Bloß nicht erschlagen fühlen: Ein Ratgeber zum Marvel Cinematic Universe

20 Filme, elf Serien. Tendenz steigend. Für Uneingeweihte muss sich das Marvel-Megafranchise undurchschaubar anfühlen. Doch dabei ist der Neu- oder Wiedereinstieg viel einfacher als es scheint!

Wann immer ein neuer Film startet, der zum Marvel Cinematic Universe gehört, fragen sich Leute, die dieses riesige Franchise nicht mit Argusaugen verfolgen: "Wie zum Henker soll ich da noch durchsteigen?" Ratschläge gibt es viele: Zahlreiche Webseiten haben sich bereits die Zähne daran ausgebissen, die Filme, Kurzfilme und Serien, die zu diesem «Avengers»-Kosmos gehören, in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. Und ungefähr genauso viele Onlineratgeber gibt es, die versuchen, dieses medienübergreifende Franchise auf die elementaren Kinofilme und Serienepisoden runterzubrechen, die alle Novizen schauen sollten, ehe sie neu in die Saga einsteigen.

Nun: Das alles ist ja gut gemeint. Aber auch unnötig komplizierter Quatsch. Die Filme des Marvel Cinematic Universe mögen zwar allesamt im selben Universum spielen, ähnlich wie auch einst alle «CSI»-Serien. Ein anderes, aktuelles Beispiel sind die Serien «Chicago Fire», «Chicago P.D.», «Chicago Med» sowie «Chicago Justice», die sozusagen benachbart sind, so dass es vorkommen kann, dass eine Figur aus der einen Serie mal für einen Besuch in einem anderen Format vorbeischaut. Doch diese Verbundenheit innerhalb des Marvel Cinematic Universe, kurz MCU, bedeutet nicht, dass Film- und Serienfans hilflos verloren sind, sollten sie einige MCU-Produktionen nicht kennen. Selbst wenn die Filme und Serien vernetzt sind, so erzählen sie jeweils eigene Geschichten.

Es ist nicht so, als würden die Marvel Studios seit Kinostart von «Iron Man» eine fortlaufende Stoy erzählen, für deren Verständnis es unabdinglich ist, alle vorhergegangenen Kapitel in- und auswendig zu kennen. Das MCU ist nicht so wie Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Trilogie, die eine Geschichte über die Dauer von drei Filmen erzählt. Es ist eher damit zu vergleichen, was passieren würde, wenn sämtliche James-Bond-Filme eine einheitliche Kontinuität hätten: Es gibt Rück- und Querverweise, wiederkehrende Figuren und einige halbwegs feste Stilmittel – doch die Geschichten bauen nur selten aufeinander auf und der Tonfall kann von Film zu Film enorm variieren.

In diesem Sinne: Alle, die bislang kaum etwas oder sogar gar nichts vom MCU gesehen haben, können theoretisch einfach mit der für sie persönlich reizvollsten Produktion anfangen. Es ist nur ratsam, das Vorwissen, andere Teile des Franchises verpasst zu haben, nicht damit überzukompensieren, indem man sich ununterbrochen fragt: "Wer ist das? Wieso kann der das? Gab es diesen Ort schon in einem anderen Film? Hilfe, ich habe sicher doch zu große Wissenslücken!" Entspannen ist angesagt. Was für den grundlegenden Plot eines einzelnen Films relevant ist, ist bei Marvel meistens selbsterklärend oder wird kurz zusammengerafft!

Ja, es gibt Gags oder Nebenplots, die sich nur mit Kenntnis anderer Filme erschließen, und wenn es zu Crossovern kommt, wird natürlich nicht noch einmal erklärt, wieso Thor einen Blitze schleudernden Hammer hat, Ant-Man sich schrumpfen kann und wer Spider-Mans bester Freund ist. Statt sich aber selber das Sehvergnügen zu verderben und überall Vorwissenslücken zu vermuten, kann man sich bei MCU-Filmen und -Serien eigentlich getrost zurücklehnen, den Kernplot genießen und im Fall entstandener Neugier halt einfach anfangen, den Rest des MCU-Katalogs nachzuholen.

Ich will aber geordnet anfangen, statt wild drauf loszulegen!


