«The Break with Michelle Wolf»: Trump-Triebabfuhr bei Netflix

Spätestens seit ihrem rabiaten Auftritt beim diesjährigen White House Correspondents' Dinner ist Michelle Wolf ein Begriff. Mit ihrer Show bei Netflix setzt sie nahtlos an diesem Höhepunkt an.

There will be no preaching or political agenda – unless it’s funny, hieß es in einer Ankündigung zu Netflix’ neuer Late-Night-Comedy-Show mit Michelle Wolf. Nicht nur vor dem Hintergrund der alles durchdringenden Politisierung der amerikanischen Late Night, derer sich zeitweise nicht einmal Appeasement-Jimmy bei NBC verweigern kann, wirkte dieses Statement seltsam, sondern erst recht bezogen auf die Personalie, die durch die Show führen sollte: Schließlich ist Michelle Wolf jahrelang durch die erzliberale Upright Citizens Brigade in New York getingelt, bevor sie 2016 in Trevor Noahs «Daily Show» anheuerte, die als Kaderschmiede für die nächste Generation linker, hochpolitischer Comedians gilt.

Spätestens als sie Ende April beim alljährlichen White House Correspondents‘ Dinner – natürlich erneut in Abwesenheit des bekanntermaßen hochnarzisstischen und kritikunfähigen US-Präsidenten – auf das Derbste gegen alle Schlüsselpersonen der amerikanischen Regierung vom Leder zog, war jedoch klar, welcher Wind in ihrer Netflix-Sendung wehen würde. Denn obwohl es schon in der Vergangenheit, etwa nach Stephen Colberts für damalige Verhältnisse brutalem Roast auf George W. Bush, oftmals Kritik an vermeintlich überzogenen Reden der eingeladenen Comedians gab, sprengte Michelle Wolfs Vortrag alles bisher Dagewesene. Die Pressesprecherin nannte sie eine Lügnerin, Kellyanne Conway ihrem Nachnamen entsprechend eine Betrügerin, Ivanka Trump in ihrer befremdlichen Personalunion als Präsidententochter und in jeder Hinsicht unqualifizierte Beraterin als vermeintliche Vorreiterin von Frauen in Führungsrollen so nutzlos wie eine leere Tamponschachtel. Die hier genannten waren wohlgemerkt die harmlosesten Beispiele – die, mit denen Wolf bei ihrem Vortrag auch weitgehend objektiv recht hatte. Denn natürlich gehen Huckabee Sanders und Conway bei der Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben weit über die eloquent die Wahrheit kaschierenden Spins ihrer demokratischen wie republikanischen Vorgänger von Jay Carney bis Ari Fleischer hinaus und lügen dem amerikanischen Volk wie der internationalen Presse dreist ins Gesicht. Insofern war Michelle Wolfs Vortrag nach dem weitgehend belanglosen Roast im Vorjahr erfrischend und wichtig.

Bei Netflix setzt sie weitgehend nahtlos an diesem kontroversen Höhepunkt ihrer Karriere an: Das politische Tages- bzw. Wochengeschäft überspitzt sie gerne ins Obszöne und Vulgäre, ohne dass diese Zuspitzung ihren korrekten Kern verliert, wobei sie anders als John Oliver oder Seth Meyers weniger Wert auf eine kohärente, bis ins Detail gehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den satirischen Sachthemen setzt, gleichzeitig jedoch im Unterschied zum Konzept hinter der Personality-Show ihrer Netflix-Vorgängerin Chelsea Handler weniger eindringlich emotional und persönlichkeitszentriert auftritt.



Im Kern stellt sich bei «The Break» – zumindest jenseits der nicht-politischen Show-Teile, die so auch bei ähnlichen Formaten im amerikanischen Network- oder Kabelfernsehen gezeigt werden könnten – für das linke Stammpublikum der Sendung wohl eine Wirkung ein, die Mitglieder des rechtsextremen politischen Spektrums seit Jahren kennen, wenn sie Sean Hannity gucken oder Markus Söder zuhören: Endlich sagt’s mal eine/r. Das ist großkotzig, bisweilen überheblich, manchmal ungerecht, oft infam. Und gleichzeitig ist Netflix mit diesem Format nicht nur ein Geniestreich äußert klug geschriebener und trotz Wolfs schriller Stimme mit exzellentem komödiantischem Timing vorgetragener Elogen gelungen, sondern ebenso die Etablierung eines linken Sammelpunkts als Gegenöffentlichkeit rechter bis rechtsextremer Medien, durch die der rechte Rand von als Journalisten getarnten Ideologen wie Sean Hannity, wütenden weißen Männern wie Rush Limbaugh oder sonderbaren Verschwörungstheoretikern wie Alex Jones seit Jahr und Tag mit abstrusen Analysen und menschenverachtenden Haltungen bespaßt wird. Michelle Wolf gibt ihnen nun, um eine angelsächsische Redensart zu bemühen, a taste of their own medicine, nur eben statt mit Geschrei, Gepolter, rabiaten Beleidigungen und abstoßender Hetze in Form des linken Gegenmittels: der knallharten Zuspitzung. Und die trifft bei «The Break» meistens voll ins Schwarze.

«The Break» ist bei Netflix verfügbar.
28.06.2018 10:12 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/101953