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«The Assassination of Gianni Versace - American Crime Story»: Unpolitischer, extrovertierter

von

In ihrer zweiten Staffel nähert sich die Anthologie-Serie einem ganz anders gelagerten Fall als dem O.J.-Simpson-Prozess. Das führt auch zu deutlichen Verschiebungen in der Dramaturgie.

Cast & Crew

Produktion: Scott & Larry Productions, Color Force, Ryan Murphy Productions, FX Productions und Fox 21 Television Studios
Entwickelt von: Scott Alexander und Larry Karaszewski
Darsteller: Édgar Ramírez, Darren Criss, Ricky Martin, Penélope Cruz, Annaleigh Ashford, Jon Jon Briones u.v.m.
Executive Producer: Larry Karaszewski, Scott Alexander, Brad Falchuk, Brad Simpson, Nina Jacobsen, Dante Di Loreto, Ryan Murphy, Alexis Martin Woodall, Tom Rob Smith und Daniel Minahan
Mit der Thematisierung des Falles O.J. Simpson hat «American Crime Story» – das ebenfalls als Anthologie-Serie angelegte Spin-Off von «American Horror Story» – in seiner ersten Staffel natürlich eine wunde Stelle Amerikas treffen können, gerade als sie wieder aufzubrechen drohte: Die Black-Lives-Matter-Bewegung rebellierte gegen strukturellen Rassismus im amerikanischen Polizeiwesen, während mit Donald Trump ein Mann für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten kandidierte, der auf die empfindlichen Race Relations in den USA entweder keine Rücksicht nahm oder – je nach Lesart – sogar Konflikte anheizte, um politisch davon zu profitieren. Aus dieser Konstellation ließen sich Parallelen in die 90er Jahre und den O.J.-Simpson-Prozess ziehen, in dessen Verlauf ein struktureller Rassismus bei der Polizei von Los Angeles offensichtlich wurde, und der im Kontext des wenige Jahre zuvor stattgefundenen Rodney-King-Prozesses stattfand, dessen Urteil gewaltsame Ausschreitungen nach sich gezogen hatte, in deren Verlauf weite Teile von Los Angeles in Flammen aufgingen.

Der Mord an Gianni Versace ist dagegen kein Politikum gewesen, seine genauen Umstände zumindest einem amerikanischen Publikum weniger bekannt als der Gang der Ereignisse im Fall O.J. Simpson. «American Crime Story» muss in seiner zweiten Staffel also sowohl seine thematische Stoßrichtung ändern, als auch dramaturgisch freier werden. Denn anders als im O.J.-Prozess sind in der Erzählung über den Mord an Versace Anfang, Mitte und Ende der Dramaturgie nicht zwangsläufig vorgegeben.

Großes Interesse findet «The Assassination of Gianni Versace» an der Person des Mörders, Andrew Cunanan (Darren Criss), über den in der Berichterstattung über das Ereignis viel spekuliert wurde, aber letztlich wenig abschließend bekannt ist. Die Serie hat hier also einen breiten dramaturgischen Spielraum, um zu einer eigenen Deutung zu kommen, und konzentriert sich dabei vornehmlich auf Cunanans narzisstische und psychopathische Züge, einer besonders im boulevardesken Genre beliebten Lesart, die freilich von seinem Suizid acht Tage nach Versaces Ermordung gestützt wird. Die Art, wie «American Crime Story» diese Figur interpretiert, lädt natürlich ein zu einer gewissen überkandidelten Inszenierung und Interpretation, wie sie aus der Schwesterserie «American Horror Story» bekannt ist, die in all ihrer oft innovativen Dramaturgie keine Hemmungen hat, eine Parodie auf sich selbst zu werden.

Im Gegenzug dazu hatte sich die erste Staffel der «American Crime Story» mit diesen Stilmitteln so sehr zurückgehalten, dass erzählerische oder inszenatorische Parallelen zur «American Horror Story» minimal blieben. Die Erzählung um den Fall O.J. Simpson umgab vielmehr die Seriosität des Justizdramas, unterfüttert mit der ernsthaften Ambition, der Tragweite des Falls und seiner gesellschaftlichen Verwerfungen gerecht zu werden. Sie war weit entfernt von den erzählerischen Taschenspielertricks, mit denen die «Horror Story» gerne die zweite Hälfte ihrer Staffeln zum Klamauk herunterwirtschaftet, und hatte in ihrer Nüchternheit und ihrem unaufgeregten Duktus vielmehr oft nahezu dokumentarischen Charakter.

Nicht nur die unpolitischeren Umstände, das extrovertiertere Milieu, in dem sich die Charaktere bewegen, und eine Figur, die sich leicht als durchgeknallter Psychopath führen lässt, verleihen der zweiten Staffel der Anthologie-Serie eine ganz andere Atmosphäre, sondern nicht zuletzt auch der veränderte Duktus, der mit all diesen Elementen einhergeht. Und damit ist «The Assassination of Gianni Versace» – trotz des unzweifelhaft hohen Production Values, der gelungenen Strukturierung und der durchaus einnehmenden Figurenportraits – nicht nur weit weniger relevant als «The People v. O.J. Simpson», sondern auch erzählerisch nicht auf derselben Leistungsebene.

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