Florian Clyde, der junge Han Solo: 'Ich bin noch ein Synchronküken!'

Er ist noch ein Synchronanfänger, doch mit der Titelrolle in «Solo: A Star Wars Story» bekam Florian Clyde einen wahren Traumpart zugeteilt.

Zur Person

  • Florian Clyde wurde 1983 in München geboren
  • Spricht Deutsch, Englisch, Kantonesisch, Spanisch und Italienisch
  • Spielt E-Gitarre, Keyboard, Klavier, Bassgitarre, Blockflöte und Akustikgitarre, hat Grundkenntnisse am Akkordeon und Saxophon
  • Synchronisierte unter anderem Chris Violette in «Star Trek: Discovery», Kris Wu in «Valerian – Die Stadt der tausend Planeten», Daniel Wu in «Geostorm», Parker Sawyers in «Deep State» sowie Sean Teale in «Incorporated»
Es ist ein regnerischer Apriltag in Berlin, als Florian Clyde auf sein Handy schaut: Björn Schalla ruft ihn an. Schalla ist unter anderem die deutsche Stammstimme von Charlie Hunnam («Sons of Anarchy», «King Arthur: Legend of the Sword») und Seann William Scott alias Stiffler aus «American Pie». Doch er ist auch der Mann, der unter anderem bei «Star Wars – Das Erwachen der Macht», «Rogue One: A Star Wars Story» und «Star Wars – Die letzten Jedi» die Synchronregie geführt hat. Und eben diese Filmreihe sollte es sein, wegen der Schalla anklingelt.

"Das war ein sehr besonderer Moment", erinnert sich Clyde. "Björn fragte mich, ob ich denn «Star Wars: Episode IV bis VI» im Regal stehen habe. Ich stutzte kurz und lachte: 'Ja, klar, wer denn nicht!' Und dann meinte er, ich sollte sie mir besser noch einmal mit gespitzten Ohren auf deutsch anschauen." Clyde befolgte Schallas Rat – und weniger als zweieinhalb Monate später sollte er schon seine eigene Stimme in der «Star Wars»-Saga wiederfinden. Denn Clyde durfte in «Solo: A Star Wars Story» die Titelrolle einsprechen – und das, obwohl er im Synchrongeschäft noch ein ziemlicher Newcomer ist.

Der Grund dafür, dass der 34-Jährige den unerwarteten Anruf erhielt und zum Stimmcasting eingeladen wurde: Das Team hinter der Synchronfassung machte es sich zur Aufgabe, einen unverbrauchten Synchronschauspieler zu finden, der dem jungen Wolfgang Pampel, Harrison Fords deutscher Stammstimme, ähnlich klingt. In Sprachproben fiel dem designierten «Solo: A Star Wars Story»-Aufnahmeleiter Alexis Georgiu Clydes Stimmorgan auf – also wurde er zum Casting eingeladen.

"Ich war sehr aufgeregt. Aber Björn war super cool und hat mir Synchronbaby Mut gemacht. Wir haben in aller Ruhe ein Potpourri an Szenen und Emotionen durchgearbeitet", erinnert sich Clyde. "Er hat mir richtig unter die Arme gegriffen, sich sehr viel Zeit für mich genommen und mir so Chancen beim Kunden, also Disney, ermöglicht, die ich sonst wohl nicht gehabt hätte." Clyde fand bei Disney Gefallen und durfte bald darauf den zweiten deutschen Trailer zu «Solo: A Star Wars Story» einsprechen, der auf ungewöhnliche Reaktion stieß.