Nun gut, das ist natürlich etwas, das man sich vornehmen kann. In dem Falle empfiehlt es sich, einfach die Filme nach ihrem Veröffentlichungsdatum nachzuholen. Das ist am einfachsten zu recherchieren und hat sich bislang bei so ziemlich jeder Filmreihe als Erfolgsrezept bewahrheitet. Wäre die Veröffentlichungsreihenfolge unverständlich, wären die Filme ja kein Erfolgsfranchise geworden, nicht wahr?

Im Falle des MCU wäre die Reihenfolge also, Stand Juli 2018: «Iron Man», «Der unglaubliche Hulk», «Iron Man 2», «Thor», «Captain America: The First Avenger», «Marvel's The Avengers», «Iron Man 3», «Thor – The Dark Kingdom», «The Return of the First Avenger», «Guardians of the Galaxy», «Avengers: Age of Ultron», «Ant-Man», «The First Avenger – Civil War», «Doctor Strange», «Guardians of the Galaxy Vol. 2», «Spider-Man: Homecoming», «Thor – Tag der Entscheidung», «Black Panther», «Avengers | Infinity War» und schließlich «Ant-Man and the Wasp».

Wer unbedingt meint, experimentieren und mit der Veröffentlichungsreihenfolge spielen zu müssen, sollte schlicht «Captain America: The First Avenger» an den Anfang setzen und danach weiter der obigen Ordnung folgen. So lernt man den moralischen Kompass und strategischen Anführer der Avengers zuerst kennen, was erzählerisch so seine Vorteile haben kann. Fertig. Lasst euch nicht auf diese ganzen inhaltlich-chronologischen Reihenfolgen ein, die ihr im Netz so findet. Es gibt zwar eine grobe inhaltliche Reihenfolge, so spielt «Black Panther» eine Woche nach «The First Avenger – Civil War». Doch es gibt unklare Fälle wie «Doctor Strange», in denen Fans über die genaue Platzierung im Zeitstrang diskutieren – und sobald die Serien hinzukommen, insbesondere die von Netflix, ist das alles eh nur blindes Raten. Da wird der Marvel-Marathon schnell vom Sehvergnügen zur lästigen Hausaufgabe, bei der man auch noch einem unvollständigen Lehrbuch folgt. Das muss doch nicht sein.

Wie sieht es denn mit den Serien aus?


Zum MCU zählen folgende Serien (erneut, Stand Juli 2018): «Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.», «Marvel's Agent Carter», «Marvel's Inhumans», «Marvel's Daredevil», «Marvel's Jessica Jones», «Marvel's Luke Cage», «Marvel's Iron Fist», «Marvel's The Defenders», «Marvel's The Punisher», «Marvel's Runaways» und «Marvel's Cloak & Dagger». Um der Handlung der Filme folgen zu können, muss man jedoch nicht eine einzige Serienepisode gesehen haben – es gibt nicht eine einzige handlungsrelevante Stelle im MCU-Filmkatalog, die Bezug auf die Serien nimmt.

Von «Agents of S.H.I.E.L.D.» (und vielleicht noch «Agent Carter») abgesehen, gilt für die Serien praktisch dasselbe, wenn es darum geht, wie groß ihr Filmbezug ist. Es gibt ab und zu im Dialog Anspielungen auf die größeren Marvel-Helden – wenn beispielsweise jemand eine Wohnung oder einen Laden ramponiert, wird er mit dem wütenden grünen Monster verglichen, also mit dem Hulk. Für diese kleine Handvoll an Referenzen lohnt es nicht, sich mühevoll einen Nachholplan zu erstellen und von ihm das eigene Sehverhalten diktieren zu lassen.

Relativ wichtig ist bloß, die Netflix-Serien in der richtigen Reihenfolge zu sehen, da diese untereinander stärker Bezug nehmen. Zwar lässt sich etwa die erste Staffel von «Jessica Jones» auch wunderbar von all dem losgelöst sehen, aber wenn man es schon "richtig" machen will, lautet die Reihenfolge: «Daredevil» (Staffel eins), «Jessica Jones» (Staffel eins), «Daredevil» (Staffel 2), «Luke Cage» (Staffel eins), «Iron Fist» (Staffel eins), «The Defenders», «The Punisher» (Staffel eins), «Jessica Jones» (Staffel 2), «Luke Cage» (Staffel zwei).

