Die Kritiker

Die Kanzlerin: guter Sex und ein nackter französischer Präsident

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Unter dem Titel «Die Staatsaffäre» sendet Sat.1 einen politisch angehauchten Fernsehfilm, bei dem man sich fragen muss, ob er eine Persiflage oder schlicht mies ist.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Veronica Ferres («Marco W.») als Bundeskanzlerin Anna Bremer, Martin Brambach («Add a Friend») als Bernhard, Berater der Kanzlerin, Philippe Caroit als Französischer Staatspräsident Guy Dupont, Theresa Underberg («Verbotene Liebe») als Petra, Assistentin der Kanzlerin, Bernhard Piesk («Der Knastarzt») als Schütte, Bodyguard der Kanzlerin, Stephan Kampwirth («Das kleine Gespenst») als Minister Neumann, außerdem Simone Panteleit («Sat.1 Frühstücksfernsehen») und Marc Bator («Sat.1 Nachrichten») in einer Gastrolle

Hinter den Kulissen:
Regie: Micky Rowitz, Buch: Don Bohlinger, James Dutcher, Musik: Helmut Zerlett, Kamera: Dietmar Koelzer, Schnitt: Magdolna Rokob Produktion: Producers at Work
So mancher sprach recht deutlich von einem Abstieg, als Marc Bator seinem Job als Tagesschausprecher aufgab, um zum Privatsender Sat.1 zu wechseln. Das so auszudrücken, nur weil die Informationskompetenz des Senders ohne Zweifel weniger ausgeprägt ist, als jene im Ersten, mag vielleicht ein wenig unfair sein, zumal sich durchaus gute Gründe für Bators Wechsel finden lassen. Dazu gehört aber kaum sein Auftritt im Fernsehfilm «Die Staatsaffäre». Der darf für Sat.1 zwar als Highlightprogrammierung gelten, vor allem, weil für ihn eine breit angelegte Werbekampagne geschaltet wurde. Inhaltlich aber ist das Machwerk doch etwas anders ausgelegt als Eventmovies wie «Der Rücktritt» oder «Der Minister», in denen Politereignisse satirisch verarbeitet wurden.

Allein die Wahl der Hauptfigur zeigt schon recht deutlich, dass es in eine andere Richtung gehen soll: Veronica Ferres spielt niemand Geringeren als die Bundeskanzlerin. Nein, sie soll nicht Angela Merkel darstellen, obschon sie in ihrer Rolle, gleich der tatsächlichen Kanzlerin, eine Raute aus ihren Händen formt. Anna Bremer heißt die Regierungschefin der Republik und ist deutlich unter 50 Jahren alt. Zum Auftakt des Films erklärt die in den Medien auch „Mrs. Tüchtig“ genannte Dame dann auch recht selbstbewusst aus dem Off, dass sie ihre persönliche Balance aus Arbeit und Familie ja gefunden hat – indem sie das Privatleben einfach streiche. Juhu, also eine Romantic-Comedy und kein interessanter Polit-Thriller, mögen sich (vermutlich insbesondere männliche Zuschauer) an dieser Stelle denken. Nur irgendwie macht auch die Sache mit dem mangelndem Privatleben reichlich wenig Sinn, wenn die Kanzlerin dann doch irgendwie ein soziales Umfeld außerhalb des Jobs besitzt, gerne Sport macht und zudem nicht sonderlich gestresst wirkt. Schon hier liegt der Gedanke nahe: Mit dem realen Politzirkus hat das wenig zu tun. Noch viel weniger glaubwürdig erscheint das Konstrukt, wenn Kanzlerin Bremer dann als Idealistin vor dem Herrn dargestellt wird, die – völlig ohne Machtkalkül – alles tut, was dem Volke zu Gute kommt.

Endgültig absurd wird es aber erst, wenn der französische Präsident zurücktritt, weil er nackt durch die Öffentlichkeit gelaufen ist und die Kanzlerin den schon vorher nominierten Spitzenkandidaten der konservativen Partei zu allem Überfluss noch nicht einmal kennen soll. Wer ernsthaft der Überzeugung ist, dass eine deutsche Bundeskanzlerin den Herausforderer des amtierenden französischen Präsidenten nicht kennt – ob nun krasser Außenseiter oder nicht –, der sollte besser Scripted Reality-Autor werden und nicht das Drehbuch für einen Film mit politischem Anspruch schreiben.