Bei YouTube und in Foren haben sehr viele den Vergleich zu Wolfgang Pampel gezogen. Das war für mich ein großes Kompliment! Vielen Dank für all das positive Feedback!
Florian Clyde, der Sprecher des jungen Han Solos
Der erste «Solo: A Star Wars Story»-Trailer hatte noch Leonhard Mahlich, die deutsche Stimme von «Guardians of the Galaxy»-Draufgänger Star-Lord, auf Solo-Darsteller Alden Ehrenreich. Während Mahlich auf Chris Pratts Paraderolle nicht wegzudenken ist, wurde seine temporäre Besetzung als junger Han Solo online zwiegespalten aufgenommen. Tenor: Es passt ja irgendwie, aber erinnert zwangsweise zu sehr an Star-Lord. Dennoch besagt die Erfahrung auch: Wenn im zweiten Trailer plötzlich andere Stimmen zu hören sind als zuvor, wird diese Änderung im Netz oft negativ aufgefasst, weil sie gegen die Gewohnheit verstößt. Clyde als neue Besetzung wurde online dagegen sehr positiv aufgenommen.

Clyde ist auch Monate später hin und weg deshalb: "Bei YouTube und in Foren haben sehr viele den Vergleich zu Wolfgang Pampel gezogen. Das war für mich ein großes Kompliment! Vielen Dank für all das positive Feedback!"

Eine Synchronlaufbahn, die beinahe sehr früh geendet hätte


Anfang der 2010er-Jahre sprach Clyde in Hamburger Studios einige kleinere Synchronrollen, gab diese Profession allerdings rasch wieder auf. "Ich hatte einfach nicht das Gefühl, das zu beherrschen. Also habe ich es sein lassen." 2016 gab er dem Synchronisieren jedoch aus einer Laune heraus erneut eine Chance: Er stand in Berlin am Theater am Kurfüstendamm mit dem Theaterstück «Backbeat – Eine Beatles Geschichte» fünf Abende die Woche auf der Bühne – und fand, dass er die Tage doch für einen weiteren Job nutzen könnte. "Ich sagte mir: 'Hey, du liebst Serien und Filme. Versuch es nochmal mit dem Synchronisieren, gib dem Ganzen noch eine Chance.' Daraufhin habe ich mich bei allen Synchronstudios vorgestellt – ob groß, ob klein", rekapituliert der Schauspieler, der auch vor der Kamera tätig ist.

Wer spricht wen?

  • Stefan Friedrich: Jim Carrey, Vince Vaughn, John Turtorro, u.v.m. ...
  • Martin Keßler: Vin Diesel, Nicolas Cage, Temuera Morrison, u.v.m. ...
  • Dietmar Wunder: Daniel Craig, Adam Sandler, Sam Rockwell, u.v.m. ...
  • Stephan Hoffmann: Gregory Harrison, Dermot Mulroney, u.v.m. ...
  • Heike Schroetter: Jane Lynch, Wendy Crewson, Melissa McBride, u.v.m. ...
  • Christoph Cierpka: hauptsächlich Dialogbuch und Dialogregie
  • Oliver Feld: Noah Wyle, Michael Cerveris, Morris Chestnut, u.v.m. ...
"Es kam anders, als ich gedacht habe. Ja, ich lag richtig in der Annahme, dass ich kein Talent für diese Schauspielform habe. Ich habe am Anfang wirklich sehr hart an mir arbeiten müssen. Aber: Ich habe in den vergangenen zwei Jahren Menschen getroffen, die mich warmherzig empfangen und mir mit Freude dabei geholfen haben, mich weiterzuentwickeln", schwärmt Clyde über sein Synchronkollegium. "Björn Schalla, Stefan Friedrich, Martin Keßler, Dietmar Wunder, Stephan Hoffmann, Heike Schroetter, Christoph Cierpka, Oliver Feld, um nur ein paar wenige zu nennen. Sie alle haben mir sehr viel beigebracht. Dafür bin ich irrsinnig dankbar. Noch dazu sind sie allesamt herzliche Menschen. Ich verbringe sehr gerne Zeit mit ihnen, dank ihnen habe ich mich in der Synchronbranche sofort wohlgefühlt."

