Die Kino-Kritiker

DreamWorks' Kinorückkehr in die faszinierende Welt der Drachen

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DreamWorks Animation liefert mit «Drachenzähmen leicht gemacht 2» ein emotionales und optisch prachtvolles Abenteuer ab, das sich redlich bemüht, an seinen zauberhaften Vorgänger heranzureichen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich mit «Star Wars» aufgewachsen bin. Ich erachte «Das Imperium schlägt zurück» seit jeher als einen Film, der alles nimmt, was eine bereits bekannte Filmwelt ausgemacht hat, und diese weiter auslotet und tonal reichhaltiger gestaltet. Das ist, was ich auch mit «Drachenzähmen leicht gemacht 2» erreichen wollte – diesen Sinn für Unterhaltung sowie für ein sich ausweitendes Storyuniversum, komplexere Figuren und eine größere Fallhöhe.
Dean DeBlois erklärt, weshalb er mit «Drachenzähmen leicht gemacht 2» einen für Animationsfilm-Sequels ungewöhnlichen Weg eingeschlagen hat
Fortsetzungen dürften mittlerweile ihr Stigma hinter sich gelassen haben. Zwar gibt es noch immer herzlose, wirtschaftlich kalkulierte Wegwerfware wie «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben», doch im Gegenzug werden Filmfreunde regelmäßig mit Weitererzählungen beschenkt, die ihre Vorgänger weit hinter sich lassen. Ob im Superheldengenre (etwa «The Dark Knight»), im Bereich der Jugendbuchverfilmungen (zum Beispiel «Die Tribute von Panem – Catching Fire») oder in der Welt des Arthouse-Dramas (unter anderem «Before Sunset»). Unter Animationsfilmen sind sehenswerte Fortsetzungen allerdings weiterhin überaus rar gesät. Zwar wuchs die «Toy Story»-Trilogie mit jedem neuen Teil über sich hinaus, zumeist aber bieten Trickfilm-Sequels einfach nur eine alberne Variation des Erstlings. Man denke nur an das «Madagascar»-Franchise, «Cars 2», nahezu alle Direct-to-Video-Fortsetzungen aus dem Hause Disney oder den dieses Frühjahr angelaufenen «Rio 2 – Dschungelfieber».

Als Dean DeBlois, einer der beiden Regisseure von «Drachenzähmen leicht gemacht», von der DreamWorks-Animation-Chefetage mit der Entwicklung eines Sequels beauftragt wurde, machte dieser klar, nicht den typischen Weg für Trickfilmfortsetzungen beschreiten zu wollen. Anstelle eines zweiten Teils, der den herzlichen ersten Film verwässert und allein auf Comedy setzt, schwebte ihm vor, das Franchise zu einer epochalen Fantasy-Trilogie auszuarbeiten. Der zweite Part sollte mehrere Jahre nach dem Original spielen, finstere Wege einschlagen und die Figuren wie auch ihre Welt vorantreiben. Jeffrey Katzenberg, der CEO von DreamWorks Animation, gab dem Regisseur seinen Segen und so verfasste DeBlois ein Drehbuch, mit dem er die «Drachenzähmen»-Antwort auf «Das Imperium schlägt zurück» erschaffen wollte.

Die Story: Fünf Jahre nach den Ereignissen aus «Drachenzähmen leicht gemacht» hat sich das Wikingerdorf Berk völlig geändert. Die einst Drachen jagenden Einwohner leben nun im friedvollen Einklang mit den schuppigen Feuerspuckern und halten diese als Haustiere. Der ungeschickte Junge Hicks (Originalstimme: Jay Baruchel, in der Synchro: Daniel Axt) wuchs zu einem stattlichen und cleveren Helden heran, der gemeinsam mit seinem Drachen Ohnezahn die Welt erkundet. Doch obwohl sein Vater nunmehr vor Stolz auf ihn platzt, weicht ihm Hicks unentwegt aus, da er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, den väterlichen Wünschen nachzugeben und dessen Aufgaben als Stammesführer zu übernehmen. Als Hicks eines Tages während eines Ausflugs gemeinsam mit seiner Freundin Astrid (America Ferrera bzw. Emilia Schüle) auf eine Gruppe ruchloser Drachenfänger stößt, muss er allerdings lernen, dass es kein Leichtes ist, sich vor den Erwachsenenpflichten zu drücken …

Auf inhaltlicher Ebene wird «Drachenzähmen leicht gemacht 2» ohne Weiteres DeBlois' Ansprüchen gerecht. Wie «Das Imperium schlägt zurück» führt auch dieser Film sein Publikum zurück in eine aufregende Filmwelt, die sich auf spannende Weise seit dem vorherigen Teil gewandelt hat. Und wie der von Fans vielfach gelobte Mittelteil der Original-«Star Wars»-Trilogie schmeißt auch diese 145-Millionen-Dollar-Produktion seinen Protagonisten nicht einfach in ein beliebiges neues Abenteuer, sondern lässt ihn durch neue Prüfungen und Erkenntnisse als Helden und Anführer einer Gruppe ungewöhnlicher Individuen weiter reifen. DeBlois lässt diese Aspekte mit sicherer Hand in die Story einfließen: Wie die meisten Teenager sucht Hicks in «Drachenzähmen leicht gemacht 2» nach seiner Berufung und hinterfragt die Wünsche seines Vaters. Stets treffen DeBlois' Skript und Hicks' Synchronsprecher (egal ob in der deutschen oder englischen Fassung) genau die richtigen Töne, um diesen Subplot glaubwürdig und herzlich zu gestalten. All dies ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken und Gefahr zu laufen, die Zuschauer zu verprellen, die sich nicht in Hicks' Lage versetzen können.