«Agent Carter» steht auf recht eigenen Beinen, hat aber mehr Reiz, wenn man die Serie nach «Captain America – The First Avenger» schaut, weil man so die Titelfigur der ABC-Serie besser kennenlernt. Und im Falle von «Agents of S.H.I.E.L.D.» haben wir es mit der einzigen Serie zu tun, die im Laufe ihrer nunmehr fünf Staffeln intensiv Bezug auf diverse Marvel-Kinofilme nahm. Man kann es sich einfach machen und auf die Erklärungen innerhalb der Serie verlassen, wann immer der Storyverlauf plötzlich durchgerüttelt wird (und das sollte eigentlich genügen). Oder man kann mehr Arbeit in seinen Serienkonsum stecken als nötig.

In dem Fall schaut man zuerst alle Marvel-Filme von «Iron Man» bis «Iron Man 3», dann die ersten sieben Folgen «Agents of S.H.I.E.L.D.», dann «Thor – The Dark World», dann die Folgen acht bis 16 von «Agents of S.H.I.E.L.D.», dann «The Return of the First Avenger», dann den Rest der ersten «Agents of S.H.I.E.L.D.»-Staffel. Es folgen die ersten 19 Folgen der zweiten «Agents of S.H.I.E.L.D.»-Season, «Avengers: Age of Ultron», der Rest der zweiten Staffel, die ersten 19 Folgen der dritten Season, «The First Avenger – Civil War», der Rest der dritten Staffel, die ersten sechs Folgen von Staffel vier, «Black Panther», der Rest der vierten Staffel, die ersten 19 Folgen der fünften Staffel, «Avengers | Infinity War» und dann die abschließenden Folgen der fünften «Agents of S.H.I.E.L.D.»-Staffel. Aber das empfiehlt sich nur für Leute mit einem extremen Ordnungszwang und viel zu viel Freizeit. Es reicht auch völlig, wenn man «Agents of S.H.I.E.L.D.» nach eigenem Belieben schaut.

Zumal sich die Frage aufdrängt, wie sehr es lohnt, sich einen komplizierten Nachholplan nur für die Marvel-Serien aufzustellen – denn abgesehen von der geringen Wechselwirkung zwischen Serien und Filmen sind die Marvel-Serien gemeinhin auch deutlich schwächer als die Marvel-Filme. Etwas gemein ausgedrückt sind die Serien so etwas wie ein Parasit auf dem Rücken der Filmreihe. Es reicht völlig aus, «Agent Carter» und die erste Staffel «Jessica Jones» zu gucken, der Serienrest ist Kür (etwa «Cloak & Dagger») bis Qual (etwa «Iron First»).

Ich habe eigentlich alles gesehen, will mich aber auf «Ant-Man and the Wasp» einstimmen / Bekannte anfixen


Je nach Zeit und Lust empfiehlt sich ein kurzer, ein mittlerer und ein langer Filmstreifzug durch das MCU. Zur bloßen Einstimmung auf «Ant-Man and the Wasp» reicht es, vorab «Ant-Man» und «The First Avenger – Civil War» zu gucken, da diese beiden Filme zusammen mit «Ant-Man and the Wasp» eine Art Trilogie in der Charakterentwicklung von Scott Lang alias Ant-Man (gespielt von Paul Rudd) ergeben und «Ant-Man and the Wasp» einige inhaltliche Rückverweise auf diese beiden Filme hat. Die sind für den Filmgenus nur nebensächlich, aber wenn man schon zur Einstimmung Zeit freischaufeln will, dann kann man ja auch mal was draus machen ...

Wer etwas mehr Zeit mitbringt, schaut sich «Ant-Man», «The First Avenger – Civil War», und «Avengers | Infinity War» an, um wieder voll ins Marvel-Feeling zu kommen, ehe der «Ant-Man and the Wasp»-Kinobesuch ansteht. Und wer die lange Route gehen will, schaut «Iron Man» (weil «Ant-Man» auf dessen Hauptfigur Tony Stark Bezug nimmt), «Avengers» und «The Return of the First Avenger» sowie «Avengers: Age of Ultron» (um in die Filmwelt einzutauchen, in der «Ant-Man» spielt und ein paar Gags zu begreifen), dann «Ant-Man», «The First Avenger – Civil War», «Avengers | Infinity War» und zum spaßigen Abschluss «Ant-Man and the Wasp». Aber, wie gesagt: Eigentlich lässt sich das MCU sehr gut nach eigenem Gutdünken erkunden. Also: Viel Spaß!
23.07.2018 11:41 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/102472