«Ready Player One»: 'Oh, hey, das kenne ich!' – Der Film

Steven Spielberg nimmt eine Kiste Nostalgie, schüttet sie auf der Leinwand aus und hofft auf Applaus. Den wird er zweifelsohne auch erhalten – aber auch das eine oder andere Augenrollen.

Filmfacts: «Ready Player One»

  • Regie: Steven Spielberg
  • Produktion: Steven Spielberg, Donald De Line, Dan Farah, Kristie Macosko Krieger
  • Drehbuch: Zak Penn, Ernest Cline; basierend auf dem Roman von Ernest Cline
  • Darsteller: Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, T.J. Miller, Simon Pegg, Mark Rylance
  • Musik: Alan Silvestri
  • Kamera: Janusz Kamiński
  • Schnitt: Michael Kahn, Sarah Broshar
  • Laufzeit: 140 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Rund 140 Minuten Wohlfühlnostalgie, wild durcheinandergewirbelt auf die Leinwand gebracht. «Ready Player One» ist das Äquivalent dessen, eine Spielzeugkiste unsortierter Kindheitserinnerungen auf den Wohnzimmerteppich zu kippen und damit ein wenig herumzualbern. Zweifelsohne: Es gibt schlechtere Wege, seine Zeit zu verbringen. Dennoch sollte sich niemand einreden, gerade mehr zu machen, als mit einem ungeordneten Sammelsurium alter Spielsachen etwas Lebenszeit totzuschlagen. «Ready Player One» ist kein intelligenter, aussagekräftiger Film – und das muss er auch nicht sein. Gut gemachter Eskapismus hat seine Daseinsberechtigung, keine Frage! Aber auch im Segment der reinen, effektgetriebenen Filmunterhaltung gibt es Unmengen an ambitionierteren Produktionen, die nach höherem Streben als nach "Sympathie durch intensives Referenzieren beliebter Vorlagen ergattern".

«Ready Player One» hingegen erzählt, basierend auf dem gleichnamigen, nostalgiegetränkten Wunscherfüllungsroman von Ernest Cline, von einer fernen Zukunft, in der förmlich die gesamte Bevölkerung ihrem betrüblichen Alltag entflieht, indem sie in die Virtuelle Realität OASIS abtaucht. Dort schlüpfen die Leute bevorzugt in die digitale Haut von Popkultur-Elementen aus den 1970ern bis Heute (vor allem aus den 1980ern bis 1990ern) – und einige begeben sich auf eine umfassende Schnitzeljagd. Denn der Schöpfer der OASIS rief nach seinem Ableben zu einer Easter-Egg-Suche auf, an deren Ende als großer Preis das Sagen über die Zukunft der OASIS wartet. Und eben diese Schnitzeljagd führt die Spielwütigen durch eine Attacke an Popkulturreferenzen.

Referenzen, um Referenzen zu machen


Die Krux ist nicht die schiere Menge an Referenzen, sondern die elementare Position, die sie in «Ready Player One» einnehmen. Filme wie «Falsches Spiel mit Roger Rabbit», «The LEGO Movie», «Ralph reicht's» oder Quentin Tarantinos gesamtes Schaffen als Regisseur sind ebenfalls zum Bersten voll mit Hommagen an vergangene Werke der Popkultur. Diese Filme haben allerdings allesamt ein alleinstehendes, erzählerisches Grundgerüst. «Falsches Spiel mit Roger Rabbit» würde auch als Film-noir-Komödie über einen Menschen, der einen Cartoon-Kriminalfall löst, funktionieren – ganz ohne seine ständigen Gastauftritte berühmter Trickfiguren. Sie werten den Film enorm auf, dennoch fällt der Touchstone-Pictures-Klassiker ohne sie nicht in sich zusammen.

Selbiges gilt für die "Ein Videospielschurke will nicht auf seinen Beruf reduziert werden"-Animationskomödie «Ralph reicht's» oder den "Anpassung gegen ungezügelte Fantasie"-Konflikt in «The LEGO Movie». Und bei Tarantino sind Hommagen und Rückverweise sowieso eher das Salz in der Suppe – nicht etwa ihre Grundlage. «Ready Player One» ohne kontinuierliches Referenzgewitter wäre dagegen vollkommen reizlos. Der Film ist einzig und allein dazu da, Nostalgie zu wecken – bevorzugt für die Spielberg-Lucas-Atari-und-Konsorten-Wohlfühlpopkultur.

Umso mehr stechen die wenigen Momente heraus, in denen diese streng gesteckte Filterblase für Querverweise auf andere Filme verlassen wird. Referenzen auf härtere Filme vergangener Tage sorgen für einige der gelungeneren, da weniger vorhersehbaren, Lacher in «Ready Player One», darüber hinaus ist eine ausführliche Schnitzeljagd durch die Kulissen eines cineastischen Meilensteins eine dringend benötigte Abwechslung in diesem gemeinhin sehr einseitig selektierenden Nostalgiefest.