Was ihm die Synchronveteranen beibringen mussten? Clyde erklärt: "Mir war schon immer klar, dass das Schauspielen hinter dem Mikro andere Techniken verlangt als das auf der Bühne. Aber ich habe unterschätzt, wie sehr sich die koordinativen Prozesse unterscheiden, wie sehr man mit dem Körper mitgehen muss – und wie sehr man dabei dennoch auf Akkurarität achten muss. Schließlich soll es am Ende synchron zum Bild sein. Es gibt zwar Cutter, aber die können dich nur zu einem gewissen Grad aus der Patsche holen." Vor allem aber sieht Clyde seine Gedächtnisleistung als seine Schwäche an: "Auf der Bühne brauchst du ein Gedächtnis wie ein Elefant. Da prägst du dir wochenlang, vielleicht sogar monatelang deinen Text ein. Beim Synchron kommen die Profis ins Studio, schauen auf's Blatt und hauen den prompt ins Kurzzeitgedächtnis, liefern sofort eine Hammerperformance ab. Ich kann mir Texte nicht so schnell einprägen, ich schiele oft noch auf's Blatt. Aber ich verbessere mich."

Größter Lehrmeister dahingehend war für Clyde der Benicio-del-Toro-Stammsprecher Torsten Michaelis, der ihm einige Memorisierungstechniken beigebracht hat. "Viele Synchronschauspieler werden dadurch besser, dass sie es einfach oft genug machen. Bei mir klappt das nicht – ich brauche diese Trainingsübungen. Denn ich bin nicht der talentierteste Sprecher. Aber ich bin sehr fleißig", hält Clyde mit einem bescheidenen Lachen in der Stimme fest. "Ich bin ja sozusagen noch ein Synchronküken", urteilt er über sich selbst. Aber in dieser kurzen Zeit hat er bereits seine Sprechervita ordentlich aufgestockt – durch einen regelrechten Sturm an Kleinstrollen in Filmen und Episodenrollen in Filmen.

Ein weiser Mann hat mich mal gefragt, ob ich weiterhin dasselbe machen würde, wenn ich 100 Millionen Euro im Lotto gewinnen würde. Ich stelle mir diese Frage seither in regelmäßigen Abständen erneut. Und wenn ich sie mit Ja beantworten kann, weiß ich, dass ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe.
Florian Clyde
"Am Anfang dachte ich: Ich spiele fünfmal die Woche auf der Bühne und habe vielleicht einen Synchrontermin in der Woche. Aber plötzlich wurde ich täglich gebucht und hatte Phasen, an denen ich Tag für Tag um 9 Uhr im Studio stand und erst um 23 Uhr nachts nach dem Bühnenauftritt wieder zu Hause war", rekapituliert Clyde voller Begeisterung. Die sich somit aufdrängende Frage, ob er ein Workaholic sei, beantwortet er mit einem herzlichen Lachen, das aber auch so klingt, als würde er sich leicht ertappt fühlen. "Ich selbst würde mich nicht so bezeichnen. Allerdings gibt es viele Leute, die mich so sehen", ergänzt er letztlich. Er führt aus: "Wenn mich etwas begeistert, bin ich voll dabei und arbeite dann auch gerne daran. Viel und hart. Ich knall das durch." Clyde erklärt, dass er seinen Lebenswandel immer wieder anhand eines Tests überprüft: "Ein weiser Mann hat mich mal gefragt, ob ich weiterhin dasselbe machen würde, wenn ich 100 Millionen Euro im Lotto gewinnen würde. Ich stelle mir diese Frage seither in regelmäßigen Abständen erneut. Und wenn ich sie mit Ja beantworten kann, weiß ich, dass ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe."

