«Jack Ryan»: Hochglanz-Action, lasche Figurenmomente

Die neue Amazon-Thrillerserie «Jack Ryan» zeigt «A Quiet Place»-Held John Krasinski als CIA-Analyst, der aus seinem Metier geholt und an die Front verfrachtet wird.

Cast und Crew

  • Serienidee: Carlton Cuse, Graham Roland
  • Basierend auf Figuren von Tom Clancy
  • Darsteller: John Krasinski, Abbie Cornish, Wendell Pierce, Ali Suliman, Dina Shihabi, Amir El-Masry
  • Musik: Ramin Djawadi
  • Kamera: Richard Rutkowski, Checco Varese
  • Produktionsfirmen: Paramount Television, Skydance Media, Platinum Dunes
Um die Serie «Jack Ryan» versammeln sich ein paar nennenswerte Namen. So stammen die Figuren vom berühmten Bestsellerautoren Tom Clancy. Zu den ausführenden Produzenten zählen unter anderem Actionregisseur Michael Bay («The Rock») und sein Geschäftspartner Bradley Fuller («The Last Ship», «Black Sails»). Auch Hauptdarsteller John Krasinski, der kürzlich mit «A Quiet Place» einen Überraschungserfolg inszeniert hat, gehört zu den ausführenden Produzenten. Einer der Showrunner ist wiederum Carlton Cuse, der «Lost» mitgetragen hat. Der andere Showrunner hinter «Jack Ryan» mag weniger bekannt sein, ist aber besonders erwähnenswert: Es handelt sich um Graham Roland. Roland verfasste als Drehbuchautor einige Folgen von «Lost», «Fringe» und «Prison Break» – und war vor seiner Karriere als TV-Autor sechs Jahre lang beim US Marine Corps. In dieser Funktion diente er auch im Irakkrieg.

Diese Expertise kommt Roland bei «Jack Ryan» zunutze, und im Umkehrschluss lässt sich mutmaßen, dass die Serie von Rolands Beteiligung profitiert. Denn diese Inkarnation der Tom-Clancy-Figur Jack Ryan hat nicht mit dem Jungagenten aus «Jack Ryan: Shadow Recruit» gemeinsam, in dem die Figur von Chris Pine gespielt wurde, oder mit Ben Affleck, der einer Atombombe hinterherjagt («Der Anschlag»). Dieser Jack Ryan wird aus seinem Schreibtischjob bei der CIA gerissen und in den Nahen Osten versetzt, wo er im Kampf gegen eine potentielle terroristische Bedrohung an der Frontlinie dient.

«Jack Ryan» hebt sich von diversen US-Filmen und -Serien der vergangenen Jahren ab, die ebenfalls von einer islamischen Bedrohung handeln, indem dieser Amazon-Exklusivtitel ein komplexeres Bild zeichnet. Anders als etwa spätere «Homeland»-Staffeln zeigt «Jack Ryan» die große Spannbreite zwischen Extremisten und Opfern aus ihrer Nachbarschaft, darüber hinaus schwenkt diese Serie keine hurrapatriotische Flagge. Bereits die erste Szene zeigt unschuldige Kinder aus dem Libanon, die US-Bomber im Einsatz erleben, und dieses Thema der Bedrohung aus Amerika zieht sich wie ein roter Faden durch die ersten Folgen der Serie. Immer wieder wird auf die aktive Rolle der USA in der Radikalisierung des Nahen Ostens verwiesen, mehrmals eskalieren Situationen in der Seriengegenwart aufgrund der Einmischung der Amerikaner.

Die Skizzierung der Konflikte gerät in «Jack Ryan» zumindest in den ersten paar Episoden dennoch sehr schlicht: Es ist ein stetes Aktion-Reaktion-Spiel, durch das sich der von John Krasinski gespielte Titelheld bewegt. Daher fallen einige der rein charaktergesteuerten Momente etwas zäh aus: In einem simplen Point-and-Shoot-Inszenierungsstil gehalten und mit sehr geradlinigen Dialogen vorangetrieben, sind die dramatischen Passagen einfach lasch, insbesondere, wenn sie von der (vielleicht etwas arg auf Hochglanz polierten) aufwändigen Action eingekesselt werden.

Diese überzeugt nicht nur mit explosiver Energie, sondern auch mit einem effizienten Schnitt und einer das Publikum unmittelbar ins Geschehen versetzenden Kameraführung. Hauptdarsteller John Krasinski verleiht ihnen durch seine Performance der Hauptfigur zusätzliche Spannung: Eher wortkarg, mit strengen Blicken, in denen immer wieder Mal Unsicherheit aufblitzt, spielt Krasinski einen zwar trainierten, dennoch keinesfalls frontlinientauglichen Bürohengst, der ein wenig ungeschickt ist und sich somit nun in einer Situation befindet, die ihn völlig überfordert – selbst wenn er es sich nicht anmerken lassen will.

Während Krasinski dies sehr überzeugend rüber bringt, ist der obligatorische Romantiksubplot, der Jack Ryan mit einer Chirurgin (Abbie Cornish) flirten lässt, in seiner fadenscheinigen Umsetzung narrativer Ballast. Viel zu oft beruhen die Szenen zwischen den beiden Figuren allein auf der Ironie, dass Cornishs Rolle den Titelhelden falsch einschätzt. Von der Bitternis, die etwa «Alias – Die Agentin» aus dem Unwissen der Nebenfiguren gezogen hat, ist in «Jack Ryan» (zumindest in den ersten paar Folgen) nichts zu spüren. Auch die weiteren figurenzentrischen Subplots wollen in der ersten Handvoll Folgen nicht zünden.

Kurzum: «Jack Ryan» startet als Serie, deren Bild der Weltpolitik komplexer ist als bei «Homeland», die jedoch blassere zentrale Figuren und lascher erzählte Konflikte hat. Genrefans schalten ein und geben dem Format eine Chance, wer mit solchen Thrillerserien nie etwas anfangen konnte, wird auch hier nicht bekehrt.

«Jack Ryan» ist ab dem 31. August 2018 bei Amazon abrufbar.
30.08.2018 11:33 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/103399