Hingeschaut

«Sag die Wahrheit»: Die Kann-man-machen-Rateshow mit dem Sparten-Charme

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Ganze 14 Jahre nach der Erstausstrahlung durften sich Michael Antwerpes und sein Rate-Panel erstmals überhaupt im Hauptprogramm versuchen. Zu sehen gab es harmlose Unterhaltung, wie es sie schon zu Schwarzweiß-Zeiten gab - und die dennoch weniger affektiert und angestrengt daherkommt als ihr ebenso banales Lead-In.

Geschichte des Formats

  • Ursprünglich US-amerikanische Idee, die seit 1959 immer wieder mal im deutschen TV zu sehen ist (SWR-Neuauflage läuft seit 2003)
  • Moderation in Deutschland (Auswahl): Guido Baumann, Hans Sachs, Wolf Mittler, Bernd Stephan, Gerd Rubenbauer, Michael Antwerpes
  • Format wird aktuell von UFA Show produziert und im SWR sowie SR (Saarländischer Rundfunk) ausgestrahlt
Knallharte Quiz-Action mit einem innovativen Konzept, großer Spannung, einem hohen Grundniveau und der völligen Abstinenz prominenter TV-Gesichter, mit denen man ohnehin permantent zwangsbeglückt wird, sobald man den Fernseher einschaltet: Das alles hatten zuletzt Abend für Abend über zweieinhalb Millionen Menschen an «Gefragt - Gejagt» zu schätzen gewusst - und gehört ab sofort erst einmal wieder der Vergangenheit an. Doch während die Rückkehr des «Paarduells» auf dem täglichen 18-Uhr-Slot für nahezu einhellige publikumsseitige Entgeisterung gesorgt hat, spaltet die Installation von «Sag die Wahrheit» auf dem wöchentlichen 18:50-Uhr-Sendeplatz am Freitag die Ratefüchse der Nation. Während die Einen auf den harmlosen Charme des Ungezwungenen verweisen, monieren die Anderen das einfallsarme, latent antiquierte Spielsystem. Recht haben beide Gruppen.

Das wahrlich sehr leicht zu durchdringende System der Show: Drei ganz normale Menschen aus der Mitte der Gesellschaft behaupten, ein und dieselbe Person mit ein und derselben besonderen Geschichte zu sein. Ein fünfköpfiges Promi-Rateteam (in der ersten Folge bestehend aus Smudo, Ursula Cantieni, Kim Fisher, Pierre M. Krause und Natalia Wörner) muss durch möglichst geschickte Fragen herauszufinden versuchen, wer die Wahrheit sagt und auf wen die erzählte Geschichte tatsächlich zutrifft.

Mit dieser ebenso schlichten wie ergreifenden Idee ist die ARD bereits seit fast sechs Jahrzehnten unterwegs - immer wieder mal mit wechselnden Verantwortlichen, auf unterschiedlichen Sendern und mit kleineren Anpassungen an Optik und Spielkonzept, aber im Grunde hält sich das Format bereits seit 58 Jahren eisern und von den veränderten Sehgewohnheiten des Publikums unangetastet im Programmablauf. Und doch dürfte es viele gerade jüngere Zuschauer geben, die am Freitag erstmals mit der Sendung in Berührung gekommen sind, immerhin hatte sie zuletzt vornehmlich die Sparte des Südwest-Rundfunks bestückt. Und auf entsprechendes Fernsehen mit geringem Event-Faktor sollte man sich dann auch gefasst machen: Harmlos, bieder, konzeptionell äußerst gewöhnlich.

Dass «Sag die Wahrheit» dennoch ein deutlich angenehmeres Seherlebnis darstellt als das «Paarduell», ist in erster Linie den Protagonisten geschuldet. Vor allem Pierre M. Krause und Smudo verstehen es exzellent, Humorigkeit und Lockerheit zu versprühen, wo im direkten Vorprogramm noch nahezu jede Pointe gestelzt und peinlich daherkommt. Der Inhalt mag noch so banal, der Ablauf noch so überraschungsarm sein, man hat als Zuschauer zumindest nicht das Gefühl, am Ratepult Menschen sitzen zu sehen, die sich für das, was sie dort machen, verstellen müssen. Und das sorgt für eine gewisse Grundsympathie und eine angenehme Rate-Atmosphäre zwischen dem Bügelbrett und dem Essenstisch.

Ob es jetzt für die große, aktive und gut vernetzte Fangemeinde von «Gefragt - Gejagt» so ungemein erfüllend ist, in netto etwa 45 Minuten Sendezeit ganze vier stets nach gleichem Schema verlaufende Raterunden angeboten zu bekommen, deren dramaturgischer Höhepunkt die kleine Auflösung darstellt, wie viele Promis denn nun die Lügner enttarnt haben, darf stark bezweifelt werden. Die Sendung richtet sich aber auch nicht zwingend an die intellektuelle Elite mit hohem Wettbewerbseifer und Drang nach dramatischen, spannenden Fernseherlebnissen, sondern eben eher an die Bügler und Entspanner, die es zum Wochenausklang eher heimelig und entschleunigt haben wollen.

Der neue ARD-Vorabend: Welche Sendung gefällt Ihnen besser?
«Paarduell» (18 Uhr)
5,1%
«Sag die Wahrheit» (18:50 Uhr, freitags)
71,4%
Beides sind gute Formate.
2,3%
Ich finde beide ganz schwach.
21,1%


Es dürfte kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass es hierfür einen Markt gibt, sonst hätte die SWR-Variante wohl kaum 14 Jahre überlebt - und das Grundprinzip nicht mehr als ein halbes Jahrhundert. Ob dieses Relikt aus vermeintlich vergangenen Fernsehzeiten aber noch stark genug ist, um den zuletzt doch wieder reichlich schwächlich daherkommenden zweiten Quiz-Sendeplatz am Freitagvorabend zu tragen, darf zumindest einmal in Zweifel gezogen werden. Letztlich bietet der Versuch dem Ersten jedoch aktuell mehr Chancen als Risiken, schließlich hat man mit der NDR-Produktion «Kaum zu glauben!» noch ein inhaltlich ähnlich gelagertes Format in der Hinterhand, das seit Jahren starke Einschaltquoten in der Sparte einfährt und im Falle eines Erfolges von «Sag die Wahrheit» eine naheliegende Option wäre - und zu verlieren hat man momentan nicht allzu viel, waren doch sowohl der Neustart «Rate mal, wie alt ich bin» als auch die Idee, schlichtweg eine Doppelfolge der 18-Uhr-Show zu zeigen, am Freitag nicht gerade Garanten für starke Einschaltquoten. Und eine weitere Baustelle der ARD-Daytime könnte ja auch schon sehr bald mit Quiz- und Rateshows bestückt werden...

Das Erste zeigt 14 Folgen von «Sag die Wahrheit» ab sofort immer freitags um 18:50 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/92634
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