Immer Teil des Publikums bleiben


Clydes Zufriedenheit mit seiner jetzigen Situation bedeutet auch: Er wartet nicht darauf, dass ihm «Solo: A Star Wars Story» nun Tür und Tor öffnet, um eine Blockbuster-Hauptrolle nach der nächsten zu sprechen. "Das Großartige am Synchronisieren ist, dass man nie weiß, was einen erwartet. Dieser Beruf ist so abwechslungsreich wie nichts anderes im Kunstbereich. Ich komme ins Studio und bin erstmal Arzt in einer Serie. Danach werde ich in einem Thriller erschossen und am selben Tag bin ich in einer anderen Serie Pilot. Das will ich nicht eintauschen", befindet der Hobby-Segelflieger. "Es gefällt mir, kleine Rollen und Hauptrollen, verschiedene Genres, Serien und Filme bunt gemischt annehmen zu können. Da muss sich nichts ändern. Und solange ich kann, will ich gerne Bühne, Kamera und Mikro bespielen. Denn ich finde, dass sich die drei Kunstformen gegenseitig befruchten. Beruflich wie menschlich."

Das Großartige am Synchronisieren ist, dass man nie weiß, was einen erwartet. Dieser Beruf ist so abwechslungsreich wie nichts anderes im Kunstbereich. Ich komme ins Studio und bin erstmal Arzt in einer Serie. Danach werde ich in einem Thriller erschossen und am selben Tag bin ich in einer anderen Serie Pilot. Das will ich nicht eintauschen.
Florian Clyde
Es steht auch nicht zu befürchten, dass Clyde durch seine Synchronbeschäftigung die Bühnenengagements ausgehen. Im Gegenteil: "Lustig ist: Seit ich mehr Synchronrollen spreche, bekomme ich mehr Bühnenrollen angeboten. Ein paar Mal musste ich jetzt schon aussieben.", verrät er erstaunt. Den Anfang nahm seine Schauspielkarriere im Alter von 17 Jahren, als er in einem Schulstück auftrat und durch die positiven Reaktionen ermuntert wurde, diese Laufbahn weiter zu verfolgen. Nach seinem Abitur auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium folgte also die Kehrtwende und er studierte Schauspiel in Rostock.

In den Jahren seither hat er sich nach eigenen Aussagen stets eines bewahrt: "Egal ob im Theater, vorm Fernseher oder im Kino: Ich bleibe immer Zuschauer. Auch, wenn ich Filme oder Serien gucke, in denen ich zu hören bin. Ich finde, das ist wichtig. Man muss den Blick des normalen Publikums bewahren." Nur in einer Hinsicht sieht Clyde eine Differenz zwischen seinem Medienkonsum und dem Durchschnittspublikum: "Ich finde, dass zu wenige Leute der Synchro Beachtung schenken. Es mag ja in der Natur der Sache liegen, dass eine gute Synchro mit dem Film oder der Serie verschmilzt. Aber ich finde es schade, dass so wenige Menschen, bei Produktionen, die ihnen gefallen, gedanklich den Schritt zurück zu machen, und auch die Synchro zu erwähnen."

Ich finde, dass zu wenige Leute der Synchro Beachtung schenken. Es mag ja in der Natur der Sache liegen, dass eine gute Synchro mit dem Film oder der Serie verschmilzt. Aber ich finde es schade, dass so wenige Menschen, bei Produktionen, die ihnen gefallen, gedanklich den Schritt zurück zu machen, und auch die Synchro zu erwähnen.
Florian Clyde
In jüngerer Vergangenheit begeisterten Clyde unter anderem die Synchros zu «Wonder Woman», «Black Panther», «Ready Player One» und «Blade Runner». "Wir alle haben ja diese Freunde, die darauf schwören, nur im O-Ton zu gucken. Ich schaue sowohl im Original, wenn ich die Sprache beherrsche, als auch in der Synchronfassung. Das sind unterschiedliche Erlebnisse, aber trotzdem gleichwertig. Ein Regisseur hat mal gesagt, man sollte Synchro generell abschaffen. Ich frage mich, ob dieser Mann mit seinen Kindern auch in isländische oder russische Filme im Original geht, denn die ganze Zeit Untertitel zu lesen, macht ja auch nicht jedem Freude. Wir haben hier in Deutschland das Privileg, großartige, mit Liebe erstellte Synchronfassungen angeboten zu bekommen – es ist schade, wenn die Leute da nicht offen bleiben."
16.06.2018 12:55 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/101629