Hicks' Identitätssuche führt ihn nicht nur an neue, visuell beeindruckende Orte, sondern auch gleich mehrmals in zünftigen Trubel. Bei seinem Aufeinandertreffen mit Drachenjägern, die im Auftrag des sagenumwobenen Drago handeln, provoziert er seine Widersacher nur mit seiner bemühten Diplomatie – und auch danach muss Hicks noch lernen, wann er seine Überzeugungskünste einzusetzen hat und wann ein taktischer Rückzug Leben retten würde. Dadurch, welche Höhen und Tiefen DeBlois seinen Leinwandhelden durchlaufen lässt, verleiht er «Drachenzähmen leicht gemacht 2» eine in DreamWorks-Animationsfilmen ungewohnte emotionale Komplexität. Schon der Vorgänger war vergleichsweise mutig für einen Familientrickfilm, doch Teil zwei ist deutlich rauer und kommt nie auf die Idee, Hicks' Achterbahnfahrt der Gefühle für die jüngsten Kinogänger abzufedern.

Wenngleich DeBlois stilistisch und tonal seinen selbst gesteckten Zielen gerecht wurde und die «Das Imperium schlägt zurück»-Route eines größeren, mutigeren und dunkleren Sequels einschlug, so finden die Vergleiche zwischen dem bisherigen Höhepunkt der «Star Wars»-Saga und «Drachenzähmen leicht gemacht 2» in einer wichtigen Hinsicht ein Ende. Nämlich bei der Qualität. Während Irvin Kershner 1980 das Original in jeglichen Belangen übertraf, muss sich DeBlois' Soloarbeit letztlich dem gemeinsam mit Chris Sanders inszenierten Vorläufer knapp geschlagen geben. Zwar ist die Handlung komplexer, Hicks' Storybogen facettenreicher ausgearbeitet und die Optik noch atemberaubender, jedoch ist Teil eins flüssiger erzählt und versprüht eine unschuldig-schlichte Magie, nach der «Drachenzähmen leicht gemacht 2» nicht einmal strebt. Dies ist der weniger zauberhaften Story geschuldet und wäre zu verkraften, könnte die Fortsetzung das liebliche Flair des Erstlings durch neue Impulse ersetzen. Doch weder die packenden Actionszenen noch die mit lebensnah wirkenden Dialogmomenten ausgestattete Storyline über Hicks, seinen Vater Haudrauf (Gerard Butler bzw. Dominic Raacke) und die geheimnisvolle Drachenlady Valka (Cate Blanchett / Martina Hill) können solch fulminanten Szenen wie dem Kennenlernen zwischen Hicks und Ohnezahn oder ihrem ersten gemeinsamen Flug das Wasser reichen. Auch dieses Mal gibt es zwar Gänsehautmomente (etwa das Treffen von Valka und Haudrauf sowie eine dramatische Wende für Ohnezahn), Teil eins aber hatte schlicht mehr solcher Höhepunkte zu bieten.

Dies soll bei Weitem nicht bedeuten, dass «Drachenzähmen leicht gemacht 2» eine Enttäuschung darstellt. Der Film lenkt die Filmreihe rund um Hicks in eine neue, spannende Richtung, lotet unangenehmere Themen aus und spielt vor einem größeren Hintergrund als Teil eins, reicht aber aufgrund mühevoller Übergänge zwischen den einzelnen Akten nicht an den knackiger erzählten Vorläufer heran. So gesehen ist «Drachenzähmen leicht gemacht 2» eher mit «Saw 2» zu vergleichen als mit der fünften «Star Wars»-Episode. Besagte Horrorfortsetzung eröffnete auch neue Horizonte für ihr Franchise und schnitt ebenfalls nur etwas schwächer als ihr simplerer Vorgänger ab. Bleibt nur zu hoffen, dass die «Saw»-Parallelen für die DreamWorks-Drachen nicht noch größere Ausmaße annehmen und sich die Trickreihe genau wie «Saw» totläuft.

Angesichts der liebevollen Charakteranimation und der engagierten Performances der Sprecher steht aber kaum zu befürchten, dass sich «Drachenzähmen leicht gemacht» in eine kalt kalkulierte Filmreihe verwandelt. Teil zwei endet an einem furiosen Punkt und lässt dem dritten Part zahlreiche Möglichkeiten, eine weitere fesselnde Geschichte zu erzählen. Diese darf dann gerne Hicks' und Astrids wundervoll glaubwürdige Beziehung noch intensiver beleuchten und Hicks' Werdegang zum tapferen Wikinger ähnlich komplex umsetzen wie Teil zwei. Wünschenswert wäre es aber zudem, dass die humorigen Elemente dann wieder den Charme des Erstlings aufweisen, statt wie in Teil zwei Hicks' Altersgenossen schrill herumrüpeln zu lassen. Und auch John Powells Musik darf gern wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt werden, denn anders als der preiswürdige Score zum ersten Teil ist die Klangtapete in Part zwei nur atmosphärische Nebensache.

Fazit: Komplexer, mutiger, visuell aufwändiger. Und fast so liebenswert wie der unvergleichlich-charismatische Erstling. «Drachenzähmen leicht gemacht 2» ist eine der wenigen Trickfilmfortsetzungen, die ihr Publikum ernst nehmen und eine sehenswerte neue Geschichte erzählen.

«Drachenzähmen leicht gemacht 2» ist ab dem 24. Juli 2014 in vielen deutschen Kinos in 3D und 2D zu sehen.

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