Hingeschaut

«Ober Unter Sau»: Kabarett ohne Pointen

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Kann man den Charme einer Schafkopf-Runde am Stammtisch ins Fernsehen übertragen? Der Bayerische Rundfunk versucht sich hieran – und scheitert dabei auf weiten Strecken.

Das politische Kabarett genießt im Bayerischen Rundfunk einen hohen Stellenwert, vor allem am Freitagabend. Mit «Ottis Schlachthof», moderiert von Urgestein Ottfried Fischer, produzierte man 17 Jahre lang ein etabliertes Format. Nach dem krankheitsbedingten Ausstieg des Moderators und der einhergehenden Einstellung der Sendung entstand eine Lücke. Mit dem Nachfolger «Schlachthof» versuchte man, diese zu füllen - wohlgemerkt am Donnerstagabend. Für den Freitag probierte man nun ein neues Format aus: «Ober Unter Sau». Moderatorin Luise Kinseher (Foto rechts), die vor allem für ihre Rolle als Bavaria beim jährlichen Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg bekannt ist, begrüßte in dieser Sendung drei Gäste, die mit ihr in Stammtisch-Atmosphäre Schafkopf spielten.

Das Spiel muss man als Zuschauer nicht beherrschen. Es soll ja schließlich um aktuelle Themen gehen. Der Beginn der Sendung war schleppend. Die Gäste Sigi Zimmerschied, Hannes Ringlstetter und Josef Brustmann erklärten langatmig ihren Bezug zum Schafkopfen und erzählten dabei Anekdoten aus ihrer Vergangenheit. Moderatorin Luise Kinseher unterband dies nicht, sondern fragte oft weiter nach. So wirkte «Ober Unter Sau» lange Zeit wie eine typisch öffentlich-rechtliche Talkshow. Pointen waren Mangelware. Für eine Kabarett-Sendung kein gutes Zeichen.

Das erste politische Thema konnte man erst nach der Hälfte der halbstündigen Sendung verzeichnen. Es ging um Russland, dessen Präsidenten Wladimir Putin und den Ukraine-Konflikt. Von da an wurde die Sendung eine Mischung aus Schafkopf und den typisch bayerischen Stammtisch-Parolen. "Unser Franz Josef Strauß wäre ganz anders mit Putin umgegangen!", hieß es etwa. Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie ein alter Bayer mit Bier in der Hand auf den Stammtisch haut und diese Parole grölt. Die Teilnehmer der Runde äußerten ihre Meinungen, waren durchaus auch sehr kritisch. Sie hatten aber sichtlich Schwierigkeiten, Pointen unterzubringen. Lustig waren diese in den meisten Fällen nicht, was man an den Reaktionen des Publikums ablesen konnte.

Es gab darüber hinaus viele Phasen des Schweigens, in denen nur Schafkopf gespielt wurde. Für den geübten Spieler vor dem Fernseher ist das vielleicht durchaus von Interesse, aber für den Großteil der Zuschauer dürfte das ein Grund zum Wegschalten sein. Die Sendung hatte in solchen Momenten den Charme einer Snooker-Übertragung – ohne Kommentator. Für solche problematischen Situationen war wohl Schauspielerin Marlene Morreis vorgesehen. Sie spielt bei «Ober Unter Sau» eine Wirtin, die sowohl Gäste als auch Publikum mit Getränken versorgt und dabei als Sidekick Anregungen für Diskussionen geben soll. Jedoch gelang ihr das überhaupt nicht, sodass sie letztlich nur noch die Schafkopf-Ergebnisse notierte und die Gäste mit Schnaps versorgte. Die Schauspielerin sollte darüber hinaus auch der Anschlusspunkt an das junge Publikum sein, da die Sendung an sich eindeutig ein älteres Publikum anspricht. Sowohl was die Atmosphäre angeht als auch die Thematiken.

Laut des Bayerischen Rundfunks ist «Ober Unter Sau» vollständig improvisiert. Nach der ersten Sendung glaubt man das sofort. Pointen waren absolute Mangelware, die Themen austauschbar und langatmig. Auch wenn man alles improvisieren möchte, wäre ein bisschen mehr Vorbereitung seitens der Moderatorin und der Gäste durchaus angebracht gewesen. Man versuchte, die Stimmung einer launigen Schafkopf-Runde am Stammtisch ins Fernsehen zu bringen. Vielleicht war genau das aber das Problem der Sendung. Wenn man nichts zu sagen hatte, spielte man einfach Schafkopf. Der kabarettistische Teil der Sendung rückte in den Hintergrund. Sigi Zimmerschied fasste es unbewusst während der Sendung zusammen: "Das Problem bekommen wir heute öfters: Pointe oder Blatt?"

In der ersten Ausgabe von «Ober Unter Sau» dominierte eindeutig das Blatt. Die Pointen kamen zu kurz. Für eine als Kabarett ausgelegte Sendung ist das kein gutes Zeugnis.

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