Hingeschaut

«Die Band»: Gut gemeint ist nicht gleich gewonnen

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Im deutschen Fernsehen entsteht eine neue Band. Ganz ohne Jury und ohne Telefonvoting. Und trotzdem ist «Die Band» zu forciert ...

Ich bin in «Die Band» kein Juror, ich bin vielmehr ein Freund. Wir hängen viel zusammen rum, sitzen am Pool, machen gemeinsam Musik, sprechen über das Leben und über Ladys - in dieser Sendung ist alles viel persönlicher und auch emotionaler, weil die Musiker unter sich entscheiden, wer gehen muss. Wir verbringen so viel Zeit zusammen und sind alle echte Kumpels.
Samu Haber
Eine Musiksendung ohne Castingjury, Telefonvotes oder Rankingergebnisse? Ja, das gibt es im deutschen Fernsehen tatsächlich. So dann und wann, jedenfalls. VOX etwa feiert mit «Sing meinen Song - Das Tauschkonzert» aktuell in einer zweiten Staffel die Vielfältigkeit und Wandlungsfähigkeit von Musik. Und ProSieben möchte nun mit einer neuen Primetime-Dokuproduktion ganz nah an die Faszination handgemachter Musik heranrücken – sowie an den spannenden Entstehungsprozess einer neuen Band. Klingt plötzlich doch wieder nach Casting? Ist es aber wirklich nicht …

Samu Haber, «The Voice of Germany»-Coach und 'Sunrise Avenue'-Frontmann, begleitet in den sechs Ausgaben dieses unkonventionellen Formats 20 junge Musiker durch sechs Wochen Barcelona-Workshop. Je vier Bassisten, Gitarristen, Keyboarder, Drummer und Sänger leben für diese Zeit miteinander, proben, feilen an ihrem Können, treten bei Clubkonzerten auf. Bekommen Ratschläge von Samu, lauschen seinen Anekdoten aus seiner Musikerbiografie. Und entscheiden selbst, ohne äußere Einflussnahme: Wer harmoniert so gut, um eine Band zu gründen? Denn am Ende der sechs Wochen soll eine vollständige, fünfköpfige Band aus diesem Barcelona-Abstecher hervorkommen.

Vorm Start gab es für «Die Band» bereits Lob seitens des Spitzenverbands der Musikinstrumenten- und Musikequipmentbranche (Society Of Music Merchants e. V., kurz: SOMM). Diese begrüßte in einem öffentlichen Statement die Idee hinter dem Konzept: Verbandsgeschäftsführer Daniel Knöll glaubt, dass die prominente Platzierung der Sendung das öffentliche Interesse am aktiven Musizieren stärken könnte. „In den letzten Jahren hat sich das Interesse von Jugendlichen am Musikmachen deutlich verändert. Immer weniger Jungen und Mädchen setzen sich in der Freizeitbeschäftigung mit instrumentalem Musizieren auseinander“, so Knoll. Weiter sagt er: „Das Überangebot der Freizeitindustrie und der Umgang mit Smartphones, Apps & Co. rücken das Spiel mit Musikinstrumenten leider immer mehr in den Hintergrund.“

Knoll schließt seine Argumentation ab: „Die Mitglieder der SOMM und die Musikinstrumentenbranche sollten die Möglichkeit nutzen, Musikinstrumente in ihrer ganzen Vielfalt einem breiten Publikum in Deutschland vorzustellen, um auf das Thema "Musikmachen" in der Öffentlichkeit hinzuweisen. Wir sehen das TV-Format als echte Chance, um innerhalb der Gesellschaft wieder Lust aufs aktive Musizieren zu machen.“

Und tatsächlich blickt «Die Band» im Reportagestil darauf, was das Musizieren den Teilnehmern bedeutet und wie sie ihre arbeitsreiche Zeit in Barcelona erleben. Ganz von allein läuft die Band-Entwicklung dennoch nicht ab. Dass Schirmherr Samu zur Inspiration der Künstler und zur Bespaßung der Zuschauer diverse Bandgrößen einlädt, ist natürlich willkommen. Ebenso wie die Tipps von Musikproduzent André "Brix" Buchmann und Vocalcoach Sofi. Sowas passt auch zum Workshop-Gedanken. Dass das Reglement aber den Abgang von exakt zwei Kandidaten verlangt, statt den Musikern den Modus frei zu lassen, sofern zum Schluss eine Band entsteht, ist ein schwerer Fauxpas. Es stellt das Eingreifen einer unsichtbaren Hand dar. Bloß, dass diese unsichtbare Hand so stark zu spüren ist, dass der Grundgedanke des Konzepts darunter leidet. Wo bleibt die von SOMM gefeierte Würdigung des Musikmachens, wenn letztlich wieder einmal das Konkurrenzdenken angefeuert wird?

Schade auch, dass «Die Band» sehr selektiv damit umgeht, die Vergangenheit der Kandidaten darzulegen. Dass Eugen Flittner mal bei «DSDS» war, hätte gerne erwähnt werden dürfen. Und von der tränenzieherischen Inszenierung muss man auch gar nicht erst anfangen. Die ist wohl Pflicht am Donnerstagabend bei ProSieben – wenn nicht «The Voice» läuft. Wo zwar nur Gesang im Vordergrund steht, der Zauber der Musik letztlich trotzdem besser zur Geltung kommt als bei «Die Band».

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