Schlicht und spannend: «Spielmacher»

«Victoria»-Hauptdarsteller Frederick Lau wird in ein gefährliches Fußball-Wettspiel verwickelt.

Filmfacts: «Spielmacher»

  • Regie: Timon Modersohn
  • Drehbuch: Christian Brecht
  • Produktion: Manuel Bickenbach, Alexander Bickenback
  • Darsteller: Frederick Lau, Antje Traue, Oliver Masucci, Mateo Wansing Lorrio, Paul Faßnacht
  • Kamera: Christian Rein
  • Laufzeit: 99 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Das deutsche Spannungskino war zwar nie tot – dennoch fällt es schwer, in der Vergangenheit solch einen Schub an Suspense-Kinoproduktionen zu finden wie er die deutsche Filmlandschaft im Frühjahr 2018 heimsuchte. Nachdem schon Moritz Bleibtreu in «Nur Gott kann mich richten» eine Gangstergeschichte erlebt hat und in den «Heilstätten» ein Found-Footage-Horror stattfand, wird nun parallel zum Wotan-Wilke-Möhring-Vehikel «Steig. Nicht. Aus!» Frederick Lau in die Unterwelt gezerrt. Das Ergebnis ist zwar längst nicht die Speerspitze deutscher Thrillerkunst, dennoch hat «Spielmacher» einige Argumente, die für diesen nervenaufreibenden Fußballstoff sprechen.

Im Mittelpunkt des Films steht der frisch aus dem Knast entlassene, frühere Fußballspieler Ivo (Frederick Lau), der sich bemüht, ein ehrliches Leben zu führen. Doch der Arbeitsmarkt ist ihm nicht wohlgesonnen, so dass er auf einen riskanten Notnagel zurückgreift: Er setzt hohe Wetten auf das vielleicht einzige, worin er sich wirklich gut auskennt – auf Fußball. So weckt er die Neugier des gut situierten und charismatischen, aber auch eine einschüchternde Aura des Geheimnisvollen ausstrahlenden Dejan (Oliver Masucci). Der Restaurantbesitzer verwickelt Ivo in illegale Wettgeschäfte, was der vorbestrafte Zinedine-Zidane-Fan vor der sympathischen Vera (Antje Traue) und ihrem sportlich vielversprechenden Sohn Lukas (Mateo Wansing Lorrio) geheimzuhalten versucht, die er kennenlernt, als er seinen alten Verein besucht. Dort hat noch immer Ivos alter Trainer (Paul Faßnacht) das Sagen, obwohl seine Gesundheit nicht mehr die Beste ist …

Der von Christian Brecht verfasste Thriller setzt auf Tempo und eine schnörkellose Erzählweise. Inklusive Abspann dauert «Spielmacher» zwar etwas länger als ein reguläres Fußballspiel, dennoch fällt es schwer, den Eindruck abzuschütteln, dass das Rasenspiel Pate für die Erzählgeschwindigkeit stand. Hintergrundgeschichten werden in diesem Film angedeutet, statt ausführlich breitgetreten. So wird die wacklige Gesundheit von Ivos altem Trainer mehrmals erwähnt und ist in Faßnachts Spiel auch zu spüren, jedoch verzichtet Brecht auf langwierige Szenen, in denen diese Nebenfigur über ihre Krankengeschichte klagt.

Die geradlinige, effiziente Weise, in der «Spielmacher» erzählt wird, ist zweifelsohne Geschmackssache – zumindest aber ist sie konsequent. Statt mit redseligen Expositionssequenzen Schwung aus der Erzählung zu nehmen, verleiht dieser Thriller seinen Figuren in prägnanten Momenten etwas Profil und lässt Ivo zügig auf seinen großen Moment der Entscheidung zulaufen. Der Mangel an gelasseneren, in die Tiefe gehenden Charaktermomenten hemmt zwangsweise das Potential von «Spielmacher» als Milieustudie – jedoch lassen Brecht und Regisseur Timon Modersohn es auch niemals so wirken, als wollten sie mit ihrem Kinothriller einen auf öffentlich-rechtlichen TV-Spannungsfilm machen und gesellschaftliche Fragen aufwerfen. «Spielmacher» dreht sich darum, wie Ivo auf die sich langsam um ihn zuziehende Schlinge reagiert – und Ende.

