Popcorn und Rollenwechsel: «High Fidelity», die Serie

Die Dramödie «High Fidelity» mit John Cusack in der Rolle eines Musikliebhabers in einer Beziehungs- und Sinnkrise soll zur Serie werden – für Disneys kommenden Streamingdienst.

Fragt man mich, so steht es außer Frage, was die beste Adaption eines Nick-Hornby-Romans ist: «High Fidelity»! Stephen Frears' Dramödie über einen Plattenladenbesitzer, der aufgrund seiner jüngsten Trennung über seine Top Five der in die Brüche gegangener Beziehungen sinniert und dabei in eine kleine, persönliche Krise gerät, ist obendrein einer der besten Filme mit John Cusack in der Hauptrolle. Cusack schafft es, die musiksnobistische Hauptfigur zu gleich großen Teilen sympathisch und pathetisch anzulegen, und die Rückblenden auf die früheren Beziehungen unseres Protagonisten sind teils witzig, teils wecken sie ganz geschickt eine "Was wäre, wenn ..."-Melancholie.

Damit ist die "Ich besuche meine Ex-Freundinnen und frage sie, was schief lief"-Mission, die «High Fidelity» erzählt, bei aller Übertreibung reizvoll und auf emotionaler Ebene plausibel. Hinzu kommen der mal trockene, mal spritzige Wortwitz und Frears unaufgeregte, sich ganz in den Dienst der Dialoge stellende Regieführung. Dass Disney «High Fidelity» nun als Serie neu auflegen will, ist für mich vor diesem Hintergrund eine kuriose, aber spannende Entscheidung.

Erstens: Im Gegensatz zu den ganzen Animationsklassikern, die Disney in Form von Remakes ausschlachtet, hat «High Fidelity» keine derartige Ikonografie, dass zu befürchten steht, dass sich die Serie einfach bloß an den bekanntesten Stellen der Vorlage entlanghangelt und keine eigene Linie entwickelt. Zweitens: Nachdem Disney schon zahlreiche Neuverfilmungen seiner Familienfilmklassiker ankündigte, sowie eine «Die Monster AG»- und eine «High School Musical»-Serie und selbstredend bereits vermeldete, Marvel und «Star Wars» auf seinem Streamingdienst zu repräsentieren, ist «High Fidelity» schlichtweg eine große Erfrischung. Ja, neues Originalmaterial wäre schön. Aber neben den ganzen Familienfilm-Neuaufgüssen und den großen Disney-Marken ist eine Beziehungsdramedy auf Basis einer Produktion des Disney-Erwachsenenlabels Touchstone Pictures eine freudige Abwechslung.

Dass Disney ersten Berichten zufolge nach einer PG-13-Freigabe strebt, obwohl der Film ein härteres R-Rating hatte, ist in meinen Augen nicht weiter problematisch: «High Fidelity» hat in Deutschland eine FSK-Freigabe ab zwölf Jahren – es passiert nichts im Film, das man als riskant sehen könnte, allein die Verbalausrutscher der Figuren brachten der Dramödie ihre US-Freigabe ein. Auf die paar "Fuck you"s kann ich aber problemlos verzichten. Spannend wird indes, zu sehen, wie die Protagonistin (Disney will nämlich das Geschlecht der Hauptfigur ändern) dieses Mal ihre Musikpassion auslebt. Ist auch unsere Serienheldin im Besitz zahlreicher Vinylplatten oder streamt sie nur? Und welchen Job hat sie? Obwohl Vinyl seit Jahren einen zweiten Frühling erlebt, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein «High Fidelity» im Jahr 2018 von einer ganz normalen Plattenladenbesitzerin erzählen könnte ...

Vor allem aber hoffe ich eins: Die Idee, eine Serie über eine Musikverrückte zu erzählen, die ihre Ex-Beziehungen erneut durchgeht, ist zumindest für mich nur so lange reizvoll, so lange es ein geplantes Ende gibt. «High Fidelity» länger zu erzählen als in Film- oder Romanform ist völlig in Ordnung, aber es besteht die Gefahr, eine seifenopernartige Serie daraus zu machen, die sich totläuft. Als Miniserie mit klarem narrativen Ziel und ohne ewiges Hin und wieder Her in Sachen Romantiktrubel hingegen? Ja, warum nicht? Ich werde einschalten und lasse mich gerne überraschen!
09.04.2018 15:07 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/100173