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Der Rankingshow-Boom: Zwischen Berieselung und kurzweiligen Infos

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RTL ist im Rankingshow-Fieber. Und dies, obwohl die quotentechnisch besten Zeiten des Genres bei den Kölnern vorbei sind. Erfolge feiern Countdowns aktuell woanders.

Welchen Unterschied ein Dutzend Jahre ausmachen kann: Als Oliver Geissen zum ersten Mal «Die ultimative Chart Show» präsentierte, saßen nahezu 6,5 Millionen Fernsehfreunde an den Empfangsgeräten. Überwältigende 36,7 Prozent Marktanteil standen bei den 14- bis 49-Jährigen auf dem Konto. Mittlerweile ist es schon eine absolute Ausnahme, wenn das Format über 13 Prozent bei den Umworbenen holt und mehr als 2,20 Millionen Musikfreunde zum Einschalten bewegt. Und auch ein anderes Ranking bei RTL hat seine besten Zeiten längst hinter sich: Sonja Zietlows «Die 10 ...» erlebte am 9. Januar 2010 mit «Die 10 größten DSDS-Kracher» einen klaren Höhepunkt. 6,41 Millionen Neugierige und 31,9 Prozent bei den Werberelevanten wurden gezählt. Die besten Zahlen in den vergangenen zwölf Monaten waren dagegen 2,93 Millionen Interessenten und 17,8 Prozent bei den Umworbenen.

Wer angesichts dessen glaubt, RTL werde künftig Abstand vom Countdown-Genre nehmen, irrt allerdings gewaltig. Die bekannten Formate werden fortgesetzt und bekommen zudem Nachschub in Form von «Mirjas Wilde 13», einem komödiantischen Wochenrückblick im Rankingkorsett. Außerdem versucht sich RTL an einem Stück verbrannter deutscher Showerde und sucht in einer zweiteiligen Sendung die beliebtesten Frauen und Männer der Bundesrepublik – Erinnerungen an einen gewissen ZDF-Skandal werden wach. Daher merkt der Kölner Sender auch an, dass es anders als bei den Mainzern keine redaktionellen Eingriffe in die Ergebnisse geben wird: „Die Personen-Rankings sind repräsentativ erhoben. Ein Marktforschungsinstitut übernimmt diese Aufgabe“, heißt es bezüglich «Germany's Top 50». Und auch wenn Jan Köppens Nostalgieshow «I like the ...», die fortgesetzt wird, kein Ranking ist, weist das Format mit seinen kurzen Einspielclips sehr wohl Verwandtschaft zu den Countdownsendungen auf.

Weshalb RTL so sehr auf „Look-back-Formate“ und Rankings setzt, verrät der Vermarkter des Privatsenders. IP Deutschland lobpreist diese Genres als „beste Unterhaltung mit Lean-back-Faktor“. In anderen, ebenfalls von IP Deutschland gewählten Worten: „Da kann man sich bestens berieseln lassen“. Rankings sind bei RTL also offiziell von Eventshows, wie die «Ultimative Chart Show» in ihrer Anfangszeit positioniert wurde, zum Entspannungsfernsehen verkommen. Fernsehen, das man mit heruntergefahrener Aufmerksamkeitsspanne verfolgen kann. Man könnte auch sagen: Diese Shows füllen Sendezeit, während sie den nebenher im Web surfenden TV-Zuschauer nicht stören. Bei Platzierungen, die ansprechen, kann er seine Konzentration auf den Fernseher richten, und beim x-ten «Chart Show»-Einspieler über „Nothing Compares 2 U“ von Sinéad O'Connor widmet er sich halt wieder anderen Dingen.

Da 2015 bislang von sechs Primetime-Aussrahlungen des Rankingklassikers «Die 10» nur drei den Senderschnitt bei den Jüngeren überboten haben, und nur eine beim Gesamtpublikum dies schaffte, zeigt sich aber: Mit der Berieselungstaktik lassen sich vielleicht Totalflops vermeiden, jedoch reißt RTL mit seinen Rankings wahrlich keine Bäume aus. Besser fährt da schon ProSieben mit seinen Countdowns. Beim Münchener Sender, wo derzeit «Galileo Big Pictures» praktisch im Alleingang das Genre repräsentiert, fährt der Wissenscountdown neuerdings mit respektabler Konstanz gute Zahlen ein. Anfang Mai schlug Aiman Abdallah mit 17,8 Prozent in der Zielgruppe sogar «DSDS».

Und auch der Disney Channel fand im Rankinggenre Erfolg: «Disney Magic Moments» erzielte Ende 2014 so erfreuliche Zahlen, dass die von Steven Gätjen moderierte Show einen Ableger sowie eine zweite Staffel erhielt. Dies gelang bislang keiner anderen Eigenproduktion des noch jungen Free-TV-Senders. Die Gemeinsamkeit zwischen «Galileo Big Pictures» und «Disney Magic Moments»: Obwohl sich beide Sendungen auf das Countdown-Korsett verlassen, werden die Einspiefilme nicht mit peinlichen Promi-Anekdoten vollgestopft. Stattdessen bekommt das Publikum über jeden der vorgestellten Plätze einige wissenswerte Fakten präsentiert – und dies so kurzweilig, dass man als Betrachter dennoch sagen würde, eine Unterhaltungsshow zu verfolgen. Das Publikum belohnt diese treffende Mischung aus Information und Spaß. RTL selbst müsste wissen, dass dieser Mix ankommt: «Die ultimative Chart Show» nahm ihren Anfang als lockerleicht-informative Musikshow – passend zum Namen ihrer Produktionsfirma i&u – Information und Unterhaltung. Ein Name, der nun aber woanders Programm ist.

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