häufiger auftretenden Momente, in denen jemand dem Boss Kontra gibt oder auf die Lächerlichkeit seiner Vorschläge hinweist, man schämt sich in Grund und Boden, wenn dieser in seinem Salon eine Szene macht und vor versammelter Belegschaft und Kundschaft verkündet, als ersten "Mitarbeiter des Monats" sich selbst auserkoren zu haben, man bedauert eine etwas naive Angestellte, wenn sich diese tatsächlich dazu bereiterklärt, für eine als Kundin eingeschleuste Mitarbeiterin einkaufen zu gehen. Kurzum: Man bekommt in einer Stunde Sendezeit überraschend viele sehr amüsante und mehr oder minder freiwillig komische Momente dargeboten. Schön ist auch, dass man als Sprecher die alte Off-Stimme von «TV total» hat gewinnen können.
Doch es gibt auch einige wenige Aspekte, die nicht ganz so gelungen sind. In allererster Linie ist hier die Tatsache zu nennen, dass man «Good Boss, Bad Boss» nicht einfach als kleinen Streich der eigentlichen Chefs inszeniert hat, sondern als vermeintlich relevante Help-Soap, die den Mitarbeitern eine ganz wichtige Lehre erteilen soll. Warum das überhaupt nötig ist, wird bei besagtem Friseursalon nicht so recht klar, denn der Teamspirit ist ebenso intakt wie das Verhältnis zu den Chefs, der Laden läuft offenbar gut und auch die Kunden äußern sich positiv über den Betrieb. Aber manchmal lässt der eine oder andere Mitarbeiter nach Feierabend mal was stehen oder räumt den Privatbereich nicht perfekt auf. Joar, einigermaßen dünn, um die Notwendigkeit eines Fernsehteams zu betonen, was auch aus den abschließenden Äußerungen einer Mitarbeiterin zu entnehmen ist (sinngemäß: "Wenn das alles ist, was wir künftig besser machen sollen, kann es hier ja so schlimm nicht laufen."). Zumal es pädagogisch arg fraglich anmutet, ob durch einen eintägigen Ritt durch die Business-Hölle nachhaltige Besserungen realisierbar sind. Ehrlicher wäre es hier gewesen, auf der Comedy-Schiene zu bleiben und nicht krampfhaft nach einem ausgestreckten Zeigefinger Ausschau zu halten, um diesen Spaß mit einer ganz voll deepen Message zu umrahmen.