Sonntagsfragen

Ronzheimer: 'Wer austeilt, muss auch einstecken können'

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Er ist der Krisenreporter der Bild: Als auf dem Maidan scharf geschossen wurde, drehte er kurze Videoclips für Bild.de. Im Mai wurde sogar offen zur Jagd nach ihm aufgerufen. Quotenmeter.de hat mit Paul Ronzheimer über das Kriegsjahr 2014 und seine Berichterstattung gesprochen.

Zur Person

Paul Ronzheimer ist Chefreporter im Politikressort der BILD-Zeitung, dort zuständig für Kriegs- und Krisenberichterstattung. Von 2009 bis 2011 war er Parlamentskorrespondent im Berliner Büro der Zeitung, seit 2011 als Reporter vor allem im Ausland unterwegs. Im Zuge seines bislang sechsjährigen Engagements, war er beispielsweise in Griechenland vor Ort, zuletzt berichtete Ronzheimer aus der Ukraine und Syrien. Ronzheimer, geboren 1985 in Aurich, volontierte 2005 bei der „Emder Zeitung“ und wechselte im Januar 2008 zum Axel Springer Verlag. Dort absolvierte er die „Axel Springer Akademie“.
Publisher's Summit
Paul Ronzheimer, Sie arbeiten für die BILD als Reporter in den Krisengebieten. Was ist ihre größte Motivation aus den gefährlichen Gebieten zu berichten?
Meine größte Motivation ist, so gut wie möglich zu beschreiben, was in den Gebieten passiert und so nah wie möglich heranzukommen. In der Ukraine-Krise war es zum Beispiel so, dass ich von Anfang an von dort berichtet habe, seit vergangenen November. Ich war auf dem Maidan und auf der Krim, dann war es für mich auch selbstverständlich, an die Front in der Ost-Ukraine zu gehen, um mit den Leuten, die dort kämpfen oder leben müssen, zu sprechen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als im Mai ein Reporter zur Jagd nach Ihnen aufgerufen hat und wie erklären Sie sich diesen Vorfall?
Das war schon eine brenzlige Situation, die die Schwierigkeiten zeigt. Es war so, dass es von Anfang an Bedrohungen gab, mehrere Kollegen wurden bereits im April in Slawjansk gekidnappt. Ich berichtete dann im Mai über Wahlfälschung in Donezk, wir hatten einen Mann begleitet, der zehn Mal seine Stimme in verschiedenen Wahllokalen abgeben konnte. Darüber habe ich getwittert, kurze Zeit später wurde ich von pro russischen Anhängern verfolgt, die mich kidnappen wollten. Wichtig ist, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Wir haben dann einen Weg raus aus den Separatistengebieten gefunden.

Mal weg von konkreten Fällen: Als wie gefährlich empfanden Sie selbst Ihre Situation in der Ukraine und nun im Nahen Osten? Wie sind Ihre Lebensumstände in diesen Gebieten?
Wichtig ist, dass man viele Leute vor Ort gut kennt. Bei mir war es so, dass ich zwei befreundete Reporter hatte, die sich sehr gut in Donezk auskannten. Man braucht Leute, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann.
Bild-Reporter Paul Ronzheimer über seine Arbeit in der Ukraine
Man kann sicherlich nicht die Ost-Ukraine mit Syrien vergleichen. Ich glaube, Syrien ist noch weitaus gefährlicher, auch wenn in der Ost-Ukraine in den Monaten, in denen ich da war, sechs Journalisten getötet wurden, die auch nahe an der Front berichtet haben. Ich glaube, man muss sich der Gefahr immer bewusst sein und sich auch immer rückkoppeln, ob es sich lohnt, sich für die Geschichte dieser Gefahr auszusetzen. Das muss man immer wieder diskutieren. Wichtig ist, dass man viele Leute vor Ort gut kennt. Bei mir war es so, dass ich zwei befreundete Reporter hatte, die sich sehr gut in Donezk auskannten. Man braucht Leute, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Man darf da nicht einfach blindlings reinfahren und sich denken: „Ich berichte jetzt mal.“ Gefahr ist immer vorhanden, egal ob man sich im Irak aufhält, in der Ukraine oder Richtung Syrien. Wo es in der Ost-Ukraine aber unter schwierigen Bedingungen noch möglich war zu berichten, ist es in den ISIS-Gebieten nicht mehr möglich. Das ist schon eine ganz neue Qualität. Es ist ein großes Problem, dass es keine unabhängigen Berichte aus dieser Region gibt, sondern nur YouTube, Propaganda der ISIS-Leute und Aussagen von Flüchtlingen.

Wie sind Sie denn vor Ort untergebracht?
Das ist unterschiedlich. In der Ost-Ukraine waren wir viel mit den Soldaten unterwegs und haben auch Nächte dort verbracht. Teilweise auch in Wohnhäusern und Kellern von Anwohnern. Wenn man in Donezk selbst ist, wo zumindest im Zentrum nicht dauerhaft gekämpft wurde, gibt es Hotels, wo viele Journalisten gewohnt haben.

Wie groß ist denn Ihr Team? Der Zuschauer Ihrer Beiträge sieht Sie ja sonst nur alleine vor der Kamera stehen.
Manchmal arbeite ich mit einem Fotografen und einem Videoreporter zusammen, manchmal mit einem, der beides kann. Wichtig ist dann vor allem ein Kollege von vor Ort, der Leute kennt und gegebenenfalls auch übersetzt. Wir sind dann je nachdem zwischen zwei und vier Leuten.

Wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Das kommt auf die Geschichte an. Ob es zum Beispiel konkret ist, wie der Absturz der MH-17. In dem Fall ist die größte Herausforderung, dort schnell hinzukommen. Ich war eigentlich auf dem Weg nach Israel, wir sind in der Türkei zwischengelandet und dann kam die Nachricht, wonach klar war: „Schnell, wir müssen in die Ukraine.“ Dann war es so, dass die Geschichte der Bedrohung durch Separatisten schon noch eine Rolle gespielt hat und wir dachten: „Wenn wir dort jetzt wieder einreisen, wie gefährlich ist das?" Da benachrichtigst du alle deine Leute, versuchst den sichersten Weg zu wählen, In diesem Fall gab es noch Zugverbindungen von Kiew nach Donezk, ohne Checkpoint-Kontrollen. Es ist also zunächst einmal vor allem eine logistische Herausforderung und oft muss man sich da spontan verändern.

Jede Geschichte ist anders, es gibt eigentlich keinen Alltag. Was die Arbeitszeiten betrifft: Oft bedeutet es, sehr früh aufzustehen und sehr lange zu arbeiten und das gegebenenfalls auch über einen langen Zeitraum.
Bild-Reporter Paul Ronzheimer über den Arbeitsalltag im Krisengebiet
Vor Ort will man dann natürlich auch schnell liefern, was nicht immer ganz leicht ist: Manchmal brauchst du einen Satelliten oder musst zwischen Orten mit Internetzugang hin- und herfahren. Wenn es ein konkretes Ereignis gibt, über das man berichten will, sind die Planungen anders, als wenn man zum Beispiel in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze unterwegs ist und erst einmal nach den Geschichten der Menschen dort sucht. Jede Geschichte ist anders, es gibt eigentlich keinen Alltag. Was die Arbeitszeiten betrifft: Oft bedeutet es, sehr früh aufzustehen und sehr lange zu arbeiten und das gegebenenfalls auch über einen langen Zeitraum.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Welchen Mehrwert will Ronzheimer mit seinen Berichten erreichen und wie reagiert er auf die mitunter harsche Kritik?

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