Die Story als solche, ganz abseits jeglicher Logik-Mängel, ist ebenfalls eher mäßig. Die Kanzlerin trifft den neugewählten französischen Staatspräsidenten Guy Dupont auf einem europäischen Gipfel – und muss feststellen, dass der ihre ehemalige Teenie-Affäre ist. Vor 25 Jahren, in der Nacht des Mauerfalls haben die beiden eine Nacht miteinander verbracht. Die Folgen der wieder entflammenden Affäre sind dann wohl mehr als offensichtlich. Ganz nebenbei gibt es auch noch einen Ministerkollegen der Kanzlerin, der die Erfolge seiner Chefin missgünstig betrachtet und schon ist der Filmbrei gekocht. In den besten Momenten ist das mäßig unterhaltsam und beiläufig zu konsumieren. In den schlechten will man nur den Fernseher ausschalten. Sofern dieser Film wider Erwarten Satire oder gar eine Persiflage sein soll – es gelingt nicht. Aber wenn er doch so beabsichtigt sein sollte, wäre das immer noch besser zu verkraften als diese hanebüchene Story ernst zu nehmen.

Der große Konflikt, eine Affäre zwischen zwei Regierungschefs, könnte tatsächlich interessant und gleichermaßen relevant sein, aber keinesfalls so, wie er im Sat.1-Fernsehfilm angegangen wird. Denn dass die Kanzlerin bei einer groß angelegten Pressekonferenz von gutem Sex spricht, ihr Minister Bilder seiner Chefin verschickt, wie sie den französischen Präsidenten küsst und die Kanzlerin auf all das nur positives Feedback bekommt, ist einfach unglaubwürdig. Nicht einmal der kleinste Shitstorm scheint im Internet loszubrechen und nicht einmal einige wenige scheinen sich um die Verquickung von Interessen zwischen zwei Staaten zu sorgen, wenn deren mächtigste Politiker ein Verhältnis zueinander haben.

Dass Veronica Ferres' Hauptrolle, die eher Absurdistan als Deutschland zu regieren scheint, kaum zum Tragen kommt, ist daher mehr als logisch. Gleiches gilt für den französischen Präsidenten Guy Dupont. Gespielt wird der von Philippe Caroit, in Frankreich ein bekannter Name, in Deutschland hingegen kennt man den Schauspieler eher weniger. Er lässt zwar Charme und Witz phasenweise aufblitzen, schafft es aber nicht etwas gegen das schwache Buch auszurichten. Die Nebencharaktere sind da schon stärker. Gerade Bodyguard Schütte (wohlgemerkt der einzige Bodyguard im direkten Umfeld der Kanzlerin!), weiß durch seine sympathisch-verpeilte Art immer wieder zu unterhalten. Dass die Charakterisierung der Figur nicht in die Tiefe geht, und die Person außerdem nur dazu dient eine weitere Liebesgeschichte als eigenen Handlungsfaden voranzutreiben, ist daher verzeihbar. Ebenso mäßig wie die Handlung ist hingegen auch die musikalische Untermalung. Mit Helmut Zerlett hat man auch hier auf einen bekannten Namen gesetzt, der mehrheitlich Teen-Pop-Töne in den Score gelegt hat.

Der Genrewechsel in den Eventprogrammierungen, er hat also nicht wirklich besonders gut getan. Nicht, dass eine Rom-Com als Solche grundsätzlich negativ wäre. Ganz im Gegenteil, es existieren stark produzierte Vertreter dieser Gattung. Nur gehört dieses platte Fernsehspiel keinesfalls dazu. «Die Staatsaffäre» wirkt schlicht an den Haaren herbei gezogen. Fast hat man das Gefühl, die Verantwortlichen haben nach einem neuen semi-politischen Stoff verlangt. Weil aber die Quoten dieser Film-Typen langsam zu sinken begannen, sollte in der exakten Machart doch ein bisschen etwas verändert werden. Ist das tatsächlich die Überlegung gewesen, so ist das Ergebnis jedoch vollends missglückt.

«Die Staatsaffäre» ist am Dienstag, 2.September um 20.15 Uhr in Sat.1 zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/72813
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