Länderpapier: Mögliche ARD/ZDF-Reform wäre Schwachsinn!

Weniger Sender, mehr Bildung. Populistische Forderungen kommen aus sechs Bundesländern. Warum der Plan nicht in die Tat umgesetzt werden sollte und in welche Richtungen die Überlegungen eher gehen müssten.

Steckbrief

Manuel Weis ist seit 2006 bei Quotenmeter und seit 2007 verantwortlicher Chefredakteur. Er ist somit in allen Bereichen der Seite im Einsatz. Nebenberuflich arbeitet er als freier Sportreporter mit Schwerpunkt auf Fußball, Eishockey und Boxen.
Es ist Sommerloch. Woran erkennt man das? Genau – Politiker, von denen man das ganze Jahr über kaum etwas hört (weil sie nicht allzu viel zu sagen haben) drängen wieder in die Medien. Und mit ihnen so manche Schnapsidee. Zuletzt war dies bei einem – nennen wir es – Ideenpapier aus sechs Bundesländern zu einer möglichen Reform von ARD und ZDF der Fall. Eine Arbeitsgruppe hatte sich zuletzt intensiv damit befasst, wie unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Zukunft aussehen sollte. Wo man sparen muss, wie viel Gebühr dafür fällig wird und worauf die Programme besonderen Wert legen sollen. Die konkreten Ergebnisse will man am 13. Juni nun präsentieren, dann trifft sich die Rundfunkkommission der Länder zum nächsten Mal.

Die Medienkorrespondenz hat einige Eckpunkte schon vorab durchdringen lassen und somit auch den groben Gedankengang des Papiers skizziert. Kurzum: Es soll bald weniger öffentlich-rechtliches Fernsehen geben. Wie schon berichtet hält die Arbeitsgruppe Kanäle wie One oder ZDFneo, aber auch den KiKa, tagesschau24 und Phoenix für verzichtbar. Im Sinne des Papiers sollen sich Das Erste und das ZDF zudem vor allem auf die Bereiche Bildung, Information und Kultur konzentrieren. Große Shows, die markenprägend waren oder sind (man denke nur an «Wetten, dass..?» im ZDF) sind im konkreten Auftrag also nicht mehr enthalten.

Man mag ja nachvollziehen können, dass es eine öffentliche Debatte gibt, wofür private Sender und wofür gebührenfinanzierte Sender ihre Gelder einsetzen können. Nicht in Ordnung ist, dass diese Debatte stets in die Richtung verläuft, aus der der Wind gerade weht. Stichwort Sport: Jeder wird verstehen können, sollte man sich einigen, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender keine Irrsummen für Champions League, Formel1 oder gar die Bundesliga ausgeben darf. Im Falle einer solchen Einigung muss dann aber auch die logische Konsequenz einkalkuliert werden. Das Produkt verschwindet im Pay-TV oder (versehen mit deutlich mehr Werbung) im privaten Fernsehen.

Beispiel Fiction: Auch der «Tatort» würde also streng genommen nicht mehr zum klassischen Auftrag der ARD gehören und stünde angesichts der vergleichsweise hohen Kosten (gerechnet auch auf ein Kalenderjahr) in der jetzigen Form sicherlich (vorsichtig) zur Debatte. Dass damit aber eines der letzten linearen TV-Lagerfeuer ausgelöscht würde, müsste jedem klar sein. Ist es vielleicht aber nicht. Denn die Vorschläge wirken oberflächlich und schnell zusammengedacht.

Man kann wahrlich darüber debattieren, ob es ein Angebot wie ZDFneo dringend braucht, das zumeist aus Krimiwiederholungen und anderen ZDF-Re-Runs besteht. Sogar über eine nötige Ko-Existenz von Phoenix und tagesschau24 könnte eine Debatte geführt werden. Nur scheint das nicht zu passieren. Die platte Formel lautet: Alles was nicht Das Erste, Dritte, ZDF und Arte ist, kann weg. Dass der Marktanteil des KiKa bei den 3- bis 13-Jährigen stabil bei knapp 20 Prozent liegt und mit dem Vorschlag am TV-Programm der Menschen der Zukunft gespart werden würde, scheint niemanden zu interessieren. Entsprechend geht der Vorschlag in eine falsche Richtung. Vielleicht ist es ja sogar gewollt, dass die alte Keule geschwungen wird und andere Lösungsideen, die durchaus vorhanden sind, scheinbar komplett ignoriert werden.

Gerade aus der Ecke der privaten Anstalten kam ja schon länger der Vorschlag, dass sich auch private Medienhäuser von der GEZ-Gebühr unterstützen lassen könnten. Schade, dass nicht darüber nachgedacht wurde, wie das passiert. Dabei liegen Lösungsideen doch auf der Hand. Wieso sollte denn RTL nicht etwa finanzielle Produktionsunterstützung für seine Hauptnachrichten oder die Produktion von (hochwertigen) Dokumentationen erhalten? Wieso sollte es keine finanziellen Hilfen – etwa für den Start eines News-Senders wie Sky News – geben? Die Antwort liegt nahe: Weil die Politik in zu klassischen Denkmustern agiert. Dabei sind Nachrichten eben Nachrichten, nur die Aufbereitung ist eine andere und auch die Zielgruppe.

Natürlich kann man streiten, ob die «RTL II News» noch Nachrichten im klassischen Sinne sind und ob diese echt einen Bildungsauftrag wahrnehmen. Passieren muss das aber unter Kenntnis der genauen Zielgruppe. Welche Nachrichten sind also für eine 18-Jährige interessant? Und reicht es nicht schon, wenn diese sich in ihrem Alter überhaupt mit Nachrichten befasst?

Es scheint, dass viele weitere Fragen gestellt werden müssten, um den Rundfunk in Deutschland zu erneuern. Nur in diese Richtung geht das Papier gar nicht. Die Politik hätte somit mal wieder eine Chance vertan. Bleibt zu hoffen, dass wirklich nur Sommerloch ist. Und die jetzt getätigten Vorschläge schnell wieder in Vergessenheit geraten. Etwa, wenn die WM startet. Und auch dort bleiben, wenn sie vorbei ist.
09.06.2018 18:02 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/101501