Ein hohles Schoko-Osterei, kein raffiniert gefülltes


Nun lässt sich als Einwand bringen: "Ein Popkultur-Nostalgiefest muss halt Referenzen als oberste Priorität sehen, sonst wäre es kein Popkultur-Nostalgiefest!" Und zu gewissem Grade ist das berechtigt. Es ist schwer, mit einem Haufen altem Spielzeug zu spielen und in Erinnerungen zu schwelgen, wenn zuvor keine Kiste mit verstaubten Spielsachen geleert wurde – das erklärt sich von alleine. Dessen ungeachtet lässt sich mit einer Kiste Spielzeug allerhand anstellen. «The LEGO Movie» etwa parodiert in seinen besten Momenten die extrem ausgelutschte "Der Auserwählte muss uns retten!"-Storyline (nur um sie in seinen schwächsten Momenten 1:1 zu befolgen) und lässt eigene, neue Ideen mit Popkultur-Anspielungen kollidieren, um auf die verschiedenen Arten des Spielens zu verweisen. «Ready Player One» referenziert … um zu referenzieren. Ende.

Ein aus den Trailern bereits bekanntes Paradebeispiel für den Modus Operandi von «Ready Player One» zu erklären, betrifft Brad Birds abseits der Animationsfilm-Fangemeinde wenig bekanntes Zeichentrickprojekt «Der Gigant aus dem All». Der Titelheld ist ein gigantischer, bewaffneter Roboter – und der Grundkonflikt der Geschichte dreht sich darum, dass dieser Gigant lernt, dass es ihm frei steht, ein pazifistisches Dasein zu führen. In «Ready Player One» spielt eine der Filmfiguren eine Nachbildung des Giganten – und mäht damit scharenweise Gegner weg. All dies ohne einen einzigen inszenatorischen Hauch der Ironie, geschweige denn, dass aus dieser Zweckentfremdung einer Filmfigur ein Subplot gesponnen wird. «Ready Player One» verläuft nahezu durchweg nach dieser Logik: Das Publikum soll sich stolz auf die Schulter klopfen, wenn es obskure Referenzen erkennt und versteht (wenn sie denn nicht eh schon überdeutlich erklärt werden) und freudig grinsen, wenn es seine eigenen popkulturellen Favoriten wiedersieht. Und damit soll es gefälligst schon zufrieden sein.

Weder wird die eigene Nostalgie gewieft in eine neue Perspektive gesetzt (wie in «Falsches Spiel mit Roger Rabbit», der Cartoon-Lieblinge in eine dezent anrüchige Welt verpflanzt), noch wird sie kontinuierlich auf spielerische Weise hinterfragt (wie in «The LEGO Movie»). Nur sehr, sehr selten ruht sich «Ready Player One» nicht darauf aus, Figuren und Gegenstände aus Filmen, Serien, Comics und Videospielen auf die Leinwand zu klatschen, und geht die Extrameile, sie pointiert einzusetzen – etwa, wenn aus dem auch als Rubik's Cube bekannten Zauberwürfel und dem Namen eines Regisseurs eine (für die Maßstäbe dieses Films) subtile Hommage zusammengebaut wird. Gemeinhin verharrt «Ready Player One» aber im kindlichen "Alles geht – jedenfalls, solange ich das Spielzeug besitze"-Spielmodus.

Viel Gerede rund ums Rumspielen


Für einen Film, der einfach nur spielen will, schwafelt «Ready Player One» ganz schön viel heiße Luft, statt sich voll seinem Spieltrieb hinzugeben. Eine gute Handvoll an Filmreferenzen wird erklärt, was jeglicher Logik entbehrt. Wer im Kinosaal sitzt, «Ready Player One» schaut und eine gen Kamera springende Figur nicht erkennt, wird nicht auf einmal großen Spaß an den vorhergegangenen zwei, drei Sekunden haben, weil jemand auf der Leinwand sagt: "Oh, schau, das war Figur XY!" Und wer die Figur erkannt und sich an ihrem Cameo erfeut hat, hat nicht plötzlich den doppelten Spaß an diesem Gastauftritt, weil zudem der Name der Figur genannt wurde.

Zudem scheinen Cline, der an der Drehbuchadaption seines Romans mitgewirkt hat, und «Marvel's The Avengers»-Ko-Autor Zak Penn ihrem Publikum nicht zuzutrauen, während dieses Effekt- und Referenzgewitters ihre Konzentrationsfähigkeit aufrecht zu halten. Mehrmals werden Plotmechanismen bis ins kleinste Detail erläutert – und unmittelbar danach erneut erklärt und sicherheitshalber schon wieder angesprochen. Nur so, für den Fall, dass man beim ersten Mal etwas zu laut Nachos geknabbert hat und beim zweiten Mal kurz nicht hinhörte.

