Die Kritiker

«Tatort: Abgründe»

von  |  Quelle: Inhalt: ARD

Die Wiener «Tatorte» sind schon immer die ganz harten Themen angegangen. So auch am Sonntag. Und wieder einmal ist es hervorragend geglückt, meint Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Cult Movies GmbH
  • Drehbuch: Uli Brée
  • Regie: Harald Sicheritz
  • Kamera: Thomas Kürzl
Inhalt
Es war das Ende eines langen, schrecklichen Alptraumes, als das Mädchen Melanie Pölzl fünf Jahre nach ihrer Entführung aus einem Verlies fliehen konnte. Der Täter hatte danach offenbar keinen Ausweg mehr gesehen und sich vor einen Zug geworfen. Daraufhin wurde der Fall offiziell abgeschlossen. Doch als Moritz Eisner zusammen mit seiner Kollegin Bibi Fellner an einem verschneiten Wintertag zu Abbrucharbeiten des Horror-Hauses im niederösterreichischen Gieselbrunn gerufen wird, nimmt das Geschehen eine dramatische Wendung. Denn inmitten der Trümmer wurde in dem gleichen Kellergewölbe die frühere Leiterin der "Soko Melanie" Franziska Kohl tot aufgefunden - verdurstet. Der zutiefst erschütterte Moritz Eisner ist überzeugt, dass es kein Unfall war. Und ihm wird schnell klar, dass er gegen ein unsichtbares Kinderporno-Netzwerk kämpfen muss, das bis in die Spitzen von Polizei und Justiz hineinreicht.

Eisner, der diese Kollegin nicht nur sehr gut kannte, sondern sogar einige Zeit mit ihr liiert war, steht mit seinem Verdacht von einer Verschwörung fast ganz allein. Nur Bibi Fellner hält zu ihm.

Darsteller


Harald Krassnitzer («Trau niemals deiner Frau») als Moritz Eisner
Adele Neuhauser («Doctor's Diary») als Bibi Fellner
Hubert Kramar («Lourdes») als Ernst Rauter
Tanja Raunig («Diamantenfieber») als Claudia Eisner
Stefanie Dvorak («Dorfers Donnerstalk») als Julia Wiesner
Mcihael Dangl («Paul Kemp – Alles kein Problem») als Markus Frey
Martina Spitzer («Braunschlag») als Marianne Pölzl

Kritik


Der «Tatort» um Oberstleutnant Moritz Fellner hat sich noch nie auf eine Ausstaffierung des Wiener Schmähs beschränkt, hat sich nie als verklärender Heimat-Krimi zum Wohlfühlen und Menscheln verstanden. Nein, in Wien ist man schon immer die richtig schweren Themen angegangen: Menschenhandel, Rechtsextremismus oder, wie in der neuen Folge vom kommenden Sonntag: Kindesmissbrauch.

Die Hintergründe erinnern stellenweise ein wenig an den Fall Kampusch, wenn natürlich die konkrete Faktenlage weiträumig verfremdet wurde. Mehr als kurze Assoziationen hervorrufen, soll diese Verbindung nicht. Es ist klar, dass „Abgründe“ ein fiktiver Stoff ist. Völlig ungewollt und unerwartet gewinnt er nun aber durch die Causa Edathy zumindest in Deutschland ein Maß an politischer Brisanz, mit dem in dieser konkreten und (zeitlich) unmittelbaren Weise nicht zu rechnen gewesen ist.

Eisner und Fellner sind wieder einer groß angelegten Verschwörung auf der Spur, die den gesamten Polizei-und Justizapparat durchsetzt zu haben scheint. Ein im deutschen Fernsehen schwieriges Sujet, schließlich sind derart gelagerte Themen schon oft genug durch abstumpfende Trivialisierung, erzählerisches Unvermögen und eine prätentiöse, vom vermeintlichen Mut besoffene Umsetzung an die Wand gefahren worden.

Doch der Wiener «Tatort» hat schon immer gerne die Regeln gebrochen und Grenzen ausgelotet. Das Geflecht aus politischen Seilschaften und vetternwirtschaftendem G'spusitum ist in seiner Tragweite mutig, aber stimmig und trotz aller Extreme glaubwürdig entworfen, die Parallelisierung von Polizeiapparat und Mafia nicht prätentiöse, fehlgeleitete Überinterpretierung, sondern logische Konsequenz der Narrative.

Das Drehbuch begnügt sich nicht mit einer kurzen Referenz auf politische und gesellschaftliche Zusammenhänge, um diesen Punkt als Melodramhindernis aus dem Weg zu räumen, sondern es liefert eine Abrechnung mit dem, was im Machtapparat schief läuft, und entwirft ein Schreckenszenario davon, was passieren kann, wenn dem Staat und der Gesellschaft die Kontrolle über ihre Behörden vollständig entglitten ist. In seiner thematischen Auseinandersetzung ist das narrative Konstrukt nicht so kokettierend und fatalistisch wie ein Werk von Bernhard. Doch man stochert im selben Wespennest – und ist dabei letztlich fast genauso gnadenlos. Zum Glück.

In all dem harten Tobak erlaubt man sich auch sentimentale Momente. Jedoch nicht, um damit prätentiös durchchoreographierte Spinnereien vom Reißbrett in den Stoff einzuflechten, sondern die politische Relevanz durch ihre unmittelbare Auswirkung auf das Privatleben der beiden Ermittlerfiguren fassbar zu machen. Eine stimmige Figurenführung und die beiden exzellenten Hauptdarsteller Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer lassen das erneut hervorragend gelingen.

Das Erste zeigt «Tatort – Abgründe» am Sonntag, den 02. März um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/69262
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