Diese gezielte Schlichtheit spiegelt sich in Modersohns Bildsprache wider: In kontrastreichen Aufnahmen des Kameramanns Christian Rein lässt er das Ruhrgebiet trostlos und dennoch kinetisch aussehen. Und die zahlreichen Halbtotalen und Halbnahen geben nicht nur dem Ensemble Raum, ihre Figuren mit Mimik sowie der Haltung ihres ganzen Körpers zum Leben zu erwecken – sie erlauben es auch Tamo Kunz' Ausstattung, die Charakteristik des Handlungspersonals auszureifen sowie die Szenerie authentisch zu gestalten. So stehen bei Ivos Trainer Kästen einer Superbilligwassermarke sowie einer sehr günstigen Biermarke (ohne "Pennerbier"-Ruf) herum, während Dejan seinen inneren Blender auslebt, indem er völlig ohne Markentreue von Szene zu Szene neue Designerkleidung aufträgt. Die Außenwirkung allein zählt bei ihm – und das kommt durch solche Details deutlich rüber. Da braucht es keine Erklärdialoge aus dem Lehrbuch.

Obwohl «Spielmacher» eine reduzierte, einfache Handlung erzählt, spielt das Ensemble engagiert. Lau dribbelt einmal mehr zwischen schroffem Unterklasse-Charme, gefährlicher Ausstrahlung und Verletzlichkeit, während Antje Traue der auf dem Papier wenig ausdifferenzierten Rolle der coolen, netten Mutter durch kleine mimische und gestische Feinheiten Persönlichkeit verleiht. Etwa, wenn sie auf die unschuldige Frage "Was ist mit Nachtisch?" für einen Sekundenbruchteil ein dezentes, verschmitzt-zweideutiges Lächeln aufblitzen lässt, dieses aber auch sofort wieder zurücknimmt, da es nicht in die Situation passt, in der sich Vera gerade befindet. Solche Kleinigkeiten lassen erahnen, dass die Fußballmutter nicht nur alleinerziehend ist, sondern auch eine Alleinunterhalterin an ihr verloren gegangen ist.

Traues Filmsohn wird von Mateo Wansing Lorrio unterdessen zurückhaltend-bockig angelegt – Lukas ist zwar mitten in der Pubertät, aber mit seinem Kopf zu sehr in den Fußballwolken, als dass er die Energie hätte, zu stark zu rebellieren. Oliver Masucci wiederum spielt den Lebemann-Restaurantbesitzer und Wettgangster Dejan mit großer Intensität – hat aber gleichzeitig noch stärker als der restliche Cast damit zu kämpfen, dass die Dialoge in «Spielemacher» zumeist sehr 'filmisch' klingen. Authentische Wortwechsel, die den Figuren eine lebensnahe Menschlichkeit geben, sind rar gesät, und vor allem Dejan scheint sein Vokabular aus Gangsterfilmen zusammengebaut zu haben – jedoch bringt Masucci dies mit stechenden Blicken, jovialem Lächeln und packender Stimmlage rüber, so dass «Spielmacher» noch immer als Thriller unterhält, statt sich als uninteressante Klischeesammlung zu präsentieren.

Fazit: «Spielmacher» ist ein geradliniger, zügig erzählter Thriller mit gekünstelten Dialogen, aber auch mit guten Darstellern und einer schlichten, atmosphärischen Optik.

«Spielmacher» ist ab sofort in einigen deutschen Kinos zu sehen.
12.04.2018 08:15 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/100215