Diese redundanten Erläuterungen, "Noch einmal, nur anders formuliert"-Wiederholungen und erneuten Rückversicherungen nehmen «Ready Player One» narrativen Schwung und hemmen so die Spannungskurve. So bedrohlich können die Gefahren, denen sich die Protagonisten stellen, ja nicht sein, wenn sie Zeit haben, dieselbe Aussage zwei, drei Mal direkt hintereinander zu tätigen. Ebenso nimmt die Glaubwürdigkeit der Filmwelt Risse an, wenn die Hinweise auf die zu suchenden Easter Eggs in der OASIS mit der Deutlichkeit einer Michael-Bay-Explosion daherkommen, und sie angeblich trotzdem jahrelang niemand begriffen hat. Aber gut, vielleicht haben die Stunden, Tage, Wochen, die die Figuren aus «Ready Player One» in der hibbeligen OASIS verbracht haben, ihre Kombinationsfähigkeiten zersetzt, wer weiß das schon.

«Ready Player One» läuft immer dann zu Höchstform auf, wenn Steven Spielberg die austauschbaren Helden dieses Stoffes nimmt, die Dialoge auf das Nötigste drosselt und das, was er hier die ganze Zeit treibt, mit voller Inbrunst macht. Sobald sich der «Indiana Jones»-Regisseur seine Spielsachen schnappt, und sie einfach mit wilder Freude zusammenwirft, ist diese Bestselleradaption sich selber gegenüber endlich vollauf ehrlich – und profitiert von Spielbergs jahrzehntelanger Erfahrung als Orchestrator unterhaltsamer Actionspektakel.

Eine frühe Actionsequenz in Form eines extrem chaotischen Wettrennens ist die pure Umsetzung des in dieser Kritik mehrmals herangezogenen Spielstundenvergleichs: Unzählige Referenzen flirren über die Leinwand, und so turbulent das Geschehen sein mag, sorgt Spielberg dank souveräner Kamera- und Schnittarbeit für Übersichtlichkeit. Die Sequenz mag angesichts der dürftigen Figurenzeichnung und der überdeutlichen "Alles kann, nichts muss"-Attitüde nicht gerade als Exempel für nervenaufreibende Actionpassagen dienen, als überwältigende Sinnesattacke macht sie aber sehr wohl Spaß. Selbiges gilt für eine spätere Hetzjagd. Das Finale dagegen ist kaum mehr als «Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere»-mäßiges Pixelgekloppe, doch durch eine geschickte Parallelmontage und ein paar vorsichtig dosierte Dialogwitze hält Spielberg das eher unkreative Finale davon ab, «Ready Player One» herunterzuziehen.

Und, wie gesagt: Wer einfach nur Referenzen sehen will, bekommt jede Menge Referenzen zu sehen – sowie zu hören. Alan Silvestri erschafft in «Ready Player One» zwar keine prägnanten neuen Melodien, webt clevere Rückverweise aber geschickt in seine effizienten, neuen Kompositionen ein.

Ein Film, der manchmal ist, was er anklagt


Dass bislang in dieser Rezension kein Wort über die Schauspielleistungen verloren wurde, liegt daran, dass es darüber nicht viel zu verlieren gibt. Abgesehen von Mark Rylance, der in seiner Rolle wie eine schlechte Nerd-Karikatur rüber kommt, agieren alle so adäquat, wie das Drehbuch es ihnen gestattet. In diesem überaus engen Rahmen zu brillieren, wäre nicht unmöglich; dass es niemandem gelingt, lässt sich dem Ensemble dennoch schwer vorwerfen. Denn die Schauspielerinnen und Schauspieler sind hier nur das lustlos mitgeschleifte Mittel zum Zweck.

Was dieser Zweck ist? Allen, die sich darauf freuen, im Kino zu sitzen und (hoffentlich nur in Gedanken) unentwegt auf die Leinwand zu zeigen und (bitte nur innerlich) zu rufen: "Oh, hey, das kenne ich!" eine gute Zeit zu bereiten. Alle Anderen sehen halt Steven Spielberg dabei zu, wie er mit Nostalgie-Spielsachen herumtobt, was in den besten Momenten von «Ready Player One» auf ansteckend-frohe Weise naiv ist.

Und, ja, diese Kritik begeht mit der ständigen Wiederholung dieses Bildes ein Verbrechen, dass sie dem hier besprochenen Film vorwirft. Das ist allerdings eine Bagatelle im Vergleich zu der Sünde, die «Ready Player One» in ihren schwächsten Augenblicken begeht. Denn für einen Film, der in einer Schlüsselszene über raffgierige Firmenbosse herzieht, die die Nostalgie ihrer Kundschaft ausbeuten wollen, ohne überhaupt zu verstehen, was die Leute da so sehr verehren, fühlt sich «Ready Player One» zwischenzeitlich arg kalkuliert und begriffsstutzig an.

«Ready Player One» wird am Sonntag ausgestrahlt und kann gestreamt werden.
04.04.2018 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/100074